Scheinwahl
Eine Scheinwahl ist eine Wahl, bei der die Wahlgrundsätze einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl nicht eingehalten werden. Die gewählten Kandidaten gelten deshalb als nicht demokratisch legitimiert.[1]
Der tatsächliche Ausgang einer Scheinwahl ist bereits vorherbestimmt. Im Gegensatz zu einer demokratischen Wahl kommen verschiedene Mittel zum Einsatz, um das gewünschte Ergebnis herbeizuführen, bis hin zur Wahlfälschung.
Bedeutung
Wahlen sind in einer repräsentativen Demokratie Ausdruck der Volkssouveränität und haben die Funktion, die Staatsorgane zu legitimieren und Personen auszuwählen, die das Volk vertreten.[2] Seit 1948 gewährleistet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Art. 21 das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Gemäß Art. 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966 hat jeder Staatsbürger das Recht und die Möglichkeit, bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äußerung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden. Art. 3 des Zusatzprotokolls der EMRK verpflichtet die Vertragsparteien, „in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewährleisten.“[3]
Scheinwahlen sollen eine solche Beteiligung nur vortäuschen, um die Handlungen eines autoritären Regimes als demokratisch legitimiert darzustellen.
Es handelt sich um eine Scheinwahl, wenn die Wahlmöglichkeiten unangemessen eingeschränkt oder beeinflusst werden. Das ist für das aktive Wahlrecht der Fall, wenn faktisch nur eine Option wählbar ist oder Wähler bedroht, gezwungen oder manipuliert werden, eine bestimmte Wahlentscheidung zu treffen. Für das passive Wahlrecht bedeutet das, dass nicht jeder frei kandidieren kann, indem etwa oppositionelle Kandidaten eingeschüchtert oder von der Wahl ausgeschlossen werden.
Verschiedene internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen,[4] die OSZE[5] oder die Europäische Union[6] entsenden Wahlbeobachter, um die Einhaltung der international anerkannten Wahlgrundsätze zu überwachen.
Beispiele
Manche Diktaturen sind bzw. waren offiziell ein Einparteiensystem; so etwa die Sowjetunion, das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutsche Reich. Die Wähler können dort die vorgegebene Kandidatenliste der Partei lediglich bestätigen, wir bei Ausübung des Stimmrechts in der Zeit des Nationalsozialismus.
Andere Diktaturen lassen zwar formell mehrere Parteien bestehen, z. B. die Volksdemokratien des Realsozialismus wie die DDR, die Volksrepublik China und Nordkorea, wo ein Blockparteiensystem existiert. Aber das Verständnis der sozialistischen Demokratie mit einem Führungsanspruch der Kommunistischen Partei und einer Identität der Interessen der Bevölkerung und der Regierung machen es zwingend notwendig, dass das Wahlvolk dem Kurs der Regierung vollständig zustimmt.[7][8] Das schließt freie Wahlen mit wechselnden Mehrheiten aus.
Zusätzlich ist oftmals der Wahlvorgang selbst manipuliert. Beispielsweise gab es in der DDR bis 1989 zwar Wahlkabinen, wer aber tatsächlich davon Gebrauch machte (und damit von seinem Recht auf das Wahlgeheimnis), musste negative Reaktionen durch die Machthaber befürchten. Schließlich wurden durch Wahlfälschung die Ergebnisse nach Wunsch der Machthaber präsentiert.[9]
Als „halbfrei“ werden Wahlen bezeichnet, wenn die Regierung (oder beispielsweise eine Besatzungsmacht) zwar Oppositionskandidaten zulässt, diese im Wahlkampf aber stark behindert bzw. die Regierung massiv ihre eigenen Kandidaten mit Staatsmitteln unterstützt. So kann die Regierung beispielsweise bestimmen, wer wie viel Wahlkampfmaterial (Papier, Sendezeiten) erhält. Beispiele dafür lassen bzw. ließen sich etwa in Ungarn unter Fidesz oder in Polen unter PiS beobachten.
Literatur
- Michael Krennerich: Freie und faire Wahlen? Standards, Kurioses, Manipulationen. Wochenschau Verlag, 2021. ISBN 978-3-7344-1194-6. Leseprobe.
Einzelnachweise
- ↑ Präsidentenwahl in Russland. Wladimir Putin: Zum Schein legitimiert. Deutschlandfunk, 18. März 2024.
- ↑ Birgitta Bader-Zaar: Historischer Überblick zur Wahlrechtsentwicklung. In: Forum Politische Bildung (Hrsg.): Von Wahl zu Wahl. Informationen zur Politischen Bildung, Band 21. Studienverlag, Innsbruck, Wien, München, Bozen 2004, S. 22–27 (PDF; 74,5 kB).
- ↑ Kriszta Kovács: Freie und faire Wahlen: Die europäischen Mindeststandards. WZB, abgerufen am 19. Januar 2025.
- ↑ Manuel Brunner: Wahlunterstützung durch die Vereinten Nationen. Vereinte Nationen 2022, S. 71–76 (PDF; 2,24 MB).
- ↑ Frank Evers: Wahlbeobachtung durch die OSZE. Verpflichtungen, Methodik, Kritik. In: IFSH (Hrsg.): OSZE-Jahrbuch 2009. Baden-Baden 2010, S. 261–283 (PDF; 1,27 MB).
- ↑ Rasma Kaskina: Demokratieförderung und Wahlbeobachtung. Europäische Kommission, April 2024 (PDF; 100 kB).
- ↑ Hans M. Kloth: Vom „Zettel falten“ zum freien Wählen: Die Demokratisierung der DDR 1989/90 und die „Wahlfrage“. Ch. Links Verlag, 2000, S. 19.
- ↑ Blockparteien und Einheitslisten – Wahlen in der DDR. MDR, 22. September 2017.
- ↑ Hans Michael Kloth: Vom „Zettelfalten“ zum freien Wählen: die Demokratisierung der DDR 1989/90 und die „Wahlfrage“. 2000, ISBN 978-3-86153-212-5, insb. S. 69, Digitalisat.