St. Martin (Amberg)
Die Basilika St. Martin ist eine katholische Pfarrkirche in Amberg in der bayerischen Diözese Regensburg. Sie ist die größte gotische Hallenkirche der Oberpfalz.[1]
Baugeschichte
Der Vorgängerbau der heute bestehenden St.-Martins-Kirche war eine dreischiffige romanische Basilika mit drei Apsiden, einer Doppelturmfassade und einem Chorturm. Diese Basilika lag auf dem Bereich des heutigen Langhauses.[2] Die an der Südseite des Marktplatzes gelegene Kirche wurde ab 1421 durch die Amberger Bürger im spätgotischen Stil errichtet. Bauform ist eine dreischiffige Hallenkirche mit einem gemeinsamen Dach. Die Kirche hat eine Länge von 72 Metern und eine Breite von 27,8 Metern. Der öffentlich zugängliche Turm hat eine Höhe von fast 92 Metern und prägt damit das Stadtbild von Amberg. Ein Kranz von 19 Kapellen umgibt die Kirche, welche durch eine gemeinsame Empore nach oben abgeschlossen werden. Von der Bauform her wurde St. Martin Vorbild für viele Kirchen im sächsischen Bergbaugebiet, darunter den Freiberger Dom.
Wenige Jahrzehnte nach der Fertigstellung wurden im Zuge der Reformation ab 1544 protestantische Gottesdienste gehalten. Auf Anordnung des Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz erfolgte 1557 durch die Calvinisten ein reformatorischer Bildersturm, sie entfernten die Nebenaltäre und Bildwerke. Später wurde die Kirche vollständig ausgeräumt und die Fresken fielen der Zerstörung anheim.
Nach der Gegenreformation erhielt die Kirche einen neuen barocken Hochaltar mit einem Gemälde von Gaspar de Crayer, einem Schüler von Peter Paul Rubens. Ab 1628 wurde die Kirche so barockisiert.[3] Nach Schäden durch Beschuss 1703 im Spanischen Erbfolgekrieg – dabei gingen auch die alten Glasfenster zu Bruch – erhielt die Kirche eine kostbare Barockausstattung. 1720 gab man dem Turm seine heutige Form; aufgrund schwerer Schäden musste er neu aufgebaut werden.[4] Von der barocken Ausstattung ist heute neben den Wangen des Gestühls nur noch das Altarbild von Caspar de Crayer erhalten.[5] Zwischen 1869 und 1879 erfolgte die Regotisierung des Kirchenbaus. Dabei wurde auch die Westempore eingebaut.[6]
Die heutigen Glasfenster sowie die neugotische Ausstattung stammen von einer Restaurierung Ende des 19. Jahrhunderts. Seit 2003 läuft eine umfassende Renovierung; diejenige des Dachstuhles und des Daches wurde 2009 erfolgreich abgeschlossen, die von Fundament und Turm 2017.[7] Von 2020 bis 2024 erfolgt die intensive Außensanierung der Basilika. Diese betrifft Arbeiten am Naturstein der Kirchenfassade, an den Buntglasfenster sowie Arbeiten an der Elektroinstallation.[8]
Der Dachstuhl ist einzigartig für seine Zeit. Mit Balken und Sparren, die jeweils die Länge von fast 28 Metern aufweisen, wurde eine freitragende Dachkonstruktion aus Ganzholzbalken errichtet, die von Außenwand zu Außenwand reicht.[9]
Basilica minor
Wegen ihrer Bedeutung für die Region erhob Papst Johannes Paul II. die Pfarrkirche St. Martin am 27. September 1980 mit dem Apostolischen Schreiben Inter templa zur Basilica minor.[10][11]
Orgel
Das Instrument wurde 1968 als Opus 4993 von der Firma E. F. Walcker in Ludwigsburg erbaut. Es hat mechanische Spiel- und elektrische Registertraktur. 1973 wurde es um ein dem Hauptgehäuse vorgelagertes Bombardenwerk mit elektrischer Traktur erweitert, spielbar vom I. Manual. Eine ergänzende Chororgel ist in Planung, nachfolgend die Sanierung und Reorganisation der Hauptorgel.
|
|
|
|
|
Glocken
Der Glockenbestand der Basilika ist sehr wertvoll: Neun Glocken aus der Zeit vom 14. bis zum 19. Jahrhundert hängen auf zwei Glockenstuben verteilt.
In der unteren Glockenstube hängt das Hauptgeläut. Die am 24. Juli 1318 gegossene Elferin ist die älteste Glocke an St. Martin. Sie bildet die Grundglocke für das Sonntagsgeläut; das Läuten der großen Unsres-Herrn-Glock ist den Hochfesten vorbehalten.[12] Die kleine Sperrglocke ist gesprungen. Sie läutete vor der allabendlichen Schließung der Stadttore.
In der oberen Glockenstube befinden sich noch zwei Glocken in einem eigenen Glockenstuhl: die Feuerglocke und die Armesünderglocke. Die Feuerglocke konnte mit Hämmern an der Außenseite angeschlagen werden. Bis zum Jahre 1916 wirkte der letzte Türmer an St. Martin, zu dessen Aufgaben es zählte, die Feuerglocke im Falle der Brand- oder Feindesgefahr anzuschlagen.[13] Die kleinere Armesünderglocke wurde bei Hinrichtungen geläutet.
Nr. |
Name |
Gussjahr |
Gießer, Gussort |
Durchmesser (mm) |
Masse (kg, ca.) |
Schlagton (HT-1/16) |
1 | Unsres-Herrn-Glock | 1537 | Hans III. Glockengießer, Nürnberg | 1.760 | 3.500 | h0 −2 |
2 | Elferin | 1318 | anonym (Nürnberger Schule) | 1.398 | 2.200 | dis1 +6 |
3 | Zwölferin (Martinus) | 1515 | anonym (Nürnberger Schule) | 1.162 | 900 | fis1 +4 |
4 | Vesperglocke | 1399 | Hans Bayr, Regensburg | 1.148 | 900 | gis1 +6 |
5 | Sterbeglocke | 1405 | anonym | 890 | 500 | c2 −5 |
6 | Messglocke (Martinus) | 1521 | Hans Stain, Amberg | 660 | 200 | fis2 −5 |
7 | Sperrglocke | unbekannt | anonym | 515 | 100 | gesprungen |
8 | Feuerglocke | 1519 | Hans Stain, Amberg | 1.010 | 800 | g1 +2 |
9 | Armesünderglocke | 1897 | Gebrüder Klaus, Heidingsfeld | 755 | 290 | c2 +4 |
Siehe auch
Literatur
- Der Eisengau Band 17/2001. Sonderband Sankt Martin in Amberg. (= Der Eisengau Band 17/2001. Sonderband). Hrsg.: Heimatkundlicher Kreis Amberg-Sulzbach im Selbstverlag 2017.
- Basilika St. Martin Amberg (= Kleine Kunstführer Nr. 10695) Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 4. Auflage 2020, ISBN 978-3-7954-4442-6.
- Kath. Kirchenstiftung St. Martin Amberg (Hrsg.): 600 Jahre Basilika St. Martin 1421–2021. Büro Wilhelm, Amberg 2021, ISBN 978-3-948137-35-9.
Einzelnachweise
- ↑ Katholische Kirchengemeinde St. Martin Amberg. Abgerufen am 23. Februar 2021.
- ↑ Nicola Damrich: Die Kirche St. Martin in Amberg/Oberpfalz (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. 5). Tuduv, München 1985, ISBN 978-3-88073-183-7, S. 6–8.
- ↑ Nicola Damrich: Die Kirche St. Martin in Amberg/Oberpfalz (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. 5). Tuduv, München 1985, ISBN 978-3-88073-183-7, S. 47.
- ↑ Nicola Damrich: Die Kirche St. Martin in Amberg/Oberpfalz (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. 5). Tuduv, München 1985, ISBN 978-3-88073-183-7, S. 61–62.
- ↑ Nicola Damrich: Die Kirche St. Martin in Amberg/Oberpfalz (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. 5). Tuduv, München 1985, ISBN 978-3-88073-183-7, S. 47.
- ↑ Nicola Damrich: Die Kirche St. Martin in Amberg/Oberpfalz (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. 5). Tuduv, München 1985, ISBN 978-3-88073-183-7, S. 62.
- ↑ Thomas Amann: Gut geplanter Bau bringt Lob statt Spott für Turmsanierung: Jesu Rat für St. Martin | Onetz. In: onetz.de. 28. November 2017, abgerufen am 2. März 2024.
- ↑ Katholische Kirchengemeinde St. Martin Amberg. Abgerufen am 23. Februar 2021.
- ↑ Der Eisengau Band 17/2001 (Sonderband Sankt Martin in Amberg), S. 92ff
- ↑ Ioannes Paulus II.: Litt. Apost. Inter templa, in: AAS 72 (1980), n. 6, S. 802s.
- ↑ www.amberg-st-martin.de ( vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive) Amberger Zeitung, 23. September 1980 (Kath. Pfarramt St. Martin). Aufgerufen am 19. März 2011.
- ↑ Videoaufnahme vom Zusammenläuten der Glocken 6 bis 1 (YouTube, 5. Januar 2011, 22:23 Uhr).
- ↑ Der Eisengau Band 17/2001 (Sonderband Sankt Martin in Amberg), S. 67.
Weblinks
Koordinaten: 49° 26′ 41,8″ N, 11° 51′ 27,9″ O