Schienenpersonenfernverkehr

Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) ist die Beförderung von Reisenden über längere Strecken (Fernverkehr) mit Eisenbahn-Zügen, Fernzug, Fernverkehrszug oder Langstreckenzug genannt. Das Gegenstück für kürzere Entfernungen ist der Schienenpersonennahverkehr (SPNV).

Anteile und Perspektiven

Bei der Betrachtung der Entwicklung der Personen-Verkehrsleistungen von Pkw, Flugzeug, Omnibus und Schienenverkehr in den heutigen EU-Staaten plus der Schweiz und Norwegens schrumpfte der Marktanteil des Schienenverkehrs von 1970 bis 1995 von ursprünglich 10 % auf nur noch 6 %. In Deutschland lag 1995 dieser Anteil, entsprechend den dort ausgeprägter Eisenbahn-orientierten Strukturen, geringfügig höher bei rund 7 %.

Für das Vierteljahrhundert von 1995 bis 2020 sagt eine im Auftrag der Europäischen Kommission erarbeitete Studie einen weiteren Rückgang des Marktanteils von Eisenbahnen auf nur noch 5 % aller Personenverkehrsleistungen in Europa voraus. Die aktuelle Entwicklung in Deutschland bestätige diese Einschätzung, so betrug der Anteil der Eisenbahn an den Verkehrsleistungen im Personenverkehr 1998 nur noch 6,6 %.[1]

Der internationale Schienenpersonenfernverkehr soll wieder verstärkt gefördert werden. Dazu haben die Verkehrsminister aus Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz im Dezember 2020 einen Grundsatzentscheid gefällt und die vier Staatsbahnen DB, SNCF, ÖBB und SBB eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet.[2]

Deutschland

Gesetzliche Lage

In Deutschland zieht die gesetzliche Regelung die Grenze zum Nahverkehr bei einer Reisedistanz von 50 Kilometern und einer Reisedauer von einer Stunde, in dessen Rahmen die Mehrzahl der Beförderungsfälle unterwegs sein müssen. Diese Regelung lässt somit Raum für eine Minderheit an Beförderungsfällen, die kürzere Strecken mit Fernzügen und längere Strecken mit Nahverkehrszügen zurücklegen. Im Gegensatz zum Schienenpersonennahverkehr, der über Regionalisierungsmittel und Bestellerentgelte der Länder finanziert wird, muss der Fernverkehr in der Regel eigenwirtschaftlich betrieben werden ohne Subventionierung durch die öffentliche Hand (mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel Anschubfinanzierungen).

Allerdings gewährleistet die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Grundgesetz Art. 87e Absatz 4, dass den Verkehrsbedürfnissen der Allgemeinheit auch abseits des Nahverkehrs durch ein nicht näher definiertes Verkehrsangebot Rechnung getragen würde.[3] Genaueres sollte ein Bundesgesetz regeln, was aber bisher nie in Kraft trat. Ein Antrag des Bundeslandes Sachsen-Anhalts über ein Gesetz zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot im Jahr 2008[4] erfuhr keine abschließende Bearbeitung und blieb ergebnislos. Neue Anträge wurden seitdem nicht eingebracht. Mitte 2014 sprachen mehrere Politiker des Saarlandes abermals über einen entsprechenden Gesetzentwurf, da 2016 Fernverkehrsverbindungen in Saarbrücken wegfallen sollten, die DB Fernverkehr bisher aber keinen gleichwertigen Ersatzverkehr planten.[5]

Das Monopol der Eisenbahnen des Bundes ist bei der Bahnreform 1994 gefallen und der SPFV steht seitdem der Konkurrenz offen. Der tatsächliche Konkurrenzanteil zu der Deutschen Bahn ist aber weiterhin sehr niedrig und lag 2010 laut Bundesnetzagentur bei unter 1 %.[6]

Fernzüge der Deutschen Bahn

Intercity-Express-Triebzug
Intercity der DB

Die DB Fernverkehr, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, setzt Fernzüge folgender Zuggattungen ein, die überwiegend im Taktfahrplan verkehren:

Darüber hinaus wurden nach der Bahnreform im deutschen Schienenpersonenfernverkehr auch einige Unternehmen aktiv, die entweder direkte Tochtergesellschaften oder internationale Kooperationen der Deutschen Bahn sind beziehungsweise waren:

Unternehmen Produktname seit bis
Österreichische Bundesbahnen EuroNight (EN)
ÖBB Nightjet (NJ)
2007
2016
2016
heute
Alleo Train à grande vitesse (TGV), Intercity-Express (ICE) 10. Juni 2007 2019

Vereinzelt gibt DB Fernverkehr außerdem bei DB Regio Interregio-Express-Züge (IRE) in Auftrag, sie sind Nachfolger oder Ersatz des Interregio (IR).

Fernzüge anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen

Routen privater EVU-Reisezüge (u. a. in Deutschland und Österreich)

Andere Betreiber konnten sich trotz Öffnung des Marktes für die Konkurrenz bislang kaum auf dem Fernverkehrsmarkt etablieren. Es verkehren nur einzelne eigenwirtschaftliche Züge anderer Anbieter:

Unternehmen Produktname Laufweg seit
Westrail International (bis Mai 1999)
Thalys International (bis Sep. 2023)
Eurostar Group (seit Sep. 2023)
Eurostar (EST) Dortmund – Duisburg – Köln – Brüssel – Paris 14. Dezember 1997[Anm 1]
Georg Verkehrsorganisation (GVG) Berlin-Night-Express Stockholm – Malmö – Kopenhagen – Hamburg – Berlin 24. September 2000 – 21. April 2019, 27. Juni 2021 (nur saisonal im Sommer)
Veolia Verkehr Sachsen-Anhalt (bis Dezember 2018)
Abellio Rail Mitteldeutschland (seit Dezember 2018)
Harz-Berlin-Express (HBX) Berlin Ostbahnhof Genthin – Magdeburg – Thale/Goslar 11. Dezember 2005
SNCF Voyageurs TGV Freiburg – Offenburg – Straßburg – Paris (– Bordeaux) August 2013 über Mulhouse-Ville

Dezember 2018 über Straßburg

11. Dezember 2022 verlängert nach Bordeaux[7]

Bahntouristikexpress (BTE) BTE AutoReiseZug Hamburg-Altona – Lörrach Hauptbahnhof 16. Dezember 2016[Anm 2]
Train4you UrlaubsExpress (UEx) verschiedene Destinationen (saisonaler Auto- und Nachtzugverkehr) Mai 2017
Flix[Anm 3] Flixtrain FLX 10 Berlin Hbf. – Berlin Südkreuz Halle (Saale) – Erfurt Gotha – Eisenach – Fulda – Frankfurt Süd Darmstadt – Weinheim – Heidelberg – Stuttgart April 2018[Anm 4]
Flix[Anm 5] Flixtrain FLX 20 Hamburg – Hamburg-Harburg – Osnabrück – Münster – Gelsenkirchen – Essen – Duisburg – Düsseldorf – Köln März 2018[Anm 6]
Flix[8] Flixtrain FLX 30 Leipzig – Lutherstadt Wittenberg – Berlin Südkreuz – Berlin – Berlin-Spandau – Hannover – Dortmund Hbf – Essen – Duisburg – Düsseldorf – Köln – Aachen Mai 2019[8]
Westbahn Westbahn München Hbf – München Ost – Salzburg – Vöcklabruck – Attnang-Puchheim – Wels Hbf – Linz – Amstetten – St. Pölten – Wien Hütteldorf – Wien Westbahnhof 8. April 2022
European Sleeper European Sleeper (es) Brüssel – Antwerpen – Roosendaal – Rotterdam – Den Haag – Amsterdam – Amersfoort – Deventer – Bad Bentheim – Dresden – Bad Schandau – Prag 25. Mai 2023
  1. bis 28. März 2012 in Kooperation mit der DB
  2. vom 28. April 2018 bis April 2020 in Kooperation mit Flixmobilty als Flixnight
  3. In Kooperation mit Leo Express
  4. Ersetzt Locomore
  5. In Kooperation mit Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr
  6. Nachfolger des HKX; bis April 2020 in Kooperation mit dem ehemaligen HKX-Betreiber Bahntourismusexpress

Darüber hinaus bediente die Westbahn – als damals einzige Station außerhalb Österreichs – schon zwischen dem 11. Dezember 2011 und dem 1. September 2013 den Bahnhof Freilassing.

Ehemalige Fernzüge

Die Liste enthält nur Zuggattungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen, die nach der Liberalisierung des Schienenfernverkehrs 1994 in Kooperation mit der Deutschen Bahn gefahren wurden – oder aber Zuggattungen anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen, die völlig unabhängig von der Deutschen Bahn agierten.

Unternehmen Produktname Laufweg von bis
City Night Line CNL (bis Januar 2010)
DB AutoZug (seit Januar 2010)
City Night Line (CNL) diverse Strecken 28. Mai 1995 10. Dezember 2016
Cisalpino Cisalpino (CIS) diverse Strecken 1. März 1998 9. Dezember 2006
Metropolitan Express Train Metropolitan (MET) diverse Strecken 1. August 1999 11. Dezember 2004
eurobahn keiner (siehe Eurobahn#Fernverkehr zwischen Köln und Bielefeld) Bielefeld – Köln 1. Dezember 2000 28. Januar 2001
DB AutoZug AutoZug (AZ)
NachtZug (NZ)
UrlaubsExpress (UEx)
D-Nacht (D)
diverse Strecken 1. Januar 2002 29. Oktober 2016
Veolia Verkehr InterConnex (X) / Lausitz-Express (LX) Rostock-Warnemünde – Schwerin – Berlin – Leipzig 1. März 2002 13. Dezember 2014
Vogtlandbahn (VBG) Vogtland-Express (VX) Berlin Zoo Chemnitz – Adorf 12. Juni 2005 30. September 2012[9]
RŽD EuroNight (EN) (Paris –) Berlin – Warschau – Minsk – Moskau 2007 März 2020
Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr (IGE) Mitfahrzug diverse Strecken 25. April 2008 2009
Reisezug-Verkehrsgesellschaft www.nacht-im-zug.de Stuttgart – Heilbronn – Heidelberg – Potsdam – Berlin 26. Juni 2009 6. Juli 2009[10]
Hamburg-Köln-Express (HKX) Hamburg-Köln-Express (HKX) Hamburg – Münster – Gelsenkirchen – Duisburg – Köln 23. Juli 2012 3. Januar 2018
Locomore (LOC) Locomore (LOC) Berlin-Lichtenberg - Berlin Ostbahnhof Berlin Zoo Hannover – Frankfurt Süd Stuttgart 14. Dezember 2016 12. Mai 2017
Leo Express GmbH Locomore (LOC) Berlin-Lichtenberg - Berlin Ostbahnhof Berlin Zoo Hannover – Frankfurt Süd Stuttgart 24. August 2017 April 2018
RDC Alpen-Sylt Nachtexpress Westerland (Sylt) – Husum – Hamburg – Frankfurt am Main – Würzburg – Nürnberg – Augsburg – München – Salzburg 4. Juli 2020 (nur saisonal im Sommer) Juli 2022

Historische Fernzugbezeichnungen

Historische Fernzugbezeichnungen in Deutschland sind unter anderem Trans-Europ-Express (TEE), Schnellzug des Intercity-Ergänzungssystems (DC), Fern-Express (FD), Interregio (IR) der Deutschen Bundesbahn sowie Expresszug und Interexpress der Deutschen Reichsbahn. Auch Eilzüge erfüllten mitunter Fernverkehrsaufgaben, insbesondere als Heckeneilzüge.

Vor der Bahnreform 1994 boten vereinzelt auch private Betreiber bereits alternative SPFV-Produkte mit eigenen Fahrzeugen im deutschen Eisenbahnnetz an, insbesondere der Reiseveranstalter TUI von 1978 bis 1993 mit dem TUI-FerienExpress und die Lufthansa zwischen 1982 und 1993 mit dem Lufthansa-Airport-Express.

Österreich

Railjet-Zug der ÖBB

Der österreichische Fernverkehr wird hauptsächlich mit Railjet, die im Hochgeschwindigkeitsverkehr im Einsatz sind, und Intercity durchgeführt. Ergänzend sind auch ICE-Züge, die von der DB übernommen wurden, Eurocitys anderer europäischer Staatsbahnen und für den Osteuropaverkehr einige Schnellzüge unterwegs.

Die Railjet wurden 2008 eingeführt und haben innerhalb der ÖBB den Rang des Premiumfernverkehrs. Diese Züge sind in drei statt der üblichen zwei Klassen aufgeteilt. Neben innerösterreichischen Verbindungen gibt es auch Ziele in Deutschland, Tschechien, Ungarn, der Schweiz sowie der Slowakei und seit 2017 in Italien (Venedig via Villach, seit 2019[11] Bozen via Innsbruck).

Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2016 gingen die Nachtzüge der ÖBB in neuem Design und Konzept als ÖBB Nightjet auf die Reise. Zu diesem Zeitpunkt übernahmen die ÖBB auch die City-Night-Line-Verbindungen der Deutschen Bahn AG. Die Nightjet verkehren in Österreich sowie in die Nachbarländer Italien, Deutschland und in die Schweiz, weitere europäische Staaten sind per EuroNight erreichbar. Der Name „Nightjet“ sowie das Design soll eine Anlehnung an die ÖBB-Railjet sein, jedoch sind die Züge aufgrund des Nachtverkehrs in Blau anstatt Schwarz/Rot gestaltet.

Wiktionary: Fernzug – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. VR Transport: Schienenpersonenfernverkehr in Europa, abgerufen am 11. November 2015
  2. Verkehrsminister vereinbaren stärkere Förderung von Fern- und Nachtzügen. Bundesamt für Verkehr, Generalsekretariat UVEK, 8. Dezember 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020.
  3. bundestag.de
  4. dipbt.bundestag.de
  5. saarbruecker-zeitung.de
  6. Marktuntersuchung Eisenbahnen 2011. (PDF) BNetzA, 9. Dezember 2011, abgerufen am 18. Dezember 2015.
  7. Manuel Fritsch: Ab Dezember fährt ein TGV von Freiburg nach Bordeaux - Freiburg - Badische Zeitung. In: Badische Zeitung. 6. Oktober 2022, abgerufen am 28. November 2022.
  8. a b Peter Neumann: Neue Strecke: Flixtrain nimmt Betrieb von Berlin nach Köln auf. 26. März 2019, abgerufen am 18. August 2019.
  9. newstix.de: Vogtland-Express ab 01.10.2012 als Linienbus, Misch-Konzept Bahn – Bus zu teuer
  10. Aus für den Nachtzug nach Berlin. Heilbronner Stimme, 24. Juli 2009, abgerufen am 27. Juli 2009.
  11. Hannes Innerhofer: Direktverbindung zwischen Bozen und Wien ab Sonntag. In: Internetseite unsertirol.com. Du bist Tirol-Genossenschaft, 12. Dezember 2019, abgerufen am 29. August 2023.