Südwestfriedhof Essen
Der kommunale Essener Südwestfriedhof liegt im Westen der Stadt Essen im Stadtteil Fulerum. Er bildet nach dem Parkfriedhof die flächenmäßig zweitgrößte Begräbnisstätte der Stadt. Hier sind auch 2878 Opfer beider Weltkriege beigesetzt.
Auf dem heute 37,27 Hektar großen Friedhof sind mit rund 33.000 Gräbern weitaus mehr Menschen bestattet, als Fulerum Einwohner hat (etwa 3350 Einwohner).
Die gesamte Friedhofsfläche sowie ein östlich angrenzender Streifen mit zusammen rund 38 Hektar Fläche wurden 1992 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.[1]
Geschichte
Anfänge
Essen wollte einen neuen Zentralfriedhof errichten, der größer sein sollte als alle bis dahin bestehenden Essener Friedhöfe zusammen, was damals aufgrund der rasch steigenden Einwohnerzahl notwendig schien. Denn immer mehr Menschen ließen sich in Essen nieder, da sie in der Zeit der Industrialisierung, insbesondere im Bergbau und in der stark expandierenden Stahlindustrie, Arbeit fanden. Dazu sollte der Friedhof so gelegen sein, dass er nicht von künftigem Wohngebiet umschlossen werden und damit stets erweitert werden konnte. Gleichzeitig wurde der Friedhof von Beginn an als Parkanlage konzipiert.[2] Darauf weisen beispielsweise alte steinerne Hinweistafeln zu bestimmten Orten innerhalb des Friedhofes hin, die auch im Grugapark Verwendung fanden. Der Essener Stadtplaner und Bauingenieur Robert Schmidt leitete die Planungen und setzte sich für deren Umsetzung ein.
Das im östlichen Bereich des heutigen Stadtteils Fulerum gelegene Gelände des Südwestfriedhofs wurde nach Eingemeindung zur Stadt Essen im Jahr 1910 von der Stadt gekauft. Bis dahin gehörte dem Bauern Oberscheidt dieses Land samt Hof mit einer Gesamtfläche von rund 28 Hektar. Teile des ehemaligen Oberscheidthofes dienten noch lange Zeit als Wirtschaftshof. Seine Reste wurden 1975 abgerissen.
Ein zunächst geplanter, barocker Waldfriedhof, dessen Reihengräber bis ins Nachtigallental im Osten reichen sollten, konnte wegen Ausbruch des Ersten Weltkrieges großenteils nicht mehr realisiert werden. Statt einer geplanten monumentalen Andachtshalle wurde im südlichen Teil des Friedhofsgeländes ein Ehrenfriedhof für Soldaten des Krieges angelegt. Ein provisorisches Holzgebäude musste bis zum Bau der heutigen Friedhofsgebäude in den 1920er Jahren die Funktion übernehmen. Ein vorhandener Birkenhain wurde zu einem Urnenhain für Feuerbestattungen umgestaltet. Eine Tafel mit der Inschrift Urnenhain Essen – Verein für Feuerbestattungen weist heute darauf hin. Auf einer dort im Boden befindlichen Steinplatte steht der Vers Komm her zu mir, Geselle, hier find’st du deine Ruh (aus dem Lied Am Brunnen vor dem Tore).
Die breite, ursprünglich vierreihig geplante Lindenallee bildet bis heute die zentrale Nord-Süd-Achse des Friedhofs. Sie war die alte Fulerumer Straße, die 1914 zur Anlage des Friedhofes komplett nach Westen an ihren heutigen Verlauf verlegt wurde. Bei der Gestaltung und Neuanlage des Friedhofes wirkte auch der Gartendirektor der Stadt Essen, Rudolf Korte, mit.
Gebäudekomplex der 1920er Jahre
Die heutigen, seit 1991 denkmalgeschützten[3] Backsteinbauten aus dunkelgebrannten Klinkern, bestehend aus Einsegnungshalle, Geschäften und Verwaltung, umschließen seit 1926 einen Ehrenhof und bilden den zur Fulerumer Straße hin geöffneten Haupteingangsbereich des Friedhofes. Das Eingangstor trägt expressionistische Stilzüge. Die Gebäude entstanden nach Plänen des Architekten und Leiters des städtischen Hochbauamtes, Ernst Bode (1878–1944). Im ersten Bauabschnitt, von April 1925 bis Februar 1926, wurden die Portalbauten mit Pförtnerraum sowie die zwei flankierenden Gebäude für Blumen- und Bildhauerläden, Büros und Beamtenwohnungen errichtet. Die Kosten dafür lagen bei etwa 106.000 Reichsmark. Das dann errichtete eigentliche Friedhofsgebäude mit allen Nebenanlagen kostete rund 901.000 Reichsmark.[4] Diese Einsegnungshalle wurde zwischen 1927 und 1929 errichtet. Glas in ihrem Deckenbereich sorgt für Ausleuchtung. Ebenfalls aus dem Jahr 1929 stammt die Planung, ein Krematorium zu bauen. Es nahm 1936 seinen Betrieb auf, ist aber heute stillgelegt.
- Einsegnungshalle mit Arkaden
- Wandelgang mit parabelförmigen Arkaden
- Will Lammert – Mutter Erde (1926), einst über dem Portal der Trauerhalle, zerstört
Künstlerisch wirkte der Bildhauer Will Lammert mit, der auf der östlich benachbarten Margarethenhöhe wohnte. Mehrere christliche Kunstwerke, wie die Portaltüren und die 16 Apostel auf den beiden Pylonen, schuf Lammert für den Südwestfriedhof. Dazu gehörte auch die etwa fünf Meter hohe Plastik Mutter Erde, die direkt außen über dem Portal der Einsegnungshalle angebracht war. Alle seine Kunstwerke wurden ab 1933 von den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ verunglimpft, entfernt und zerstört, da Lammert als Kommunist galt und seine Ehefrau eine Jüdin war. Einzig der etwa zwölf Meter hohe Segnende Christus im Innern der Einsegnungshalle ist bis heute erhalten geblieben. Aufgrund ihrer Größe und der festen Verankerung in der nördlichen Wand des Gebäudes wurde diese Skulptur lediglich mit einer Hakenkreuzflagge zugehängt.[5]
Nationalsozialismus und die Folgen
Da zur Zeit des Nationalsozialismus der Friedhof Hauptfriedhof des Gaues Essen werden sollte, wurde in den Jahren 1938/1939 das Gauehrenmal der NSDAP aufgestellt. Das Ehrenmal, von dem heute nur noch Fundament- und Mauerreste vorhanden sind, wurde von Emil Fahrenkamp errichtet. In Gegenwart von Reichsführer SS Heinrich Himmler wurde am 17. Juni 1939 der NSDAP-Politiker und SA-Führer Heinrich Unger von einer vorherigen provisorischen Bestattungsstätte hierhin überführt. Dieser Beisetzung mit 15 weiteren bei Straßenkämpfen umgekommenen NSDAP-Anhängern ging eine Masseninszenierung am Burgplatz mit anschließendem Umzug von dort zum Südwestfriedhof voraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Ehrenmal von den Alliierten gesprengt.
Nördlich an Trauerhalle und deren Nebengebäude grenzten ursprünglich Terrassenanlagen. Nach dem Krieg wurde das abschüssige Gelände nördlich der Friedhofsbauten bis hin zum Borbecker Mühlenbachtal mit Schutt aus Trümmern umliegender Siedlungen aufgefüllt und für neue Begräbnisflächen umgestaltet. Ebenso wurden Bombentrichter im Nachtigallental mit Schutt der Margarethenhöhe verfüllt.
Ehrenfriedhof
Auf dem Friedhofsgelände befinden sich mehrere zunächst Ehrenfriedhof genannte Grabfelder mit insgesamt 2.878 Opfern beider Weltkriege und aus der Zeit des Nationalsozialismus. Darin wurde ein Denkmal des Bildhauers Joseph Enseling errichtet. Diese Skulptur aus dem Jahr 1929 mit dem Titel Trauer stand ursprünglich im Grugapark. Sie trägt auf einer auf dem Steinsockel angebrachten Metallplatte die Inschrift: Gedenkstätte der Stadt Essen für die Opfer von Krieg und Gewalt.[6]
Opfer des Ersten Weltkrieges
Von den Opfern des Ersten Weltkrieges liegen hier vier Bombenopfer, 600 gefallene deutsche Soldaten und 121 ausländische Kriegsgefangene. Den vier Bombenopfern, einem Wehrmann und drei Kindern, getroffen von zwei Fliegern am 24. September 1916 am Wasserturm, ist eine Stele mit den Namen der Opfer und der Aufschrift Den Fliegeropfern am Wasserturm 1916 gewidmet. Auf dem Gräberfeld der 600 deutschen Soldaten wurde ein Obelisk mit einem Eisernen Kreuz auf dessen Spitze errichtet, der an die Toten des Infanterie-Regiments 190 erinnert. Auf dem Feld stehen weitere fünf Ehrenmale Essener Vereine.
- Ehrenfriedhof, im Hintergrund: Stele mit Eisernem Kreuz
- Stele mit Eisernem Kreuz erinnert an das Infanterie-Regiment 190
- Grabmal für die vier Bombenopfer, einst „mit einer Bombe bekrönt“, die jedoch entwendet wurde
Opfer des Kapp-Putsches und der Ruhrbesetzung
36 Opfer des Kapp-Putsches vom März 1920 sind auf einem Gräberfeld bestattet, das von den Nationalsozialisten später eingeebnet wurde. Insgesamt waren es 57 sogenannte Märzgefallene, die hier bestattet waren. Jedoch wurden Angehörige der Polizei und der Einwohnerwehr in ein Ehrenmal überführt. Das Ehrenmal mit der Inschrift Sie starben in treuer Pflichterfüllung den Ehrentod fürs Vaterland 1920-21 erinnert an sie.
13 Opfer waren aufgrund des Blutsamstags am 31. März 1923 zu beklagen, als sich Krupp-Arbeiter an der Altendorfer Straße gegen ein französisches Kommando auflehnten, die dort produzierte Lastwagen zu beschlagnahmen versuchten. Als die Franzosen sich einer großen Menge Arbeitern gegenübersahen, gerieten sie in Panik und schossen sich einen Weg frei. Die Beisetzung folgte einem propagandistischen Trauerzug zum Ehrenfriedhof vom 10. April 1923. Ein Ehrenmal von Hugo Lederer, das nicht erhalten ist, wurde 1928 mit eindeutigem, politischem Hintergrund errichtet und trug die Inschrift: Karsamstag 1923. Den Werkskameraden, die französischen Kugeln in der Fabrik zum Opfer fielen.
- Trauerzug mit den Hinterbliebenen der Krupp-Arbeiter bewegt sich zum Ehrenfriedhof
- Ehrenmal von Hugo Lederer für die getöteten Krupp-Arbeiter vom Karsamstag 1923; nicht mehr erhalten
- Polizei-Ehrenmal für die Opfer des Kapp-Putsches
- Grabfeld der Opfer des Kapp-Putsches 1920, des blutigen Karsamstags 1923 und des Montagsloches 1945
- Grabfeld Essener Bürger, die zwischen 1933 und 1945 aus politischen oder weltanschaulichen Motiven ermordet wurden
Opfer des Zweiten Weltkrieges
Aus dem Zweiten Weltkrieg wurden, auf mehrere Gräberfelder verteilt, 1.287 Bombenopfer, 525 gefallene deutsche Soldaten, 43 ausländische Kriegsgefangene, 277 meist osteuropäische, in Essen eingesetzte, Zwangsarbeiter sowie 21 Essener Bürger, die zwischen 1933 und 1945 in Gefangenschaft und in Konzentrationslagern umgebracht wurden, beigesetzt. Eine Gedenkplatte vor einem Hochkreuz erinnert an 84 großenteils politische Häftlinge, die am 12. Dezember 1944 bei der Bombardierung auf das städtische Gefängnis starben. Sie durften bei dem Angriff ihre Zellen nicht verlassen. Eine weitere Gedenkplatte aus dem Jahre 1943 trägt nach dem Gedankengut der Nationalsozialisten die Inschrift: Liebet eure Heimat, mahnen die Toten. Unter den Zwangsarbeitern ruhen 34 Osteuropäer, die am 12. März 1945 im Montagsloch, heute im Gelände des Grugaparks, durch die Essener Gestapo hingerichtet wurden. Nachdem amerikanische Truppen die Toten direkt am Montagsloch durch Essener Bürger in Handarbeit beerdigen ließen, wurden sie am 3. November 1949 auf den Südwestfriedhof überführt.
- Gedenkplatte zu Opfern von 1943 mit Inschrift der Nationalsozialisten: Liebet eure Heimat, mahnen die Toten
- Grabfeld für Bombenopfer von 1943
- Grabfeld großenteils gefallener Soldaten
- Gedenkplatte an 84 politische Häftlinge, die 1944 Opfer eines Bombenangriffs wurden
- Grabfelder für Opfer des Bombenangriffs vom Dezember 1944
Weitere Kriegsgräber
Nördlich des eigentlichen Ehrenfriedhofs, in östlicher Linie neben der heutigen Andachtshalle, liegen weitere 108 Kriegsopfer. Auf Feld 23 a und b liegen 19 Menschen, meist Polen, die zu einer Kolonne von rund 3000 Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen gehörten, die am 9. April 1945 am Schuirweg aufgrund einer Verwechselung durch einen Luftangriff amerikanischer Bomber ums Leben kamen. Nur einer von ihnen, Kazimierz Soporowski (* 14. November 1914 in Warschau; † 9. April 1945 in Essen), ist bis heute namentlich bekannt. Sein Sohn kam am 9. April 2006 mit Familie auf den Südwestfriedhof zur Andacht und stellte ein Schild mit dem Namen des Vaters an ein orthodoxes Kreuz. Zwei Tage später fand das offizielle Gedenken und die Ehrung der Toten vom Schuirweg auf dem Friedhof statt, wobei die Familie Soporowski, Organisatoren, Geistliche und Vertreter der Stadt anwesend waren.[7]
Beigesetzte Persönlichkeiten
Die Gräber des Kaufmannes Otto Burau, des Ingenieurs Franz Dinnendahl (vom Rellinghauser Friedhof überführt), des Politikers Victor Niemeyer, des Oberbürgermeisters Wilhelm Holle, des Oberbürgermeisters Wilhelm Nieswandt, des Politikers und Oberbürgermeisters Heinz Renner und von Hans Spaeth wurden zum städtischen Ehrengrab ernannt.[8]
Zu weiteren hier beigesetzten Persönlichkeiten zählen der Architekt Georg Metzendorf, nach dessen Plänen unter anderem die benachbarte Margarethenhöhe errichtet wurde, die Gewichtheber Karl Bierwirth und Karl Jansen, die Politiker Karl Obermeyer, Wilhelm Pawlik, Ernst Bessel, Josef Beckmann, Hermann Klewer und Otto Hue, der Steeler Bürgermeister Bernhard Schulz, der Bildhauer Bruno Krell, der Schriftsteller Felix Wilhelm Beielstein, der Musikpädagoge und Publizist Franz Feldens (1900–1976), der Jurist Hans Niemeyer, der Unternehmer und NSDAP-Politiker Paul Hoffmann, der Metallurg und Essener Ehrenbürger Paul Goerens sowie der Essener Unternehmer und Verleger Wilhelm Girardet und dessen Sohn, der Verleger Herbert Girardet.
- Unter Denkmalschutz[9]: Grabmal des Architekten Georg Metzendorf
- Ehrengrab des Ingenieurs Franz Dinnendahl
- Ehrengrab des Essener Oberbürgermeisters Wilhelm Holle
- Ehrengrab des Essener Oberbürgermeisters Heinz Renner
- Grabmal des Unternehmers Wilhelm Girardet und seinem Sohn Herbert Girardet
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Landschaftsplan Essen – Informationen der Stadt Essen; abgerufen am 26. Januar 2016
- ↑ Robert Schmidt: Der neue Südwest-Friedhof der Stadt Essen. Essen 1914.
- ↑ Auszug aus der Denkmalliste der Stadt Essen (PDF; 844 kB), abgerufen am 19. August 2020
- ↑ Deutsche Bauzeitung vom 22. Februar 1930, Seite 129ff.
- ↑ Johannes Gorlas: Der Essener Südwestfriedhof in Fulerum ( vom 4. März 2016 im Internet Archive). Onlineveröffentlichung des Bürgervereins Haarzopf-Fulerum (o. J.), S. 3.
- ↑ Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Kriegsgräberstätten in Essen. Zuletzt gesichtet am 11. Juli 2020.
- ↑ Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e. V. – Kazimierz Soporowski; abgerufen am 1. August 2017
- ↑ Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e. V.; Ehrengräber der Stadt Essen
- ↑ Auszug aus der Denkmalliste der Stadt Essen (PDF; 1,2 MB), abgerufen am 27. April 2017
Weitere Quelle:
- „Geselle, hier find’st du deine Ruh“. Der Essener Südwestfriedhof als Erinnerungsort, Bau- und Gartenkunstwerk. Ein Spaziergang mit Robert Welzel ( vom 4. März 2016 im Internet Archive). Onlineveröffentlichung des Bürgervereins Haarzopf-Fulerum (o. J.), S. 8–19.
Weblinks
Koordinaten: 51° 26′ 6″ N, 6° 58′ 1″ O