Rudolf Slánský
Rudolf Slánský (* 31. Juli 1901 in Nezvěstice, Böhmen, Österreich-Ungarn; † 3. Dezember 1952 in Prag) war ein tschechischer Politiker. Er war von 1945 bis 1951 Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ). Er wurde in dem später nach ihm benannten antisemitischen Schauprozess angeklagt und hingerichtet.
Leben
Slánský wuchs als Sohn eines jüdischen Händlers in Pilsen auf. Im Jahr 1921, ein Jahr nach seinem Abitur, trat er der Kommunistischen Partei bei und war faktisch ab dieser Zeit Parteifunktionär. Er schloss sich der radikalen, moskau- und kominternorientierten Gruppe um Klement Gottwald an, die später unter dem Beinamen Buben von Karlín („karlínští kluci“) in die Geschichte einging. Auf dem V. Parteitag der KPTsch im Februar 1929 übernahmen diese jungen Funktionäre die Macht in der KPTsch.[1] Slánský wurde Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros. Von 1935 bis 1938 war er Parlamentsabgeordneter, 1938 ging er nach Moskau und wurde dort Mitglied der Auslandsleitung der KSČ, in dieser Funktion nahm er 1944 auch am Slowakischen Nationalaufstand teil.
1945 kehrte er in die Tschechoslowakei zurück und wurde im selben Jahr Generalsekretär der KSČ. In dieser Funktion war er maßgeblich an der Bekämpfung der bürgerlich-demokratischen Parteien und der Machtübernahme der Kommunisten im Februar 1948 beteiligt und für die Verfolgung zahlreicher Gegner der Kommunisten verantwortlich. Am 8. September 1951 wurde er als Generalsekretär entlassen und erhielt den Posten eines stellvertretenden Ministerpräsidenten. Am 23. November 1951 wurde er im Zuge der Field-Affäre verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Die Motivation dürfte einerseits darin zu sehen sein, dass Gottwald sich eines potentiellen Rivalen entledigen wollte, außerdem spielte ein durch das sowjetische Vorbild einer angeblichen Ärzteverschwörung inspirierter Antizionismus eine wichtige Rolle. Slánský war wie die Mehrzahl seiner Mitangeklagten jüdischer Herkunft. In dem nach ihm benannten Schauprozess im November 1952 wurde er vor dem neu errichteten Staatsgericht zusammen mit Außenminister Vladimír Clementis, Otto Fischl, Josef Frank, Ludvík Frejka, Bedřich Geminder, Vavro Hajdů, Eugen Löbl, Artur London, Rudolf Margolius, Bedřich Reicin, Otto Katz, Otto Šling und Karel Šváb als angeblicher „Leiter eines staatsfeindlichen Verschwörungszentrums“ angeklagt, zum Tode verurteilt und am 3. Dezember 1952 zusammen mit zehn weiteren Mitangeklagten durch Hängen im Prager Gefängnis Pankrác hingerichtet. Ihre Leichen wurden verbrannt. Mitarbeiter der Staatssicherheit streuten die Asche auf ein Feld außerhalb Prags.[2]
Am 8. September 1963 wurde Slánský juristisch rehabilitiert, zusammen mit Mordechai Oren, einem Mitglied der israelischen Mapam, der nach Abbüßung von drei Jahren einer zehnjährigen Gefängnisstrafe begnadigt und nach Israel repatriiert worden war. 1968 erfolgte im Zuge des Prager Frühlings auch seine Rehabilitierung durch die Partei.
Filmaufnahmen vom Schauprozess
Im März 2018 wurden in dem stillgelegten Metallforschungsinstitut Výzkumného ústavu kovů (VÚK) in Panenské Břežany insgesamt 20 Stunden an historischen Film- und Tonaufnahmen vom Schauprozess gegen Rudolf Slánský entdeckt, die zuvor in großen Teilen verschollen gewesen waren.[3]
Verfilmung
Der französische Spielfilm Das Geständnis von 1970 basiert auf dem Tatsachenbericht des Mitangeklagten Artur London.
Literatur
- Jan Gerber: Ein Prozess in Prag. Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-37047-6.
- Jan Gerber: Prager Perspektiven. Der Slánský-Prozess 1952. In: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts/Simon Dubnow Institute Yearbook 9 (2010). S. 575–620
- Jan Gerber: Slánský-Prozess. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 5: Pr–Sy. Metzler, Stuttgart/Weimar 2014, ISBN 978-3-476-02505-0, S. 508–513.
- Georg Hermann Hodos: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948–1954. Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 1988, ISBN 3-593-33912-9.
- Justizministerium (Hrsg.): Prozess gegen die Leitung des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums mit Rudolf Slánsky an der Spitze, Orbis, Praha 1953 (Enthält die Protokolle des achttägigen Prozesses. Anklage in einem Satz: „Verbrecherische trotzkistische und titoistische Clique, die zusammen mit Gestapoagenten und US-Imperialisten die Volksdemokratien stürzen wollte.“ In mehreren Sprachen herausgegeben.).
- Karel Kaplan: Die politischen Prozesse in der Tschechoslowakei 1948–1954. Oldenbourg, München 1986, ISBN 3-486-51081-9.
- Karel Kaplan: Zpráva o zavraždění generálního tajemníka, Mladá fronta, Praha 1992, ISBN 80-204-0269-1 (tschechisch).
- Karel Kaplan, Pavel Kosatík: Gottwaldovi muži, Paseka, Praha / Litomyšl 2004, ISBN 80-7185-616-9 (tschechisch).
- Heda Margolius Kovály: Eine Jüdin in Prag. Unter dem Schatten von Hitler und Stalin (Originaltitel: Under A Cruel Star: A Life in Prague 1941–1968. Holmes & Meier, New York, 1997, ISBN 0-8419-1377-3, übersetzt und bearbeitet durch Francis Epstein, Helen Epstein und die Autorin, aus dem Amerikanischen übersetzt von H.-H. Harbort), Rowohlt, Berlin 1992, ISBN 3-87134-035-9 (Autobiographie 1941–1968).
- Artur Gérard London: Ich gestehe. Der Prozess um Rudolf Slánský (Originaltitel: L' aveu, Dans l'engrenage du procés de Prague, Gallimard, Paris 1968, aus dem Französisch übersetzt von Willy Thaler), Hoffmann und Campe, Hamburg 1982, ISBN 3-455-04500-6.
- Miroslav Šiška; Eckart Mehls (Hrsg.): Verschwörer, Staatsfeinde, Spione … Politische Prozesse in der Tschechoslowakei 1948–1954 (Originaltitel: Bíla místa naší historie – 50. léta übersetzt von Bärbel Birnstengel), Dietz, Berlin, 1991, ISBN 3-320-01674-1.
- Walther Skaupy, Große Prozesse der Weltgeschichte, Der "Prozess gegen die Leitung des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums mit Rudolf Slansky an der Spitze", S. 307 ff., Magnus Verlag, Essen
- Josefa Slánská: Bericht über meinen Mann: Die Affaire Slánský (übersetzt von Peter Aschner). Europa-Verlag, Wien / Frankfurt am Main, Zürich 1969
- auf Englisch Report on My Husband. Hutchinson, London u. a. 1969, auf Tschechisch erst viel später:
- Zpráva o mém muži. Svoboda, Praha 1990, ISBN 80-205-0165-7 (Das Buch durfte in der Tschechoslowakei erst 1990 erscheinen)
- Rudolf Ströbinger: Der Mord am Generalsekretär. Stalins letzter Schauprozess – das Tribunal mit Rudolf Slánský in Prag [Dokumentarroman zum Fernsehfilm], Burg Verlag, Stuttgart / Bonn 1983, ISBN 3-922801-39-0.
Weblinks
- Literatur von und über Rudolf Slánský im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur und andere Medien von und über Rudolf Slánský im Katalog der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik
- SLANSKY-PROZESS: Wort für Wort geprobt. In: Der Spiegel. Nr. 35, 1969 (online – 25. August 1969, mit der Besprechung des 1968 bei Gallimard, Paris erschienenen Buches von Artur London: L’Aveu).
- Matthias von Hellfeld: Rudolf Slansky – Ein teuflisches Lehrstück. DRadio Wissen, Beitrag vom 9. Dezember 2011 aus der Serie: Rote Sekretäre.
- Bert-Oliver Manig: Stalins blutrünstiges Drängen auf tschechischen Schauprozess. Deutschlandradio Kultur, Beitrag vom 27. November 2012 aus der Serie: Kalenderblatt.
Einzelnachweise
- ↑ Klement Gottwald, Lebenslauf des Portals der Kanzlei des Präsidenten der Tschechischen Republik, online auf: hrad.cz/...
- ↑ Karel Kaplan: Report on the murder of the general secretary. I.B.Tauris, 1990, ISBN 978-1-85043-211-1, S. 234.
- ↑ Markéta Kachlíková: Einmaliger Fund: Schauprozess von 1952 in Film. In: Radio Praha. 23. März 2018, abgerufen am 8. April 2018.
Personendaten | |
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NAME | Slánský, Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | tschechischer Politiker, Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ) (1945–1951) |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1901 |
GEBURTSORT | Nezvěstice (bei Kladno) |
STERBEDATUM | 3. Dezember 1952 |
STERBEORT | Prag |