Parteienverdrossenheit

Die Begriffe Parteienverdrossenheit und Parteienverdruss bezeichnen in der deutschen Geschichte ursprünglich die antiliberale und antidemokratische Einstellung zu Beginn der Weimarer Republik, die sich gegen die Republik und den „Parteienstaat“ richteten und in der Tradition Bismarcks den Parteienstaat „als Gegenstück zu dem überkommenen Ämter- und Beamtenstaat der konstitutionellen Monarchie, der als neutraler, politikfreier, vor allem vom 'Gezänk der Parteien' freier Staat begriffen.“[1][2] Zu den bekanntesten Protagonisten einer „autoritären Lösung“ im nationalistischen Sinne gehörten die Vertreter der Konservativen Revolution wie Oswald Spengler[3] und Carl Schmitt.[4][2]

Parteienverdrossenheit wird seit den 1980er-Jahren auch synonym verwandt mit Politikverdrossenheit bzw. mit Politikerverdrossenheit, „politische Entfremdung“, „Krise der Demokratie“ oder „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“.[1]

Gegenwärtig ist Parteienverdrossenheit zumeist ein Symptom der Unzufriedenheit mit den begrenzten Möglichkeiten der Wahl- und Abstimmungsberechtigten, selbst durch Referenden die Politik gewählter Abgeordneter in Sachfragen zu korrigieren. Einer im Januar 2017 durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts insa zufolge meinen 70 Prozent der Befragten, dass Volksabstimmungen „demokratischer“ seien als Abstimmungen im Bundestag.[5] Dies spräche dafür, dass eine Mehrheit der Wahlberechtigten in Deutschland mit einer rein repräsentativen Demokratie nicht zufrieden ist.

Literatur

Aufsätze
  • Peter Haungs: Die Bundesrepublik, ein Parteienstaat? Kritische Anmerkungen zu einem wissenschaftlichen Mythos. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Bd. 4 (1973), S. 502–524, ISSN 0340-1758.
  • Peter Lösche: Parteienverdrossenheit ohne Ende? Polemik gegen das Lamentieren deutscher Politiker, Journalisten, Politikwissenschaftler und Staatsrechtler. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Bd. 26 (1995), S. 149–159, ISSN 0340-1758.
  • Peter Lösche: Parteienstaat Bonn, Parteienstaat Weimar? Über die Rolle von Parteien in der parlamentarischen Demokratie. In: Eberhard Kolb, Walter Mühlhausen (Hrsg.): Demokratie in der Krise: Parteien im Verfassungssystem der Weimarer Republik. Oldenbourg Verlag, München 1997, S. 141–164, ISBN 3-486-56301-7.
  • Michael Stolleis: Parteienstaatlichkeit – Krisensymptome des demokratischen Verfassungsstaats? In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Bd. 44 (1986), S. 7 ff, ISBN 3110108038.
Monographien

Quellen

  1. a b Peter Lösche: Parteienstaat in der Krise? Überlegungen nach 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland
  2. a b Volker Ullrich: Das Weimar-Syndrom. Zur Geschichte und Aktualität der Parteienverdrossenheit in Deutschland. 1994.
  3. Oswald Spengler: Neubau des Deutschen Reiches. Arnshaugk Verlag, Neustadt 2009, ISBN 978-3-926370-35-8 (EA München 1924).
  4. Carl Schmitt: Der Hüter der Verfassung. Duncker & Humblot, Berlin 1996, ISBN 3-428-08743-7 (EA Tübingen 1929).
  5. Deutsche sind unzufrieden mit der Demokratie. Cicero. 26. Januar 2017