Operation Grenade

Operation Grenade
Teil von: Westfront, Zweiter Weltkrieg

Karte der Operationen Veritable (gelb) und Grenade (grĂŒn)
Datum 23. Februar bis 11. MĂ€rz 1945
Ort zwischen Rur und Rhein
Ausgang Alliierter Sieg
Konfliktparteien

Vereinigte Staaten 48 Vereinigte Staaten

Deutsches Reich NS Deutsches Reich

Befehlshaber

William Hood Simpson
(9. US-Armee)

Gustav-Adolf von Zangen
(15. Armee)
Alfred Schlemm
(1. Fallschirmarmee)

TruppenstÀrke

mehr als 300.000 Soldaten

ca. 50.000–80.000 Soldaten

Verluste

7.300

29.739 Gefangene und ca. 16.000 weitere Verluste

Operation Grenade war der Name einer Operation der 9. US-Armee vom 22. Februar bis 11. MĂ€rz 1945, in deren Verlauf die amerikanischen Truppen erfolgreich die Rur ĂŒberquerten und zwischen Neuss und Rheinberg bis zum Rhein vorstießen. Sie fand etwa gleichzeitig mit der zweiten Phase der Operation Veritable (Operation Blockbuster) statt.

Planung

Im Rahmen der Operation Blackcock hatten Truppen der britischen 2. Armee im Januar 1945 das sogenannte Rur-Dreieck erobert. Den nördlichen Abschnitt der Rurfront bis Roermond hatte anschließend die 9. US-Armee unter General Simpson ĂŒbernommen, die seit der Ardennenoffensive der 21st Army Group des britischen Feldmarschalls Bernard Montgomery unterstand. UrsprĂŒnglich sollte die Operation Grenade zeitnah zur Operation Veritable beginnen (8. Februar), was aber wegen der Öffnung zweier Talsperren in der Eifel (Rurtalsperre und Urfttalsperre) durch die Wehrmacht undurchfĂŒhrbar wurde: Diese sprengte am 10. Februar 1945 die VerschlĂŒsse des Kermeterstollens am Kraftwerk Heimbach, woraufhin die Urfttalsperre bis zum Niveau des Kermeterstollens leer lief,[1] und auch die VerschlĂŒsse der Grundablassstollen der Staumauer Schwammenauel (Rursee).[2] Beides zusammen erzeugte flussabwĂ€rts ein Hochwasser, das die Flussaue verschlammte und die Rur an Stellen mit hohem Ufer zu einem reißenden Fluss machte.

Die Rur und die Erft waren zwei natĂŒrliche Hindernisse; dahinter lag die Kölner Bucht. Bei Linnich gab es ein eiförmiges Plateau (etwa 130 Meter ĂŒber Meeresspiegel). Das Land war von landwirtschaftlichen NutzflĂ€chen (vor allem Getreide- und RĂŒbenfelder) geprĂ€gt.

Außerdem gab es zwei ausgedehnte Waldgebiete: den Hambacher Forst östlich und sĂŒdöstlich von JĂŒlich und den Wald zwischen Heinsberg und Venlo, in dem sich die Maas-Rur-Stellung befand (Brachter Wald, Diergardtscher Wald östlich Swalmen, Elmpter Wald). Zudem sahen die Planer einige FlĂŒsschen – bzw. das dort zu erwartende matschige GelĂ€nde – direkt westlich der Rur als Hindernis. Der Winter 1944/45 war extrem kalt und nass und im MĂ€rz 1945 noch nicht zu Ende.

Als die Planung der Operation begann, waren die StaudĂ€mme der Rur noch in deutscher Hand. Normalerweise ist die Rur ein ruhiges FlĂŒsschen, das an vielen Stellen etwa 30 Meter breit ist. Die Planer vermuteten, dass das Tauwetter und die Zerstörung von RurstaudĂ€mmen sie in einen bis zu zwei Kilometer breiten See verwandeln wĂŒrden. Auch nach dem RĂŒckgang des Hochwassers wĂŒrde das GelĂ€nde so morastig sein, dass Fahrzeuge nicht außerhalb fester Wege manövrieren könnten. Die Planer wĂ€hlten Überquerungspunkte an den schmalsten Stellen des Flusses; meist dort, wo zerstörte BrĂŒcken waren.

Die Erft durchfließt die Kölner Bucht diagonal. Sie teilt die FlĂ€che zwischen Rur und Rhein etwa auf halber Strecke und fließt bei Neuss, westlich von DĂŒsseldorf, in den Rhein.

Weder die Erft noch der Erftkanal – er lĂ€uft an vielen Stellen parallel zum Fluss – waren grĂ¶ĂŸere militĂ€rische Hindernisse, aber ein bis zu ein Kilometer breiter GrĂŒngĂŒrtel trug dazu bei, die beiden GewĂ€sser zu einer guten natĂŒrlichen Verteidigungslinie zu machen. Dies galt in beiden Richtungen: wenn man das GelĂ€nde bis zu dem Flusskomplex erobert hatte, hatte man einen Flankenschutz, wenn man flussabwĂ€rts Richtung Neuss zog, wie es die 9. US-Armee beabsichtigte.

Eine große Stadt auf der Vormarschroute von Grenade-Truppen war Mönchengladbach, damals eine Textilstadt. An ihrer SĂŒdgrenze liegt Rheydt; beide StĂ€dte zusammen hatten vor dem Krieg 310.000 Einwohner. Deutlich kleiner, aber von einer gewissen Bedeutung als Verkehrsknotenpunkte waren DĂŒren und JĂŒlich (beide an der Rur und von westalliierten Bomben bereits weitestgehend zerstört), Elsdorf, Erkelenz, DĂŒlken und Viersen (auf dieser Route konnte man Mönchengladbach westlich umgehen). 20 km nordöstlich von Viersen liegt Krefeld, eine Stadt mit einer RheinbrĂŒcke (Krefeld-Uerdinger BrĂŒcke).

Deutsche Verteidigung

Die Deutschen hatten ab Herbst 1944 viele Zwangsarbeiter eingesetzt, um in dem Gebiet Verteidigungsanlagen zu errichten. Sie hatten drei Linien geschaffen: die erste am Ostufer der Rur, die zweite sechs und die dritte elf Kilometer dahinter. Die dritte war mit der Erft verbunden. Im Wesentlichen waren es SchĂŒtzengrĂ€ben bzw. -wĂ€lle in einem Zickzackmuster (das beschrĂ€nkte die Wirkung von Granatsplittern auf einen kleineren Bereich – sie konnten nur „bis zur nĂ€chsten Ecke“ fliegen) mit AusgĂ€ngen an den Dörfern und StĂ€dten. Panzerhindernisse sowie Flak- und FeldgeschĂŒtze gab es in unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden in und zwischen den Linien. Minen und Stacheldraht gab es nur an bestimmten Orten am Ostufer der Rur.

Die Amerikaner hielten das Verteidigungsnetzwerk fĂŒr gut geplant und organisiert; alle Anzeichen deuteten aber darauf hin, dass die Wehrmacht viel zu wenig Truppen hatte, um die Linien bemannen zu können. Das stĂŒtzte die Annahme, dass die Verteidigung sich auf Schwerpunkte in StĂ€dten und Dörfern konzentrieren wĂŒrde, anstatt sich dauerhaft tief gestaffelt aufzustellen.

Offiziere der AufklĂ€rung glaubten, dass die Deutschen im Frontabschnitt zwischen „sĂŒdlich von DĂŒren“ bis Heinsberg etwa 30.000 MĂ€nner und 70 Panzer hatten. Zudem nahmen sie an, dass sechs Divisionen mit 23.500 Soldaten und 110 Panzern als Reserve bei Köln lagen. Man traute vier gemischten Divisionen, die seit einiger Zeit nicht im Kontakt mit dem Gegner gestanden hatten, zu, mit 17.000 Soldaten und 55 Panzern eingreifen zu können.

Verlauf

Am 1. Februar gab General Eisenhower den Befehl, die Operation Grenade durchzufĂŒhren. Ab diesem Tag bemerkte die 9. US-Armee, dass die KrĂ€fte der Wehrmacht nachließen. Zum Beispiel notierte General Simpson am 6. Februar, dass die 5. Panzerarmee noch defensiv in der Eifel war. Seine Hoffnungen auf ein zĂŒgiges Überwinden der Verteidigungsstellungen an der Rur wuchsen (“We will have some tough fighting, but I think we are going right through.”).

SpĂ€testens am 10. Februar sollte die 9. US-Armee die Rur ĂŒberqueren und sich mit der 1. Kanadischen Armee vereinigen, die im Rahmen der am 8. Februar um 5:00 begonnenen Schlacht im Reichswald aus dem Raum Nijmegen in sĂŒdöstlicher Richtung entlang des Rheins vorstieß. Deutsche Soldaten öffneten, nachdem die Briten und Kanadier vorgerĂŒckt waren, Wehre flussaufwĂ€rts; am 8. Februar 1945 sprengten sie die Grundablassrohre der Rurtalsperre.[3] Hochwasser und Verschlammung von Teilen der Ruraue zwangen die Amerikaner, ihren Angriff zu verschieben, bis die Flut wieder einigermaßen zurĂŒckgegangen war.

WĂ€hrend der zwei Wochen, in denen die Rur das kĂŒnstlich erzeugte Hochwasser fĂŒhrte, erlaubte Adolf Hitler Feldmarschall Gerd von Rundstedt nicht, sich hinter den Rhein zurĂŒckzuziehen. Er argumentierte, dass dies einen unvermeidlichen Kampf nur verzögern wĂŒrde, und befahl ihm, an Ort und Stelle zu kĂ€mpfen.

Die Operation Grenade begann in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar. Teilen der 9. Armee gelang es, die Rur am 23. Februar bei Linnich, JĂŒlich und DĂŒren zu ĂŒberqueren.[4] Zu dieser Zeit hatten britische und kanadische Truppen unter hohen Verlusten die Schlacht im Reichswald gewonnen und waren bis in den Raum Goch vorgedrungen. Erst in den letzten Tagen des Februar ließ sich Hitler ĂŒberzeugen, den Frontvorsprung bei Roermond – dort war die seit Herbst 1944 provisorisch befestigte Maas-Rur-Stellung – zu rĂ€umen, da dieser nun von beiden Seiten von einer Einkesselung bedroht war.

Die sich zurĂŒckziehenden deutschen Truppen leisteten nur stellenweise stĂ€rkeren Widerstand. Erkelenz wurde am 26. Februar von Truppen der 102. US-Infanteriedivision und Mönchengladbach am 1. MĂ€rz von einem Regiment der 29. US-Infanteriedivision eingenommen. Am selben Tag erreichten Teile der 2. US-Panzerdivision den Stadtrand von Krefeld, nachdem sie eine intakte BrĂŒcke ĂŒber den Nordkanal gefunden hatten. Versuche, die RheinbrĂŒcke zwischen Krefeld-Uerdingen und Duisburg-MĂŒndelheim und die Haus-Knipp-EisenbahnbrĂŒcke in Rheinhausen in Besitz zu bringen, scheiterten: Die Wehrmacht sprengte sie vor der Ankunft der US-Truppen. Ebenfalls am 1. MĂ€rz besetzt wurden unter anderem Venlo, BrĂŒggen, Kaldenkirchen, Viersen, Anrath[5][6] und Schiefbahn. In der Nacht vom 1. auf den 2. MĂ€rz 1945 fĂŒhrten etwa 20 deutsche Panzer der Panzer-Lehr-Division und 150 Grenadiere einen Überraschungsangriff auf Schiefbahn und versuchten, es zurĂŒckzuerobern. Sie fĂŒhrten erbitterte Nahgefechte und HĂ€userkĂ€mpfe, töteten ĂŒber 100 US-Soldaten der 2. US-Panzerdivision und zerstörten 22 gepanzerte Fahrzeuge, darunter auch schwere US-Panzer. 28 Wehrmacht-Soldaten fielen und 7 deutsche Zivilisten starben. Um drei Uhr morgens brachen sie den Angriff ab. Er sollte bei Mönchengladbach stehenden deutschen Truppenteilen den RĂŒckzug via Bundesstraße 57 zur Krefeld-Uerdinger BrĂŒcke ermöglichen.[7][8][9][10]

Am 3. MĂ€rz trafen sich bei Geldern amerikanische und britisch-kanadische Truppen. Die Wehrmacht versuchte, bei Wesel einen BrĂŒckenkopf ĂŒber den Rhein (an der RheinbabenbrĂŒcke) lange genug zu halten, um den Truppen der 1. Fallschirmarmee den RĂŒckzug zu ermöglichen. Dieser BrĂŒckenkopf wurde in schweren KĂ€mpfen bis zum 11. MĂ€rz im Zusammenwirken westalliierter Truppen beseitigt, nachdem die letzten deutschen BrĂŒcken gesprengt worden waren.[11] Am 4. MĂ€rz wurde die Stadt Moers besetzt, am 5. MĂ€rz die Orte Homberg und Rheinhausen gegenĂŒber dem Duisburger Rheinufer. Am 4. MĂ€rz hatten die deutschen Truppen die RheinbrĂŒcken nach Hochfeld, nach Wanheimerort und Ruhrort und nach Uerdingen gesprengt.

Die 9. US-Armee gab an, wÀhrend der Operation Grenade bei eigenen Verlusten von unter 7.300 Mann (darunter 1.330 Tote[12]) rund 6.000 deutsche Soldaten getötet und 30.000 gefangen genommen zu haben.

Literatur

  • Charles B. MacDonald: The Last Offensive. United States Army in World War II, European Theater of Operations. Office of the Chief of Military History, Department of the Army, Washington D.C. 1973. (Online).
  • Ludwig HĂŒgen:
    • Der Krieg geht zu Ende. Niederrheinische Berichte zur Operation Grenade 1945. (Schriftenreihe des Kreises Kempen-Krefeld 18). 1974. 256 Seiten.
    • „Operation Granate“: die Besetzung der StĂ€dte M.-Gladbach, Rheydt, Viersen und Krefeld-Uerdingen durch amerikanische Panzerdivisionen und der Panzerkampf in Schiefbahn am 1./2. MĂ€rz 1945. Selbstverlag des Verfassers, 2003, 163 Seiten
  • Hans Kaiser: Kempen unterm Hakenkreuz. Band 2: Eine niederrheinische Kreisstadt im Nationalsozialismus. Schriftenreihe des Kreises Viersen, Band 49,2, Viersen 2014, 850 Seiten.
  • Klaus Marcus: Der große Krieg und die kleine Stadt. Viersen im Zweiten Weltkrieg, 777 Seiten

Einzelnachweise

  1. ↑ Kermeterstollen 1945. Abgerufen am 29. September 2012.
  2. ↑ Der Kampf um die Talsperren der Eifel
  3. ↑ Hans-Dieter Arntz: Kriegsende 1944/1945 – Zwischen Ardennen und Rhein. − Euskirchen. 2. ergĂ€nzte Aufl. 1985. S. 169.
  4. ↑ Challenging the Swollen River (S. 145 ff.)
  5. ↑ Die letzten KĂ€mpfe in der Region
  6. ↑ U.S. Library of Congress March 1, 1945: HQ Twelfth Army Group situation map
  7. ↑ wz.de: Historie: Beginn des braunen Terrors
  8. ↑ Ludwig HĂŒgen: Der Krieg geht zu Ende. Niederrheinische Berichte zur Operation Grenade 1945. Schriftenreihe des Kreises Kempen-Krefeld, 1974.
  9. ↑ Ludwig HĂŒgen: Operation Granate. Die Besetzung der StĂ€dte M. Gladbach, Rheydt, Viersen und Krefeld-Uerdingen durch amerikanische Panzerdivisionen und der Panzerkampf in Schiefbahn am 1./2. MĂ€rz 1945. Selbstverlag, Willich 2003, ISBN 978-3928504225, S. 97 ff.
  10. ↑ zur militĂ€rischen Situation um Schiefbahn siehe auch Chronology 1941–1945 (Datum 2. MĂ€rz 1945) - Exzerpt: CCR withstands strong counterattack against Schiefbahn.
  11. ↑ siehe Efforts To Seize a Bridge (S. 173–178)
  12. ↑ Michael Clodfelter (2017). Warfare and Armed Conflicts: A Statistical Encyclopedia of Casualty and Other Figures, 1492-2015 (4th ed.). ISBN 978-0786474707.