Ministerium Stürgkh

Das Ministerium Stürgkh (3. November 1911 – 31. Oktober 1916; „Ministerium“ bezeichnete im damaligen Sprachgebrauch das ganze Kabinett) war die vorletzte von Kaiser Franz Joseph bestellte Regierung der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (ab 1915 österreichische Länder, vulgo Cisleithanien). Ministerpräsident Stürgkh wurde am 21. Oktober 1916 ermordet.

Amtszeit

Die Regierung folgte auf das dritte Kabinett von Paul Gautsch von Frankenthurn, das wegen der Teuerungsrevolte in Wien zurücktrat. K.k. Ministerpräsident wurde der 52-jährige Karl Stürgkh, verarmtes Mitglied der Fraktion der verfassungstreuen Großgrundbesitzer und Unterrichtsminister in den beiden vorangegangenen Ministerien Bienerth-Schmerling und Gautsch III.

Das Kabinett amtierte am Weg Österreich-Ungarns in den Ersten Weltkrieg. Stürgkh war einer der Exponenten der Kriegspartei, die starken Einfluss auf den alten Monarchen hatte, und arbeitete vom Frühjahr 1914 an mit Hilfe von kaiserlichen Verordnungen statt Gesetzen. Auf Stürgkhs Vorschlag vertagte der Kaiser den Reichsrat, sodass das Parlament zu den Kriegsvorbereitungen nicht Stellung nehmen konnte. Dies brachte Stürgkh, speziell bei den Linken, den Ruf eines „Diktators“ ein.

Cisleithanien war seit 1867 offiziell die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder genannt worden, da vor allem die tschechischen Politiker sich nicht als Österreicher verstanden (und eine eigene Regierung in Prag forderten). Auf Vorschlag Stürgkhs entschied der Kaiser 1915, dass Cisleithanien nun als „die österreichischen Länder“ zu bezeichnen sei; entsprechende Anpassungen der Staatssymbole wurden verordnet (aber in der Praxis im Krieg kaum mehr durchgeführt). Widerspruch des Reichsrats war, da dieser trotz Forderungen auf Wiedereinberufung nach wie vor vertagt war, nicht möglich. Im Oktober 1916 wurde im Ministerium des Innern das Ernährungsamt eingerichtet, Vorläufer des späteren eigenständigen Ressorts.

Wegen seiner diktatorischen Politik wurde Stürgkh am 21. Oktober 1916 vom Sozialdemokraten Friedrich Adler erschossen. Zwei Tage später kehrte Innenminister Hohenlohe-Schillingsfürst aus einem längeren Krankenstand in sein Amt zurück[1] und leitete die Regierung interimistisch.

Am 28. Oktober 1916 betraute der Kaiser den bisherigen gemeinsamen Finanzminister Ernest von Koerber mit der Regierungsbildung und das bisherige Ministerium mit der Fortführung der Geschäfte. Am 31. Oktober 1916 ernannte der Kaiser auf Vorschlag Koerbers die neuen Minister (Ministerium Koerber II). Drei Wochen später, am 21. November 1916, starb Franz Joseph I.

Gemeinsame österreichisch-ungarische Minister der Ära waren:

Minister

k.k. Minister ab / bis Amtsinhaber Partei k.k. Behörde Anmerkung
Ministerpräsident † 21. Oktober 1916 (ermordet) Karl Stürgkh Ministerratspräsidium 1909–1911 Minister für Kultus und Unterricht (Bienerth, Gautsch III)
Minister des Innern (1.) bis 1. Dezember 1915 Karl Freiherr Heinold von Udynski[2] Ministerium des Innern 1912 auch betraut mit dem Ackerbauministerium, vorher und nachher Landeschef Mährens
Minister des Innern (2.) 1. Dezember 1915 bis 29. August 1916 (beurlaubt) und ab 23. Oktober 1916 Konrad Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst Ministerium des Innern 1906 Ministerpräsident und Innenminister;August bis Oktober 1916 krankheitshalber beurlaubt
Minister des Innern (3.), (interimistischer) Leiter 30. August bis 23. Oktober 1916 Erasmus Freiherr von Handel  CS  Ministerium des Innern in Vertretung des erkrankten Ressortchefs mit der interimistischen Leitung betraut, vorher und nachher Landeschef Oberösterreichs
Justizminister Viktor Ritter von Hochenburger Justizministerium
Minister für Kultus und Unterricht Max Ritter Hussarek von Heinlein  CS  Ministerium für Kultus und Unterricht im Amt bis 23. Juni 1917 (Clam-Martinic); 1917 Freiherr; 1918 Ministerpräsident
Finanzminister (1.) bis 20. November 1911 Robert Meyer[3] Finanzministerium
Finanzminister (2.) ab 20. November 1911 Wenzel Graf von Zaleski[4] Finanzministerium vorher Minister (für Galizien) und mit der Leitung des Ackerbauministeriums betraut
Finanzminister (3.) ab 9. Oktober 1913 August Freiherr Engel von Mainfelden[5] Finanzministerium
Finanzminister (4.) ab 1. Dezember 1915 Karl Ritter von Leth[6][7] Finanzministerium
Handelsminister (1.) bis 21. September 1912 Moritz Freiherr von Roeßler Handelsministerium
Handelsminister (2.) ab 21. September 1912 Rudolf Freiherr Schuster von Bonnott Handelsministerium
Handelsminister (3.) ab 1. Dezember 1915 Alexander Spitzmüller von Harmersbach Handelsministerium in den nächsten beiden Kabinetten Finanzminister (Koerber II, Clam-Martinic); 7. September–4. November 1918 letzter gemeinsamer Finanzminister
Minister für öffentliche Arbeiten Ottokar Freiherr Trnka[8] Ministerium für öffentliche Arbeiten bis 23. Juni 1917 (Koerber II, Clam-Martinic)
Eisenbahnminister Zdenko Freiherr von Forster Eisenbahnministerium auch unter Bienerth 1908 / 1909; unter Clam-Martinic bis 23. Juni 1917
Ackerbauminister (1.) bis 20. November 1911 Wenzel Graf von Zaleski[4] Ackerbauministerium mit der Leitung betraut; Minister (inoffiziell Minister für Galizien), dann Finanzminister
Ackerbauminister (2.) ab 20. November 1911 Albin Braf Ackerbauministerium
Ackerbauminister (3.) ab 2. Juli 1912 Karl Freiherr Heinold von Udynski[2] Ackerbauministerium betraut (amtierender Innenminister)
Ackerbauminister (4.) ab 21. September 1912 Franz Freiherr von Zenker[9] Ackerbauministerium
Minister für Landesverteidigung Friedrich Freiherr von Georgi Ministerium für Landesverteidigung seit 1907 (Beck, Bienerth, Gautsch III) und bis 1917 (Clam-Martinic) im Amt
Minister (inoffiziell Staatsminister für Galizien (1.) bis 20. November 1911 Wenzel Graf von Zaleski[4] Ackerbauministerium auch mit der Leitung des Ackerbauministeriums betraut, dann Finanzminister
Minister (inoffiziell Staatsminister für Galizien) (2.) ab 20. November 1911 Ladislaus von Dlugosz Ministerratspräsidium
Minister (inoffiziell Staatsminister für Galizien) (3.) ab 27. Dezember 1913 Zdzislaw Morawski-Dzierzykraj[10] Ministerratspräsidium

Literatur

  • Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band VII: Verfassung und Parlamentarismus. Zwei Teilbände, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 978-3-7001-2869-4 und ISBN 978-3-7001-2871-7.
  • Elisabeth Kovács, Pál Arató (S.J.), Franz Pichorner, Lotte Wewalka: Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Band 1 ISBN 978-3-205-77295-8.
  • Bertold Spuler (Bearb.): Regenten und Regierungen der Welt. Teil 2, Bd. 3, Würzburg 1962, S. 282, 290–292, 305 f.; zitiert nach Österreichische Regierung (1911-11-03 – 1916-10-21): Kabinett Stürgkh I. Schlagwort Nr. 29020 in: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917–1929). (Online, abgerufen am 19. Februar 2013).

Medien

Einzelnachweise

  1. Amtliche Tageszeitung Wiener Zeitung, Nr. 244, 24. Oktober 1916, S. 1
  2. a b Heinold von Udynski, Karl Freiherr. In: Deutsche Biographie (Index-Eintrag).
    siehe auch Karel Heinold in der tschechischen Wikipedia
  3. Robert Meyer. In: Robert Winter: Das Akademische Gymnasium in Wien: Vergangenheit und Gegenwart. Böhlau Verlag, Wien 1996, ISBN 978-3-205-98485-6, S. 196 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  4. a b c Wolfgang Fritz: Wenzel von Zaleski – Grandseigneur mit Weitblick. Reihe Österreichs Finanzminister, 20. Teil. In: Wiener Zeitung, 20. August 2002 (online);
    Zaleski, Wenzel Ritter von. Foto, bildarchivaustria.at
  5. Engel von Mainfelden, August Freiherr (seit 1910). In: Deutsche Biographie (Index-Eintrag).
    Foto des Grabmals. Gräber Grinzinger Friedhof, viennatouristguide.at
  6. Leth, Karl von (1861–1930), Bankfachmann. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950;
    Karl (von) Leth. In: Robert Winter: Das Akademische Gymnasium in Wien: Vergangenheit und Gegenwart. Böhlau Verlag, Wien 1996, ISBN 978-3-205-98485-6, S. 192 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  7. Leth, Karl Ritter von, Foto, bildarchivaustria.at
  8. Trnka von Laberon, Ottokar Freiherr (19. Juli 1871 bis 25. Juni 1919). (Zettel), Trnka von Laberon, Ottokar Freiherr (Foto), beide bildarchivaustria.at
  9. Zenker, Franz Freiherr von. Foto, bildarchivaustria.at
  10. Morawski, Zdzisław (1859–1928), Verwaltungsbeamter und Literarhistoriker. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950;
    siehe auch Zdzisław Morawski (prawnik) in der polnischen Wikipedia