Marthe Gosteli
Marthe Gosteli (* 22. Dezember 1917 in Worblaufen, heute Gemeinde Ittigen; † 7. April 2017[1] in Muri bei Bern;[2] heimatberechtigt in Bolligen) war eine Schweizer Frauenrechtlerin und Gründerin der Gosteli-Stiftung, dem Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung.
Leben
Marthe Gosteli wurde 1917 auf dem Gut Altikofen in Worblaufen bei Bern geboren, dem Hof ihrer Eltern. Sie besuchte ein Pensionat in Neuchâtel und eine Schule für höhere Töchter in Bern. Nach dem Tod des Vaters verwalteten Gosteli, ihre Mutter und ihre Schwester das Gut.[3] Bei Verhandlungen mit Behörden wurde ihr bewusst, dass Frauen in der Schweiz die politischen Rechte fehlten.[4] Gosteli absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und hielt sich zum Erlernen des Französischen und Englischen in jungen Jahren in der Westschweiz und in London auf.
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie für die Abteilung Presse und Funkspruch des Schweizer Armeestabes. Nach dem Krieg leitete sie von 1949 bis 1953 und erneut von 1955 bis 1962 die Filmabteilung des Informationsdienstes an der US-amerikanischen Botschaft in Bern.[5]
Ihre Erfahrungen mit den Medien stellte sie ab Mitte der 1960er Jahre ausschliesslich in den Dienst der Schweizer Frauenbewegung. In den Jahren 1964 bis 1968 war sie Präsidentin des bernischen Frauenstimmrechtsvereins, dessen Vorstand sie bereits von 1953 bis 1957 und 1963/1964 angehörte. Von 1968 bis 1972 war sie Vorstandsmitglied und von 1967 bis 1971 Vizepräsidentin des Bundes Schweizerischer Frauenvereine.[5]
1970/1971 präsidierte sie die Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau. Diese Organisation trug mit ihrem Verhandlungsgeschick mit dem Bundesrat wesentlich zur Annahme des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene bei.
Im Jahr 2000 gab sie das Buch Vergessene Geschichte – Histoire oubliée über die Geschichte der Schweizer Frauenbewegung von 1914 bis 1963 heraus. Sie verstarb im April 2017 im Alter von 99 Jahren.[1]
Gosteli-Stiftung
Marthe Gosteli gründete das Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung und 1982 die Gosteli-Stiftung.[5] Diese betreut von Gostelis Geburtshaus, Gut Altikofen,[4] aus das Archivmaterial der meisten Frauenverbände sowie die Nachlässe wichtiger Frauen der Zeitgeschichte. Das Archiv ist eine einmalige Institution in der Schweiz und kann als historisches Gedächtnis der Schweizer Frauenbewegung bezeichnet werden.
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1989: Trudy-Schlatter-Preis
- 1992: Burgermedaille der Burgergemeinde Bern
- 1995: Ehrendoktorat der Universität Bern
- 2008: Silberne Verdienstmedaille der Ökonomischen und Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Bern.
- 2011: Menschenrechtspreis der Schweizer Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, zusammen mit der Historikerin Beatrix Mesmer[6]
- 2017: Kulturpreis der Berner Burgergemeinde
- 2020: Hörsaal des Departements Gesundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wurde nach Marthe Gosteli benannt.[7]
Publikationen als Herausgeberin
- Vergessene Geschichte – Histoire oubliée: Illustrierte Chronik der Frauenbewegung 1914–1963. Chronique illustrée du mouvement féministe 1914–1963. 2 Bände. Stämpfli, Bern 2000, ISBN 3-7272-9256-3.
- Verena E. Müller: Bewegte Vergangenheit. 20 Jahre Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung. Stämpfli, Bern 2002, ISBN 3-7272-1270-5.
- mit Peter Moser: Une paysanne entre ferme, marché et associations. Textes d’Augusta Gillabert-Randin 1918–1940. Hier + jetzt, Baden 2005, ISBN 3-03-919012-1.
- Alice Meyer: Anpassung oder Widerstand: die Schweiz zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Neu herausgegeben mit einem Geleitwort von Marthe Gosteli und einem Nachwort von Christa Altorfer. Huber, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2010, ISBN 978-3-7193-1542-9.
Literatur
- Regula Ludi: Marthe Gosteli. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Franziska Rogger: «Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!» Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2015, ISBN 978-3-03810-006-5.
- Franziska Rogger: «Marthe Gosteli». Wie sie den Schweizerinnen ihre Geschichte rettete. Stämpfli Verlag, Bern 2017, ISBN 978-3-7272-7903-4.
Weblinks
- Publikationen von und über Marthe Gosteli im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Marthe Gosteli im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Marthe Gosteli auf der Website der Gosteli-Stiftung und des Archivs zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung
- Kampf ums Stimmrecht Video in: «Rundschau» vom 9. Februar 2011 (9 Minuten); Gespräch mit Marthe Gosteli (12 Minuten): Online.
Einzelnachweise
- ↑ a b Stefanie Christ: Marthe Gostelis Kampf für die Frauenrechte ist zu Ende. In: Berner Zeitung vom 7. April 2017.
- ↑ Sterbeort Muri bei Bern gemäss Auskunft Gosteli-Stiftung vom 21. April 2017.
- ↑ Claudia Wirz: Marthe Gosteli (*1917). Das Gedächtnis der Schweizer Frauen. In: Verena Parzer Epp, Claudia Wirz (Hrsg.): Wegbereiterinnen der modernen Schweiz. Avenir Suisse – Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2014, ISBN 978-3-03823-928-4, S. 57 ff.
- ↑ a b Cécile Vilas: Marthe Gosteli, Gründerin des Privatarchivs zur Geschichte der Schweizerischen Frauenbewegung. In: Memoriav Bulletin. Nr. 25, Oktober 2018, S. 34.
- ↑ a b c Regula Ludi: Marthe Gosteli. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 12. April 2017, abgerufen am 7. Oktober 2020.
- ↑ Menschenrechtspreis: Ehrung für Gosteli ( vom 25. Januar 2012 im Internet Archive), SF Tagesschau, 10. Dezember 2011, abgerufen am 16. Dezember 2011.
- ↑ Pool Architekten: Haus Adeline Favre. Abgerufen am 7. Oktober 2020.
Personendaten | |
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NAME | Gosteli, Marthe |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Frauenrechtlerin |
GEBURTSDATUM | 22. Dezember 1917 |
GEBURTSORT | Worblaufen |
STERBEDATUM | 7. April 2017 |
STERBEORT | Muri bei Bern |