Kōji (Lebensmittel)

Kōji (japanisch ニホンコウジカビ, 日本麹黴, ‚nihon kōji kabi‘) bezeichnet verschiedene Schimmelpilze der Gattung Aspergillus sp., die traditionell in der ostasiatischen Küche zur Fermentation von Lebensmitteln verwendet werden. Kōji bezeichnet im Japanischen sowohl die Aspergillus-Starterkultur als auch Mischungen von Aspergillus mit Weizen- und Sojaschrot. Die fermentierte Mischung wird auch direkt ohne weitere Zutaten gebraten und gegessen oder weiterverarbeitet und als Sauce verwendet.[1]

Eigenschaften

Vier Aspergillus-Arten in einer Petrischale. Die unteren beiden sind Stämme von A. oryzae

Es werden verschiedene Kōji-Sorten verwendet, darunter gelbes, schwarzes und weißes.[2][1] Das Kōji wird für zwei bis drei Tage bei 30 °C unter hoher Luftfeuchtigkeit gelagert, um A. oryzae heranwachsen zu lassen.[3] Hierbei wird die Stärke aus Getreiden wie Weizen, Buchweizen, Gerste oder Reis sowie aus Süßkartoffel zu Glucose gespalten, wodurch ein süßer Geschmack entsteht. Wegen der bei der Fermentation aus den Proteinen abgespaltenen Aminosäuren Glutaminsäure und in geringerem Umfang auch Asparaginsäure entsteht beim Konsum ein starker Umami-Geschmack auf der menschlichen Zunge.[4][5] Je nach verwendetem Aspergillus, Kultursubstrat und Kulturbedingungen (Temperatur, pH-Wert, Salzgehalt, Luftfeuchte) entstehen unterschiedliche Produkte hinsichtlich Zusammensetzung, Geschmack und Geruch.[6] Getrocknete Kōji-Sporen sind lichtgeschützt bei Raumtemperatur lager- und transportfähig. Für die Erzeugung von Sporen kann Kōji gefriergetrocknet und zerkleinert werden.[7] Kojisäure wurde in verschiedenen Vertretern der Aspergillus sp. entdeckt und nach Kōji benannt.

Gelbes Kōji

Aspergillus sojae auf Sojabohnen und Weizenkörnern

Gelbes Kōji wird unter anderem zur Herstellung von Sojasauce,[3][4] Miso,[8][9] Sake,[10] Tsukemono, Ingwer (Jiāng), Makgeolli, Meju, Tapai, Kōji-Amazake, Reisessig,[11] Mirin, Shio Koji[12] und Natto verwendet. Üblicherweise werden zur Herstellung von Sojasauce (shoyu) Sojabohnen und Weizen gequollen, dampfgegart und eventuell mit bei 160–180 °C geröstetem sowie gemahlenem Weizenschrot gemischt. Durch die Anreicherung mit Kōji entsteht eine feuchte, aber nicht nasse Maische.[3]

Es gibt drei Aspergillus-Arten, die als gelbes Kōji verwendet werden:

A. oryzae besitzt drei α-Amylase-Gene, wodurch es Stärke relativ schnell zu Glucose abbauen kann.[3] Dagegen weist A. sojae nur ein α-Amylasegen unter einem schwachen Promotor auf und die CAAT-Box besitzt eine genexpressionsabschwächende Mutation (CCAAA anstatt CCAAT), besitzt aber eine höhere Enzymaktivität der Endopolygalacturonase und der Glutaminase.[3] Eine zu schnelle Freisetzung von Glucose aus Stärke zu Beginn der Fermentation behindert das Wachstum der Mikroorganismen in der Reifungsphase.[3] Für den Abbau von Proteinen zu Aminosäuren besitzt A. oryzae Stamm RIB40 65 Endopeptidasegene sowie 69 Exopeptidasegene und A. sojae Stamm SMF134 83 Endopeptidasegene und 67 Exopeptidasegene.[3] Ebenso sind in A. oryzae stärkeabbauende Enzyme (Glucosidasen) stärker und proteinabbauende Enzyme (Proteasen) schwächer exprimiert und die Geruchsprofile unterscheiden sich deutlich.[17] A. sojae weist 10 Glutaminase-Gene auf.[18] Verschiedene Mutanten von A. oryzae mit veränderten Eigenschaften wurden per Bestrahlung[3] oder per CRISPR/Cas-Methode erzeugt.[19][20][21] Ebenso wurden durch eine Variante der CRISPR/Cas-Methode[21] oder chemische Mutagenese[22] Mutanten von A. sojae mit veränderten Eigenschaften erzeugt.

Schwarzes & Weißes Kōji

Aspergillus niger auf MEAOX-Agar
Aspergillus tubingensis auf Czapek-Agar

Schwarzes Kōji erzeugt bei der Fermentation Citronensäure, die das Heranwachsen unerwünschter Mikroorganismen hemmt.[2] Es wird zur Herstellung von Shōchū und Awamori verwendet.[2][12]

Es gibt drei Aspergillus-Arten, die als schwarzes Kōji verwendet werden:[2]

  • Aspergillus luchuensis (synonym Aspergillus awamori, Aspergillus kawachii, Aspergillus inuii, Aspergillus nakazawai und Aspergillus coreanus, クロコウジキン / 黒麹菌 ‚kuro kōji-kin‘)
  • Aspergillus niger (synonym Aspergillus batatae, Aspergillus aureus oder Aspergillus foetidus, Aspergillus miyakoensis und Aspergillus usamii, einschließlich A. usamii mut. shirousamii)
  • Aspergillus tubingensis (synonym Aspergillus saitoi und A. saitoi var. kagoshimaensis)

Weißes Kōji ist eine Albino-Variante von Aspergillus luchuensis.[6]

Geschichte

Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde der Prozess der Herstellung von Reiswein und fermentierter Bohnenpaste mithilfe von Formen erstmals dokumentiert.[23] Im Jahr 725 n. Chr. wurde im japanischen Werk Harima no Kuni Fudoki (‚Geografie und Kultur der Harima-Provinz‘) erstmals Kōji außerhalb Chinas erwähnt und beschrieben, dass die Japaner Kōji mit Pilzsporen aus der Luft herstellten.[24][25] Um das 10. Jahrhundert herum erfuhr die Kōji-Produktionsmethode einen Wandel und ging vom natürlichen Aussaatsystem im Reis zum sogenannten Tomodane über. Dabei wird Kōji bis zur Sporenfreisetzung kultiviert und mit den Sporen eine neue Charge der Produktion angesetzt.[26] In der Meiji-Ära war es dank der Integration neuer mikrobiologischer Techniken erstmals möglich, Kōji in Reinkulturen zu isolieren und vermehren. Diese Fortschritte erleichterten die Verbesserung der Qualität der Pilzkultur und die Auswahl wünschenswerter Eigenschaften.[27]

Später wurde bekannt, dass es sich bei Kōji um verschiedene Aspergillus-Arten handelt. Aspergillus oryzae wurde erstmals 1878 als Eurotium oryzae Ahlb.[28] und 1883 als Aspergillus oryzae (Ahlb.) Cohn beschrieben.[29][30] Aspergillus luchuensis wurde erstmals 1901 von Tamaki Inui an der Universität von Tokyo beschrieben.[31][32][33] Genichiro Kawachi isolierte 1918 eine farblose Mutante von A. luchuensis (schwarzem Kōji)[34][35] und nannte sie Aspergillus kawachii (weißes Kōji). Aspergillus sojae wurde erstmals 1944 als eine eigenständige Art in Kōji beschrieben.[36][37] Zunächst war Aspergillus sojae als eine Varietät von Aspergillus parasiticus angesehen worden, weil er im Gegensatz zu den übrigen Pilzen des Kōji nie aus dem Boden isoliert worden war.[38]

Literatur

Commons: Koji – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b René Redzepi, David Zilber: Das Noma-Handbuch Fermentation - Wie man Koji, Kombucha, Shoyu, Miso, Essig, Garum, milchsauer eingelegte und schwarze Früchte und Gemüse herstellt und damit kocht. 5. Auflage, A. Kunstmann, 2019, ISBN 978-3-95614-293-2.
  2. a b c d S. B. Hong, O. Yamada, R. A. Samson: Taxonomic re-evaluation of black koji molds. In: Applied Microbiology and Biotechnology. Band 98, Nummer 2, Januar 2014, S. 555–561, doi:10.1007/s00253-013-5332-9, PMID 24281756 (Review).
  3. a b c d e f g h i K. Ito, A. Matsuyama: Koji Molds for Japanese Soy Sauce Brewing: Characteristics and Key Enzymes. In: Journal of fungi. Band 7, Nummer 8, August 2021, S. , doi:10.3390/jof7080658, PMID 34436196, PMC 8399179 (freier Volltext). (englisch)
  4. a b c C. Diez-Simon, C. Eichelsheim, R. Mumm, R. D. Hall: Chemical and Sensory Characteristics of Soy Sauce: A Review. In: Journal of agricultural and food chemistry. Band 68, Nummer 42, Oktober 2020, S. 11612–11630, doi:10.1021/acs.jafc.0c04274, PMID 32880168, PMC 7581291 (freier Volltext). (englisch)
  5. H. N. Lioe, J. Selamat, M. Yasuda: Soy sauce and its umami taste: a link from the past to current situation. In: Journal of food science. Band 75, Nummer 3, April 2010, S. R71–R76, doi:10.1111/j.1750-3841.2010.01529.x, PMID 20492309.
  6. a b T. Futagami: The white koji fungus Aspergillus luchuensis mut. kawachii. In: Bioscience, biotechnology, and biochemistry. Band 86, Nummer 5, April 2022, S. 574–584, doi:10.1093/bbb/zbac033, PMID 35238900.
  7. N. Chintagavongse, T. Yoneda, C. Ming-Hsuan, T. Hayakawa, J. I. Wakamatsu, K. Tamano, H. Kumura: Adjunctive application of solid-state culture products and its freeze-dried powder from Aspergillus sojae for semi-hard cheese. In: Journal of the science of food and agriculture. Band 100, Nummer 13, Oktober 2020, S. 4834–4839, doi:10.1002/jsfa.10543, PMID 32476132.
  8. J. G. Allwood, L. T. Wakeling, D. C. Bean: Fermentation and the microbial community of Japanese koji and miso: A review. In: Journal of food science. Band 86, Nummer 6, Juni 2021, S. 2194–2207, doi:10.1111/1750-3841.15773, PMID 34056716.
  9. K. I. Kusumoto, Y. Yamagata, R. Tazawa, M. Kitagawa, T. Kato, K. Isobe, Y. Kashiwagi: Japanese Traditional and Making. In: Journal of fungi. Band 7, Nummer 7, Juli 2021, S. , doi:10.3390/jof7070579, PMID 34356958, PMC 8307815 (freier Volltext).
  10. K. Gomi: Regulatory mechanisms for amylolytic gene expression in the koji mold. In: Bioscience, biotechnology, and biochemistry. Band 83, Nummer 8, August 2019, S. 1385–1401, doi:10.1080/09168451.2019.1625265, PMID 31159661.
  11. Rich Shih, Jeremy Umansky: Koji Alchemy, Chelsea Green 2020, ISBN 978-1-60358-868-3. S. 13–19.
  12. a b Yoshikatsu Murooka: Japanese Food for Health and Longevity - The Science behind a Great Culinary Tradition. Cambridge Scholars 2020, ISBN 978-1-5275-5043-8. S. 45–65.
  13. Ghoson M. Daba, Faten A. Mostafa, Waill A. Elkhateeb: The ancient koji mold (Aspergillus oryzae) as a modern biotechnological tool. In: Bioresources and bioprocessing. 2021, Band 8, Nummer 1 doi:10.1186/s40643-021-00408-z, PMID 38650252, PMC 10992763 (freier Volltext).
  14. a b Martin Weidenbörner: Lexikon der Lebensmittelmykologie. Springer Berlin Heidelberg, 2013, ISBN 978-3-642-57058-2, S. 19 (google.com).
  15. Keith A. Powell, Annabel Renwick, John F. Peberdy: The Genus Aspergillus: From Taxonomy and Genetics to Industrial Application. Springer, 2013, ISBN 978-1-4899-0981-7, S. 161. (englisch)
  16. William Shurtleff, Akiko Aoyagi: History of Koji – Grains And/or Soybeans Enrobed with a Mold Culture (300 BCE To 2012). Soyinfo Center, 2012, ISBN 978-1-928914-45-7. (englisch)
  17. J. Li, B. Liu, X. Feng, M. Zhang, T. Ding, Y. Zhao, C. Wang: Comparative proteome and volatile metabolome analysis of Aspergillus oryzae 3.042 and Aspergillus sojae 3.495 during koji fermentation. In: Food research international. Band 165, März 2023, S. 112527, doi:10.1016/j.foodres.2023.112527, PMID 36869527.
  18. K. Ito, Y. Hanya, Y. Koyama: Purification and characterization of a glutaminase enzyme accounting for the majority of glutaminase activity in Aspergillus sojae under solid-state culture. In: Applied Microbiology and Biotechnology. Band 97, Nummer 19, Oktober 2013, S. 8581–8590, doi:10.1007/s00253-013-4693-4, PMID 23339014.
  19. J. I. Maruyama: Genome Editing Technology and Its Application Potentials in the Industrial Filamentous Fungus. In: Journal of fungi. Band 7, Nummer 8, August 2021, S. , doi:10.3390/jof7080638, PMID 34436177, PMC 8399504 (freier Volltext). (englisch)
  20. F. J. Jin, S. Hu, B. T. Wang, L. Jin: Advances in Genetic Engineering Technology and Its Application in the Industrial Fungus. In: Frontiers in Microbiology. Band 12, 2021, S. 644404, doi:10.3389/fmicb.2021.644404, PMID 33708187, PMC 7940364 (freier Volltext). (englisch)
  21. a b T. Katayama, J. I. Maruyama: CRISPR/Cpf1-mediated mutagenesis and gene deletion in industrial filamentous fungi Aspergillus oryzae and Aspergillus sojae. In: Journal of bioscience and bioengineering. Band 133, Nummer 4, April 2022, S. 353–361, doi:10.1016/j.jbiosc.2021.12.017, PMID 35101371.
  22. J. Lim, Y. H. Choi, B. S. Hurh, I. Lee: Strain improvement of for increased l-leucine aminopeptidase and protease production. In: Food science and biotechnology. Band 28, Nummer 1, Februar 2019, S. 121–128, doi:10.1007/s10068-018-0427-9, PMID 30815302, PMC 6365342 (freier Volltext).
  23. Meredith Leigh, Kirsten K. Shockey: Kōji: An Ancient Mold and Its Modern Renaissance – Fermentation, abgerufen am 1. Oktober 2023.
  24. History of Kōji. Abgerufen am 1. Oktober 2023.
  25. Harima no Kuni Fudoki ‚Geografie und Kultur der Harima-Provinz‘, abgerufen am 15. Mai 2024.
  26. Marufuku Kōji Starters - From kojistarters koji bean sprouts until the soy sauce, miso, sake and seasonings, abgerufen am 1. Oktober 2023.
  27. 種麹・総合微生物スターターメーカー 秋田今野商店, abgerufen am 1. Oktober 2023 (japanisch).
  28. Dingler's Polytechn. J. 330 (1878).
  29. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur / Naturwissenschaftlich-medizinische Reihe (1884). Band 61, S. 227.
  30. Index Fungorum: Names Record A. oryzae, abgerufen am 15. Mai 2024.
  31. Inui Tamaki: Ryukyu awamori hakko kin chyosa houkokusyo. In: J. Chem. Soc. Japan. 4. Jahrgang, 1901, S. 1421–1430.
  32. Osamu Yamada, Masayuki Machida, Akira Hosoyama, Masatoshi Goto, Toru Takahashi, Taiki Futagami, Youhei Yamagata, etc.: Genome sequence of Aspergillus luchuensis NBRC 4314. Oxford University Press, 20. September 2016, archiviert vom Original am 5. Juni 2018; abgerufen am 10. April 2023.
  33. Takeo Koizumi: 黒麹菌の役割 発酵中の雑菌繁殖防ぐ. Okinawa Times, 5. April 2018, archiviert vom Original am 4. April 2023; abgerufen am 10. April 2023.
  34. K. Kitahara, M. Kurushima: Studies on the diastaic enzyme systems of molds (Third report). About the Awamori white koji mold. Part 2. Is Asp. kawachii really a mutant of black Aspergillus? In: J. Ferment. Technol. (1949), Band 27, S. 182–183. (Japanisch)
  35. K. Kitahara, M. Yoshida: Studies on the diastaic enzyme systems of molds (Third report). About the awamori white koji mold. Part 1. Morphological and several physiological characteristics. In: J. Ferment. Technol. (1949), Band 27, S. 162–166.
  36. Katsumi Yuasa, Kazuya Hayashi, Takeji Mizunuma: A new criterion by which to distinguish Aspergillus sojae, a Kōji-mold, from related taxa producing echinulate conidia. In: Agricultural and biological chemistry. 1982, Band 46, Nummer 6, S. 1683–1686 doi:10.1271/bbb1961.46.1683.
  37. Index Fungorum: Names Record A. sojae, abgerufen am 15. Mai 2024.
  38. Perng‐Kuang Chang, Kei Matsushima, Tadashi Takahashi, Jiujiang Yu, Keietsu Abe, Deepak Bhatnagar, Gwo Fang Yuan, Yasuji Koyama, Thomas E. Cleveland: Understanding nonaflatoxigenicity of Aspergillus sojae: a windfall of aflatoxin biosynthesis research. In: Applied Microbiology and Biotechnology. 2007, Band 76, Nummer 5, S. 977–984 doi:10.1007/s00253-007-1116-4.