Gunter Demnig
Gunter Demnig (* 27. Oktober 1947 in Berlin) ist ein deutscher Künstler. Bekannt wurde er durch die Stolpersteine, die er seit 1996[1] zur Erinnerung an Opfer in der Zeit des Nationalsozialismus verlegt.
Ausbildung
Demnig wuchs in Nauen und Berlin auf. 1967 legte er das Abitur ab und begann ein Studium der Kunstpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei Herbert Kaufmann. 1969/1970 folgte ein Jahr Industrial-Design-Studium an derselben Hochschule. Ab 1971 setzte er das Kunstpädagogik-Studium an der Kunsthochschule Kassel fort und legte 1974 dort das Erste Staatsexamen ab.
Im selben Jahr begann Demnig ein Kunststudium an der Universität Kassel bei Harry Kramer, dem ab 1977 für zwei Jahre die Tätigkeit in Planung, Bauleitung und -ausführung von Denkmalsanierungen folgte. Von 1980 bis 1985 war Demnig künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kunst der Universität Kassel.
Beruf und Werk
Überblick
1985 eröffnete Demnig ein eigenes Atelier in Köln und arbeitete bei mehreren Projekten mit, so bei der Moltkerei-Werkstatt und dem Kunstraum Fuhrwerkswaage. Seit 1994 war er auch im IGNIS-Kulturzentrum tätig.
Seit April 2011 befand sich Demnigs Atelier in Frechen im Kunstzentrum Signalwerk, das auf dem Gelände des ehemaligen Bahnhofs der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn liegt. Dort betreiben auch etwa 20 andere in der Region bekannte Künstler ihre Ateliers. Im Jahr 2017 verlegte er sein Atelier nach Elbenrod in Hessen.[2]
Stolpersteine
Bekannt wurde Demnig durch die Herstellung der Stolpersteine, die er auch selbst verlegt. Sie sollen an Menschen erinnern, die der NS-Diktatur zum Opfer fielen. Die Steine, die auf der Oberseite kleine Messingplatten mit den Namen der Opfer tragen, verlegt er vor deren einstigen Wohn- und Lebensorten im Straßen- oder Gehwegpflaster. Das 1996 gestartete Projekt,[3] bis 2017 in 1200 deutschen Kommunen realisiert,[4] gilt seit Jahren als das größte dezentrale Mahnmal der Welt und zählt mittlerweile 100.000 Steine in 31 Staaten Europas (2023).[5][6][7][8] Das Urheberrecht im umfassenden Sinn liegt für die Stolpersteine einzig und ausschließlich nur bei Gunter Demnig persönlich.[9]
Ein tatsächlich durch Demnig entstandenes Urheberrecht muss jedoch insofern angezweifelt werden: er kannte das Projekt Namen & Steine, das 1994 von Tom Fecht für die ersten AIDS-Opfer im Straßenpflaster, u. a. in Bonn, Hamburg und Berlin (Invalidenstraße, vor dem Naturkundemuseum) begonnen worden ist. Die Namen der Opfer wurden und werden in kleinen quadratischen Natursteinen eingemeißelt (siehe Bild rechts). Demnig kann für sich jedoch in Anspruch nehmen, nach Modifizierung der Form (Steine mit Messingplatte) und mit neuem Inhalt (z. B. Lebensdaten) die Ehrung der Holocaust-Opfer deutschlandweit und später weltweit verbreitet zu haben.
- Demnig bei einer Stolpersteinverlegung im Mai 2007
- Verlegung der Stolpersteine für Esther und Herschel Grünspan in Hannover
- Stolperstein nach der Verlegung
- Stolperstein, Ausstellungsstück
Remembrance Stones
Das an die Stolpersteine angelehnte Projekt Remembrance Stones soll das Gedenken an Opfer des Franquismus fördern. Die ebenfalls 10 × 10 × 10 cm großen Gedenksteine haben eine silberne Oberfläche aus Edelstahl. Die ersten Remembrance Stones wurden Mitte Dezember 2018 auf der Insel Mallorca verlegt.[10][11]
Auszeichnungen
- 2004: Max-Brauer-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung, Hamburg
- 2004: Herbert-Wehner-Medaille der Gewerkschaft ver.di
- 2005: Obermayer German Jewish History Award in Berlin (Verleihung zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, Würdigung des Engagements nicht-jüdischer Deutscher für die Bewahrung und Erinnerung jüdischer Geschichte und jüdischen Lebens in Deutschland)
- 2005: Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (Verleihung in der Orangerie von Schloss Charlottenburg, Berlin)
- 2005: 24. Jugendmedienpreis Das Rote Tuch[12] (Laudatio: Walter Momper)
- 2005: Alfred-Toepfer-Medaille
- 2006: Alternative Kölner Ehrenbürgerschaft (Demnig ist damit nach dem katholischen Pfarrer Franz Meurer aus Köln-Vingst der zweite Kölner, der diese Auszeichnung erhält.)
- 2007: Giesberts-Lewin-Preis der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit[13]
- 2008: Preis Botschafter für Demokratie und Toleranz (Verleihung durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries)[14]
- 2009: Erich-Mühsam-Preis der Erich-Mühsam-Gesellschaft in Lübeck
- 2009: Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
- 2010: Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland
- 2011: Otto-Hirsch-Medaille der Stadt Stuttgart[15]
- 2012: Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg
- 2012: Erich-Kästner-Preis des Presseclub Dresden
- 2012: Marion Dönhoff Förderpreis für seine Stolpersteine[16]
- 2013: Lothar-Kreyssig-Friedenspreis[17]
- 2014: Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
- 2015: Eugen-Kogon-Preis
- 2019: Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen[18]
- 2020: Ehrenmitglied des Art Directors Club (Verleihung 2021)[19]
- 2023: Verdienstorden des Landes Berlin[20]
- 2024: Arnold-Bode-Preis der Stadt Kassel, Preisverleihung am 11. Oktober 2024[21][22]
Werke (Auswahl)
- 1980: „Duftmarken“ Cassel–Paris
- 1981: „Blutspur“ Kassel–London
- 1982: „Ariadne-Faden“ von der Kasseler documenta zur Biennale in Venedig (Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde)
- 1984: „Landschaftskonserven“
- 1988: „Einreise Berlin/W“
- 1990: „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“ – Lackspur vom ehemaligen Zigeunerlager Köln-Bickendorf zum Bahnhof Deutz entlang des Deportationsweges der Kölner Sinti und Roma, die von Deutz aus in Konzentrationslager gebracht wurden
- 1993: Entwicklung der Idee der Stolpersteine
- 1996: Illegale Verlegung der ersten Stolpersteine in Berlin und Köln
- 1996/1997/1998/1999: „Die Mauern von Jericho“, szenisches Oratorium mit Klangskulpturen zur Musik von Werner Raditschnig in Salzburg (Kollegienkirche), Klagenfurt (Künstlerhaus), Český Krumlov (Egon Schiele Art Centrum), Köln (Domforum des Kölner Domes), Millstatt (Internationale Musikwochen in der Stiftskirche), inszeniert von Herbert Gantschacher und produziert von ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater mit Live-Mitschnitt des Österreichischen Rundfunks und Audio-CD (ARBOS 04); Antwerpen (Opera Mobile)
- 1997: Erste legale Verlegung von zwei Stolpersteinen in der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg; zum Gedenken an die Brüder Matthias Nobis und Johann Nobis[23]
- 2000: Legale Fortsetzung des Projekts Stolpersteine
- 2011: Eigenes Grabmal in der Künstler-Nekropole in Kassel
Ausstellungen (Auswahl)
- 1981: Kunstakademie Kassel
- 1982: Alte Oper, Frankfurt am Main
- 1985: Het Apollohuis, Eindhoven
- 1986: Kunsthalle Baden-Baden; Stadtmuseum Köln
- 1988: Neuer Berliner Kunstverein; Kommunale Galerie Bremen; Münchner Stadtmuseum; Staatliche Gemäldegalerie Moskau; Eremitage Leningrad
- 1989: Stichting Logos, Gent; Studio Galerie, Hamburg
- 1990: Kunsthalle Berlin; Het Hemelrijken, Eindhoven
- 1991: Künstlerhaus Bethanien, Berlin
- 1992: Kasseler Kunstverein
- 1994: EXIT-Art, Köln; Antoniterkirche, Köln; Muzejsko Galerijski Centar, Zagreb
- 1995: Akademie der Künste, Berlin
- 1996: ACP-Galerie Peter Schuengel, Salzburg; Egon Schiele Art Centrum, Český Krumlov; Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin
- 1997: Internationales Klangfestival, Osnabrück; Oberösterreichische Landesgalerie, Linz; Internationales Klangfestival, Luzern; Städtische Galerie Katowice
- 1998: Musiques en Scène, Lyon; Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Mitgliedschaften
- 2016 wurde Gunter Demnig in den Deutschen Künstlerbund aufgenommen.[24][25]
Literatur
- Joachim Rönneper (Hrsg.): Vor meiner Haustür. Stolpersteine von Gunter Demnig. Ein Begleitbuch. Arachne Verlag, Gelsenkirchen 2010, ISBN 978-3-932005-40-4.
- Stolpern über NS-Verbrechen. Der Bildhauer Gunter Demnig hat das Bundesverdienstkreuz erhalten. In: analyse & kritik. Nr. 500, 18. November 2005, S. 17 (akweb.de – Inhalt der Printausgabe, Menüpunkt Geschichte).
- NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): Stolpersteine. Gunter Demnig und sein Projekt. Emons, Köln 2007, ISBN 978-3-89705-546-9.
- Hans Hesse: Stolpersteine. Idee. Künstler. Geschichte. Wirkung. Klartext-Verlag, Essen 2017, ISBN 978-3-8375-1547-3.
- Silvija Kavčič, Thomas Schaarschmidt, Anna Warda, Irmgard Zündorf (Hrsg.): Steine des Anstoßes. Die Stolpersteine zwischen Akzeptanz, Transformation und Adaption. Metropol Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-86331-551-1.
Weblinks
- Literatur von und über Gunter Demnig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gunter Demnigs Webseite zum Stolperstein-Projekt
- Stiftung Gunter Demnig
- Gunter Demnig – Vita, Aktionen, Einzelausstellungen und Beteiligungen. In: ignis.org. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 4. Dezember 2021; abgerufen am 9. September 2010.
- Daniela Steins: Stolpern über die Vergangenheit – Gunter Demnig und sein Kunstprojekt Stolpersteine. In: Köln-Magazin. 2010, abgerufen am 9. September 2010.
- "Stolpersteine - Spuren und Wege" - Vortrag von Gunter Demnig in Lichtenstein/Sa. am 20. September 2024, Youtube-Video (Laufzeit: 60 Minuten)
- Gunter Demnig berichtet über seinen Werdegang und die Entstehung des Projektes Stolpersteine. In: memoro.org
- Susanne Lenz: Gunter Demnig Stolpersteine / Ein Lebenswerk auf Berliner Straßen. ( vom 19. Mai 2014 im Internet Archive) In: Berliner Zeitung. 14. Mai 2014.
- Katja Iken: Der Mann mit dem Hammer / Stolperstein-Erfinder Gunter Demnig. In: Spiegel Online. 19. Juli 2017, abgerufen am 19. Juli 2017.
- Gunter Demnig, Bildhauer. In: WDR 5. Erlebte Geschichten, 26. August 2018, verfügbar bis 22. August 2028 (Laufzeit: 24 min)
- Vinzenz Jobst: 39 Stolpersteine – Impulse lokaler Erinnerungsarbeit. (PDF; 1,7 MB) In: memorial.at, 9. August 2020
- Jochen Zenthöfer: Wer verdient den Stolperstein? In: FAZ. 11. September 2021 (zur Debatte in Luxemburg)
- Suzanne Cords mit kna, dpa: Stolpersteine sind sein Lebenswerk: Gunter Demnig zum 75. In: Deutsche Welle. 27. Oktober 2022
- Martina Meißner: 16. Dezember 1992: Der erste Stolperstein wird in Köln verlegt. In: Westdeutscher Rundfunk. ZeitZeichen, 16. Dezember 2022
Einzelnachweise
- ↑ Biographie. In: stolpersteine.eu. Abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ Gerhard Kaminski: Stolpersteine: Künstler Gunter Demnig findet im Vogelsbergkreis eine neue Heimat. In: oberhessische-zeitung.de. Oberhessische Zeitung, 4. April 2018, abgerufen am 17. September 2019.
- ↑ Biographie. Abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ Nikola Endlich: Die Worte sollen hart und kurz sein. Porträt. Michael Friedrichs-Friedlaender verarbeitet beim Anfertigen der Stolpersteine auch seine eigene Familiengeschichte. In: Der Freitag. Nr. 4. Berlin 23. Januar 2020, S. 26 (freitag.de [abgerufen am 1. Februar 2020]).
- ↑ Interview mit Gunter Demnig: 40.000 Stolpersteine, 40.000 Schicksale ( vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) In: wdr.de, 5. Juli 2013.
- ↑ is/ks (kna, dlf): NS-Gedenkprojekt zählt jetzt 70.000 „Stolpersteine“. In: Deutsche Welle. 23. Oktober 2018, abgerufen am 24. Januar 2019.
- ↑ Aktuell. In: stolpersteine.eu. Mai 2023, abgerufen am 1. Oktober 2023.
- ↑ Schritte. In: stolpersteine.eu. Abgerufen am 30. September 2023.
- ↑ Felix Müller: Stolpersteine: Das ist der Kompromiss-Vorschlag. In: merkur.de, 20. März 2015. Abgerufen am 19. April 2021.
- ↑ jk: Stolpersteine auf Mallorca: Den Anfang machen die „Remembrance Stones“. Insgesamt werden in den kommenden Tagen auf Mallorca 34 Gedenksteine für die Opfer zweier Diktaturen verlegt. In: Mallorca Zeitung. 14. Dezember 2018. Abgerufen am 16. März 2019.
- ↑ Website des Künstlers. Abgerufen am 16. März 2019.
- ↑ Preisverleihung 2005. Das Rote Tuch e. V., 20. November 2005, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2009; abgerufen am 9. September 2010.
- ↑ Giesberts-Lewin-Preis. In: 50 Jahre Gesellschaft Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. 19. Oktober 2008, S. 19 (koelnische-gesellschaft.de ( vom 4. März 2016 im Internet Archive) [PDF; 582 kB]).
- ↑ Festakt/Auszeichnung „Botschafter“ 2008. Bündnis für Demokratie und Toleranz, 2008, abgerufen am 9. September 2010.
- ↑ Stuttgart: Gunter Demnig mit der Otto-Hirsch-Medaille ausgezeichnet. In: Stuttgart Journal. 25. Januar 2011, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 25. Dezember 2013; abgerufen am 25. Januar 2011.
- ↑ Lina Kirstgen: 10 Jahre Marion Dönhoff Preis: Auszeichnungen gehen an Karl Schwarzenberg und das Projekt Stolpersteine. In: Zeit-Verlagsgruppe.de. 1. Oktober 2012, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Juni 2018.
- ↑ Lothar-Kreyssig-Friedenspreis. Gunter Demnig. In: ek-md.de. Evangelischer Kirchenkreis Magdeburg, abgerufen am 30. September 2023.
- ↑ Stolperstein-Initiator bekommt Verdienstorden. In: RadioErft.de. 22. August 2019, abgerufen am 30. September 2023.
- ↑ Wir danken für jedes kleine Messingtäfelchen, das millionenfachen Schmerz erleben lässt. Laudatio von Iris Berben. In: adc.de, Art Directors Club für Deutschland, 19. Juli 2021, abgerufen am 30. September 2023.
- ↑ Elisabeth Binder: Vom Stolperstein-Vater bis zum Chef des Naturkundemuseums: Diese zwölf Berliner bekommen den Landesorden. In: Tagesspiegel. 29. September 2023, abgerufen am 29. September 2023.
- ↑ Arnold‐Bode‐Preis 2024 geht an Gunter Demnig (3.5.2024)
- ↑ Erfinder der Stolpersteine wird ausgezeichnet, WDR 11.10.2024
- ↑ Pressemitteilung der Zeugen Jehovas – 17. Juli 1997 / „Stolpersteine“ zur mahnenden Erinnerung. ( vom 24. Oktober 2013 im Internet Archive) In: auslandsdienst.at, Österreichischer Auslandsdienst, 31. Dezember 2011.
- ↑ Ordentliche Mitglieder. Gunter Demnig. Deutscher Künstlerbund e. V., abgerufen am 16. August 2018.
- ↑ Gunter Demnig wurde in den Künstlerbund aufgenommen. In: stolpersteine.eu. 2016, abgerufen am 17. August 2018.
Personendaten | |
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NAME | Demnig, Gunter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Künstler (Stolpersteine) |
GEBURTSDATUM | 27. Oktober 1947 |
GEBURTSORT | Berlin |