Gerhard Cromme

Gerhard Cromme (2006)

Gerhard Cromme (* 25. Februar 1943 in Vechta) ist ein deutscher Wirtschaftsmanager. Er ist Vorsitzender und Mitglied im Aufsichtsrat großer deutscher Unternehmen.

Leben

Cromme studierte von 1962 bis 1971 Jura und Volkswirtschaftslehre in Münster, Lausanne, Paris und Harvard, wo er einen dreimonatigen PMD-Fortbildungskurs (Program for Management Development) belegte.[1] In Münster wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung KStV Germania im KV. Nach dem 1. und 2. juristischen Staatsexamen wurde er 1969 mit dem Thema „Die Kraftfahrzeughaftpflicht in Frankreich und Deutschland. Eine rechtsvergleichende Untersuchung“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zum Dr. jur. promoviert.

Manager-Karriere

1971 begann er seinen Berufsweg bei der Compagnie de Saint-Gobain und danach war er Vorsitzender der Geschäftsleitung der Vereinigte Glaswerke GmbH (VEGLA) in Aachen und Stellvertretender Generaldelegierter für das Deutschlandgeschäft von Saint-Gobain.

1986 wechselte er in den Krupp-Konzern, zunächst als Vorsitzender der Krupp Stahl AG in Bochum, zuletzt als Vorsitzender des Vorstands der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp. Im November 1987 stand Cromme einen langen und hart geführten Arbeitskampf durch. Er schloss – gegen den Widerstand der dort beschäftigten Stahlarbeiter – das Werk in Duisburg-Rheinhausen.[2] Jüngere Mitarbeiter wurden in andere Unternehmen der Region verlegt; ältere Arbeitnehmer konnten (vom Staat subventioniert) in Frührente gehen. Die feindliche Übernahme des Ruhr-Konkurrenten Hoesch 1992 basierte maßgeblich auf seiner Initiative.

1999 war er einer der Initiatoren der Fusion von Krupp und Thyssen zur ThyssenKrupp AG. Bis September 2001 war er zusammen mit dem ehemaligen Thyssen-Manager Ekkehard Schulz Vorsitzender des Vorstands von ThyssenKrupp („Doppelspitze“), dann wurde er Aufsichtsrat-Vorsitzender. Cromme bewegte Heinrich Hiesinger (bis dato Siemens), Vorsitzender des Vorstands von ThyssenKrupp zu werden.[3] Angesichts von Verfehlungen von Topmanagern bei ThyssenKrupp während seiner Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender legte die Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) ihm am 11. Januar 2013 den Rücktritt vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden nahe, da sein bisheriger Umgang mit den Skandalen bei ThyssenKrupp „ein falsches Bild auf jene Aufsichtsräte werfe, die mit großer Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit versuchen, gute Unternehmensführung zu praktizieren“.[4] Bei der Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG wurden unter anderem Cromme und sogar Berthold Beitz kritisiert.[5] Cromme legte am 8. März 2013 sein Amt mit Wirkung zum 31. März nieder.[6][7] Sein Nachfolger als Aufsichtsratsvorsitzender wurde Ulrich Lehner.[8]

Cromme wurde im Januar 2003 Mitglied des Aufsichtsrats der Siemens AG und war von 2007 bis 2017 Aufsichtsratsvorsitzender. Sein Nachfolger ist seit Januar 2018 Jim Hagemann Snabe. Er war Mitglied in folgenden Aufsichtsräten: Compagnie de Saint-Gobain (bis 6. Juni 2013)[9], Allianz SE (bis 15. August 2012)[10], Axel Springer SE (2002 bis April 2014),[11] Deutsche Lufthansa AG (bis 30. Juni 2007),[12] Hochtief AG (bis 10. Mai 2006), E.ON AG, BNP Paribas, Suez S.A., Volkswagen AG und Thales S.A.[13]

Seit 2017 ist Cromme Vorsitzender des Aufsichtsrates der Auto1 Group SE.[14]

Cromme war bis zum 30. Juni 2008 Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex[15] und damit maßgeblich am Umbau des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts beteiligt.

Cromme soll im April 2007 als neu ernannter Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens empfohlen haben, die Vertragsverlängerung des Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld zu verschieben. Dies soll Kleinfeld dazu bewogen haben, seinen Vertrag nicht über den 30. September 2007 hinaus zu verlängern.[16] Als Nachfolger setzte Cromme am 20. April 2007 Peter Löscher ein; zum 1. August 2013 wurde Josef Käser (bis dahin Finanzvorstand) Löschers Nachfolger.

Im August 2010 unterzeichneten Cromme und etwa 40 andere Prominente den Energiepolitischen Appell für eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke.

Cromme ist seit 2016 Mitglied des International Advisory Council der ESMT Berlin.[17]

Privates

Gerhard Cromme ist verheiratet und Vater von vier Töchtern. Er entstammt einer Familie aus Vechta. Sein Vater war Lehrer für Latein und Griechisch.[18] Sein Bruder Ludwig Cromme (* 1951) war bis 2016 Inhaber des Lehrstuhls für Numerische und Angewandte Mathematik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.[19] Seine Schwester Hildegard war mit dem Manager Bernd Thiemann verheiratet. Crommes Onkel Anton, Hans und Carl Cromme waren Landespolitiker, Manager bzw. Kommunalpolitiker. Seit 1986 engagiert sich Cromme in verschiedenen Rotary-Clubs.[20]

Auszeichnungen

Publikationen

  • Corporate Governance Report 2006, Schäffer-Poeschel 2006, ISBN 3-7910-2579-1, (laufende Reihe mit Ausgaben seit 2002).
  • Deutschland aus den Problemen herausführen: Unternehmer zu den drängenden Fragen der Gegenwart; [Initiative für Deutschland], Frankfurter Inst., Stiftung Marktwirtschaft und Politik Bad Homburg 1998, ISBN 3-89015-064-0.

Literatur

  • Peter Cromme: Dr. Gerhard Cromme aus Vechta / Cloppenburg – ein deutscher Topmanager. In: Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1998. Vechta 1997, S. 279–282.
Commons: Gerhard Cromme – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Angaben zum Programm auf der Seite der Harvard Business School, abgerufen am 10. Dezember 2011
  2. Lebenstraum: Ruhrbaron bei capital.de (Memento vom 20. April 2010 im Internet Archive)
  3. Cromme bleibt nicht
  4. ThyssenKrupp: Aufsichtsräte legen Cromme Rücktritt nahe; Spiegel Online, 13. Januar 2013
  5. zeit.de: Letzte Chance für die ThyssenKrupp-Chefs
  6. Pressemeldungen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. April 2016; abgerufen am 25. April 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thyssenkrupp.com
  7. Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef tritt zurück. (tagesspiegel.de [abgerufen am 25. April 2017]).
  8. Cromme-Nachfolge: Ulrich Lehner wird neuer Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp. In: Zeit Online. 13. März 2013, abgerufen am 13. März 2013.
  9. General Meeting June 6, 2013
  10. Allianz: Christine Bosse ersetzt Cromme im Aufsichtsrat; onvista.de, 20. August 2012.
  11. Neuwahlen zum Aufsichtsrat der Axel Springer SE (Memento des Originals vom 7. März 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.axelspringer.de; axelspringer.de, 5. März 2014.
  12. Aufsichtsrat und Vorstand (Memento vom 11. August 2010 im Internet Archive); lufthansa.de
  13. Aufsichtsratsvorsitzender Cromme wird 70; siemens.com, 12. Februar 2013.
  14. Philipp Alvares de Souza Soares, Eva Müller: Von Siemens zum Gebrauchtwagen-Startup: Crommes dritte Karriere. In: Manager Magazin. 6. November 2017, abgerufen am 20. Oktober 2021.
  15. Regierungskommission: Cromme gibt Corporate-Governance-Vorsitz ab; Wirtschaftswoche, 5. Juni 2008
  16. Siemens-Krise Cromme und Co. bringen Kleinfeld zu Fall; Spiegel Online, 25. April 2007.
  17. Über ESMT Berlin. Abgerufen am 7. Oktober 2020.
  18. Gerhard Cromme: Einer der einflussreichsten deutschen Manager; Stern.de, 24. Februar 2003.
  19. Prof. Dr. Ludwig J. Cromme. Abgerufen am 25. April 2017.
  20. Club- und Mitgliederverzeichnis der Rotarier in der Bundesrepublik Deutschland 2002/2003
  21. Saarlandbotschafter Dr. Gerhard Cromme; abgerufen am 25. August 2011.
  22. Leo Klimm: Am Hofe von Paris. In: Süddeutsche.de. 14. April 2015, abgerufen am 16. April 2015.