Duett (Zoologie)
Manche Tierarten können im Duett singen, wobei sich meistens je ein Männchen und ein Weibchen gegenseitig stimulieren und wechselweise singen oder rufen. Duettieren ist vor allem von Vögeln und Gibbons bekannt, wurde aber z. B. auch bei verschiedenen anderen Affen[2][3], Antilopen[4], Fröschen[5] und sogar bei Grillen beschrieben.[6]
Duettieren bei Vögeln
Duett-Gesänge sind bei mindestens 360 Arten von Vögeln aus 18 Familien der Singvögel und 32 weiteren Familien bekannt.[7] Es ist offensichtlich, dass sich das Duettieren mehrfach unabhängig entwickelt hat.[8] Andererseits hat sich die Fähigkeit zu duettieren innerhalb einzelner Vogelfamilien, z. B. bei Bartvögeln, verschiedentlich wieder verloren.[7] Mehrfach wurde berichtet, dass das Duettieren vor allem bei Vögeln in den Tropen häufig ist,[9][1] es dürfte unter anderem damit zusammenhängen, dass Vögel der Tropen keine Wanderung (Vogelzug) durchführen, also dauerhaft im gleichen Revier bleiben.[10] Die meisten duettierenden Arten sind monogam.[11]
Die biologische Wirksamkeit des Duettierens hängt insbesondere davon ab, dass die einzelnen Gesänge der Partner genau ineinander passen und damit beweisen, dass die Parts aufeinander abgestimmt sind.[12][13] Bei vielen duettierenden Vogelarten erfolgt die wechselseitige Koordination nicht nur vokal, also lautlich, sondern wird begleitet von nicht-vokalen Verhaltensmustern wie auffälligen Flügelschlägen.[14]
Vögel, die duettieren, durchlaufen als Paare eine Art „Verlobungszeit“. Während dieser lernen sie das Gesangsrepertoire des Partners beziehungsweise der Partnerin kennen und bauen einen paarspezifischen Duettgesang auf, der das Paar aneinander bindet.[8] Bei vielen Arten dürfte der Duettgesang der Markierung und Verteidigung eines gemeinsamen Territoriums dienen. Zusätzlich sind verschiedene Funktionen wie die reproduktive Synchronisation der Geschlechtspartner oder die Überprüfung der Paarbindung anzunehmen.[1][11]
Einen besonders kompliziert strukturierten Duettgesang findet man zum Beispiel bei Trauerdrongos (Dicrurus adsimilis), bei denen jeder Partner ein individuelles Repertoire von über 30 Lauten hat, die er hintereinander mit kurzen Pausen singt. Dazwischen folgt jeweils ein Laut des anderen Vogels, so, dass die Laute direkt aufeinanderfolgen wie die Zähne eines Reißverschlusses. Das Repertoire jedes Vogels enthält verschiedene Themengruppen. Wenn einer der beiden ein anderes Thema beginnt, so stimmt der andere sogleich zur korrespondierenden Lautgruppe ein.[8][15]
In ähnlicher Weise wie beim Duettgesang können Paare auch durch wechselseitige Bewegungsfolgen eine paarspezifische Bindung aufbauen und erhalten. Diese Bewegungsfolgen ähneln dem Balzverhalten und sind für den Zusammenhalt der Partner von Bedeutung. Besonders markant sind solche wechselseitigen Rituale (außerhalb der Fortpflanzungszeit) zum Beispiel beim Galapagosalbatros (Phoebastria irrorata)[8]. Ähnliches gilt auch für das Duettieren der Störche mit Schnabelklappern.[16]
Duettieren bei Gibbons
Die meisten Arten von Gibbons können im Duett singen. Diese Fähigkeit ist ein gemeinsames, ursprüngliches Merkmal, das nur bei Hylobates moloch und bei H. klossii verloren gegangen ist:[17] Bei diesen beiden Arten singen die Männchen oder Weibchen nur einzeln.
Besonders komplexe Duette singt der Siamang (Symphalangus syndactylus). Dabei singen die Männchen und die Weibchen jeweils unterschiedliche Strophen und koordinieren ihren Gesang nach festen Regeln. Darüber hinaus kennt man bei den meisten Arten auch Sologesänge der Männchen. Während die Sologesänge vermutlich vor allem zur Verteidigung der Ressourcen (Territorium, Nahrungsquellen, Partner) dienen, dürften die Duettgesänge verschiedene Funktionen haben.[18] Die Duettgesänge finden meist in den frühen Morgenstunden statt, jedoch bei unterschiedlichen Arten teilweise zu verschiedenen Zeiten.[19]
Die Gesänge der Gibbons gelten als Modell für die Evolution der menschlichen Musik. Sowohl bei Altwelt-Primaten als auch bei Gibbons gibt es sogenannte „Loud calls“ von Männchen, die sehr ähnlich sind. Parallelen zwischen den Gesängen der Gibbons und der Menschen lassen ursprüngliche Funktionen des menschlichen Gesangs und der Musik erkennen.[18][20]
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Henrik Brumm, Wolfgang Goymann: On the natural history of duetting in White-browed Coucals: sex-and body-size-dependent differences in a collective vocal display. In: Journal of Ornithology. Band 158, Nr. 3, Juli 2017, S. 669–678, doi:10.1007/s10336-016-1429-0.
- ↑ Richard R. Tenaza, Ronald L. Tilson: Monogamy and duetting in an Old World monkey. In: Nature. Band 263, Nr. 5575, September 1976, ISSN 1476-4687, S. 320–321, doi:10.1038/263320a0.
- ↑ Alexandra E. Müller, Gustl Anzenberger: Duetting in the Titti Monkey Callicebus cupreus: Structure, Pair Specifity and Development of Duets. In: Folia Primatol. Band 73, 2002, S. 104–115, doi:10.1159/000064788.
- ↑ Ronald L. Tilson: Duetting in Namib desert klipspringers. In: South African Journal of Science. Band 73, 1977, S. 314–315 (the-eis.com [PDF]).
- ↑ Darcy B. Kelley, Sandya S. Viswanathan, Martha L. Tobias: Rapping, a female receptive call, initiates male–female duets in the South African clawed frog. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 95, Nr. 4, 17. Februar 1998, ISSN 0027-8424, S. 1870–1875, doi:10.1073/pnas.95.4.1870, PMID 9465109.
- ↑ Andreas Stumpner, Sabine Meyer: Songs and the Function of Song Elements in Four Duetting Bushcricket Species (Ensifera, Phaneropteridae, Barbitistes). In: Journal of Insect Behavior. Band 14, Nr. 4, 1. Juli 2001, ISSN 1572-8889, S. 511–534, doi:10.1023/A:1011176106943.
- ↑ a b Michelle L. Hall: Chapter 3: A Review of Vocal Duetting in Birds. In: Advances in the Study of Behavior. Band 40. Elsevier, 2009, ISBN 978-0-12-374475-3, S. 67–121, doi:10.1016/s0065-3454(09)40003-2.
- ↑ a b c d Wolfgang Wickler: Wissenschaft auf Safari. Verhaltensforschung als Beruf und Hobby. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-49958-0, S. 147 f., 187 ff.
- ↑ W. H. Thorpe: The biological significance of duetting and antiphonal song. In: Acta Neurobiol. Exp. Band 35, 1975, S. 517–528.
- ↑ David M. Logue, Michelle L. Hall: Migration and the evolution of duetting in songbirds. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. Band 281, Nr. 1782, Mai 2014, doi:10.1098/rspb.2014.0103.
- ↑ a b Christine R. Dahlin, Lauryn Benedict: Angry Birds Need Not Apply: A Perspective on the Flexible form and Multifunctionality of Avian Vocal Duets. In: Ethology. Band 120, Nr. 1, 2014, ISSN 1439-0310, S. 1–10, doi:10.1111/eth.12182.
- ↑ Kristin A. Kovach, Michelle L. Hall, Sandra L. Vehrencamp, Daniel J. Mennill: Timing isn't everything: responses of tropical wrens to coordinated duets, uncoordinated duets and alternating solos. In: Animal Behaviour. Band 95, September 2014, S. 101–109, doi:10.1016/j.anbehav.2014.06.012.
- ↑ Dietmar Todt: Die antiphonen Paargesänge des ostafrikanischen Grassängers Cisticola hunteri prinioides Neumann. In: Journal für Ornithologie. Band 111, Nr. 3/4. Springer, 1970, S. 332–356.
- ↑ Dietmar Todt, Anne Fiebelkorn: Display, timing and function of wing movements accompanying antihphonal duets of Cichladusa guttata. In: Behaviour. Band 72, Nr. 1-2. Brill, Leiden 1980, S. 72–106.
- ↑ Dagmar von Helversen, Wolfgang Wickler: Über den Duettgesang des afrikanischen Drongo Dicrurus adsimilis Bechstein. In: Zeitschrift für Tierpsychologie. Band 29, Nr. 3, 1971, ISSN 1439-0310, S. 301–321, doi:10.1111/j.1439-0310.1971.tb01739.x.
- ↑ Vortrag: Duettieren bei Vögeln und Affen | Zoologische Staatssammlung München. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 15. November 2018; abgerufen am 5. Februar 2019. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Thomas Geissmann: Duet-splitting and the evolution of Gibbon songs. In: Biological Reviews. Band 77, Nr. 1, Februar 2002, S. 57–76, doi:10.1017/S1464793101005826.
- ↑ a b Thomas Geissmann: Gibbons – die singenden Menschenaffen : Begleitheft zur Ausstellung. Anthropologisches Institut und Museum der Universität Zürich, 2014, ISBN 978-3-03304475-3.
- ↑ Thomas Geissmann: Gibbons die singenden Menschenaffen. In: Welt der Tiere. Band 2, 2016, S. 50–51, doi:10.5167/uzh-129293.
- ↑ Tiergartenvortrag: Gibbons und die Evolution der Musik. Abgerufen am 7. Februar 2019.