Deutsches Raumfahrt-Kontrollzentrum

Blick in das Deutsche Raumfahrt-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München
Missionskontrollräume des Columbus Kontrollzentrums, Oberpfaffenhofen

Das Deutsche Raumfahrt-Kontrollzentrum (German Space Operations Center, GSOC) ist das Mission Control Center des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München.

Aufgaben

Das GSOC nimmt in der nationalen und internationalen Raumfahrt die folgenden Aufgaben wahr:

  • Betrieb wissenschaftlicher Satelliten
  • Betrieb kommerzieller Satelliten
  • Bemannte Raumfahrt
  • Ausbau und Betrieb der Kommunikationsinfrastruktur
  • Forschung und Entwicklung neuer Technologien im Bereich des Raumflugbetriebs

Die Arbeit des GSOC gliedert sich in zwei Phasen, in denen unterschiedliche Aufgaben bewältigt werden:

Vorbereitungsphase

  • Missionsanalyse
  • Tests (Soft- und Hardware zusammen mit Satelliten und Simulator)
  • Entwicklung des Bodenstationskonzepts

Missionsbetrieb (LEOP, Commissioning Phase, Routinebetriebsphase, Außerbetriebnahme)

  • Missionsplanung (Erstellung von Ablaufplänen in regelmäßigen Intervallen, je nach Mission)
  • Flugbetrieb (Kommandierung des Satelliten, Überwachung des Zustandes des Satelliten)
  • Datenempfang und Bereitstellung für die Nutzergemeinschaft

Ausstattung

Kontrollräume

Zurzeit (2019) sind mindestens acht Kontrollräume in Betrieb:

  • K1: Größter Kontrollraum des Satelliten-Kontrollzentrums; wird vor allem für LEOP-Betrieb (Launch and Early Orbit Phase) genutzt. Seit Anfang 2009 war der K1 für die LEOP der SATCOMBw-Mission konfiguriert. Im Dezember 2009 wurde der Raum komplett neu eingerichtet. Damit ist die Kontrollraummodernisierung für die vier großen Kontrollräume abgeschlossen. 2012 wurde hier die LEOP von TET-1 durchgeführt, 2018 die LEOP von EuCROPIS.
  • K2/K2a: Hier werden Missionen im Multimissionsbetrieb (GRACE-FO, TerraSAR-X, …) begleitet bzw. geleitet, so z. B. wissenschaftlichen Missionen, die durch das GSOC im durchgehenden Betrieb kontrolliert werden.
  • K3–K4: Columbus Missionskontrollräume des Columbus Kontrollzentrums
  • K5–K6: Hier wurden vor allem Missionen im Multimissionsbetrieb (BIRD, GRACE, TerraSAR-X) begleitet bzw. geleitet, so z. B. wissenschaftlichen Missionen, die durch das GSOC im durchgehenden Betrieb kontrolliert werden.
  • K7-K8: Sind die Kontrollräume für die kommerzielle Mission SATCOMBw, welche zwei geostationäre Kommunikationssatelliten im Regelflugbetrieb betreibt
  • K10: Steuer- und Kontrollraum für den European Proximity Operations Simulator (EPOS)
  • K11: Columbus Backup-Missionskontrollraum

Bodenstation

Geschichte

Anfänge

Nachdem die Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren beschlossen hatte, ein nationales Raumfahrtprogramm aufzulegen und sich in internationale Raumfahrtprojekte einzubringen, wurde der Gedanke an ein eigenes Raumfahrtkontrollzentrum konkret. 1967 legte der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß den Grundstein für den ersten Gebäudekomplex, welcher auch wenig später eröffnet wurde.

Schwerpunkt bemannte Raumfahrt (1985–1995)

Bis 1985 konzentrierte sich der Standort Oberpfaffenhofen der damaligen Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) immer mehr auf Raumfahrt. Dabei erhielt die bemannte Raumfahrt ein besonderes Augenmerk. In der Tat begleitete dann das GSOC zwei bemannte Missionen: Während der Mission D-1/STS-61-A 1985 übernahm das GSOC die (Nutzlast-)Kontrolle über das Spacelab, während die Flugkontrolle weiterhin von Lyndon B. Johnson Space Center der NASA übernommen wurde. Zum ersten Mal wurde die Nutzlastkontrolle [Payload Operation Control Centre (POCC)] einer US-amerikanischen Raumfahrtmission außerhalb der NASA-Zentren geleitet. Dieses bedeutet auch das erstmals ein Bemannter Raumflug (teilweise) von Außerhalb der USA oder der Sowjetunion überwacht wurde.[1] Während dieser Mission verkündete der damalige Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß am 5. November 1985 ein umfangreiches Investitionsprogramm, mit dem die Rolle Oberpfaffenhofens in der europäischen Raumfahrt gesteigert werden sollte.

Doch der Fehlstart einer Ariane 3 1985 sowie die Challenger-Katastrophe 1986 bremste die Entwicklung des Standortes Oberpfaffenhofen und damit die des GSOC spürbar. Trotzdem erhielt das GSOC durch das Investitionsprogramm auch einen Neubau (heute „Gebäude 140“), dessen Grundsteinlegung am 4. April 1989 erfolgte.

Mit der Mission D-2/STS-55 begleitete das GSOC 1993 den gesamten Betrieb und hatte die volle Nutzlastkontrolle über das Spacelab. Somit gab es zum ersten Mal einen ungefilterten Zugang zu allen Daten.

Umorientierung (seit 1995)

Nicht nur die Challenger-Katastrophe bremste die Entwicklung des GSOC. Die permanent schwieriger werdende Haushaltslage, die sich durch die Deutsche Wiedervereinigung noch erheblich verschärfte, ließ nationale Raumfahrtambitionen schwinden. Die Mission EUROMIR 95 (Sojus TM-2) war die letzte nationale Mission, wobei die Nutzlastkontrolle bereits im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation erfolgte.

2003 erhielt das DLR von der ESA den Zuschlag zum Bau und für die Kontrolle des Columbus-Moduls als europäischer Beitrag für die Internationale Raumstation. Hierfür wurde ein eigenes Columbus-Kontrollzentrum eingerichtet, das seit 2005 betriebsbereit ist.

Auf dem DLR-Gelände ist auch eines der beiden Galileo-Kontrollzentren (Galileo Control Center, GCC) für das europäische Galileo-Satellitennavigationssystem und wird dort von der DLR Gesellschaft für Raumfahrtanwendungen mbH – einer kommerziellen Tochtergesellschaft des DLR e. V. – betrieben. Der Dauerbetrieb wird zusammen mit dem anderen Galileo-Kontrollzentrum, das im italienischen Fucino angesiedelt wird, überwacht. Als erstes wurde gemeinsam mit Italien der Betrieb des Galileo-Testsatelliten GIOVE-A (Galileo In-Orbit Validation Element) vorbereitet. Der Grundstein für das neue GCC-Gebäude auf dem DLR-Gelände in Oberpfaffenhofen wurde am 7. November 2006 gelegt und der Bau im September 2009 für die Konfiguration der Betriebseinrichtungen dem DLR übergeben.

Vom GSOC begleitete oder verantwortete Missionen

Bemannte Missionen

Mission Jahr Aufgaben / Anmerkungen
First Spacelab Payload (FSLP) 1983 Remote Nutzerzentrum für die europäischen Materialexperimentatoren
D-1 (STS 61-A) 1985 Nutzlastkontrolle / Payload Operation Control Centre (POCC)
MIR 92 1992 unterstützende Betriebsaufgaben; deutscher Kosmonaut Klaus-Dietrich Flade
D-2 (STS-55) 1993 Nutzlastkontrolle / Payload Operation Control Centre (POCC)
X-SAR 1 1994 unterstützende Betriebsaufgaben während zwei Shuttle Missionen (STS-59, STS-68)
EUROMIR 95 (Sojus TM-2) 1995 unterstützende Betriebsaufgaben; deutscher Kosmonaut Thomas Reiter
MIR 97 1997 unterstützende Betriebsaufgaben; deutscher Kosmonaut Reinhold Ewald
X-SAR / SRTM 2000 unterstützende Betriebsaufgaben; deutscher Astronaut Gerhard Thiele
ISS-Eneide (Sojus TMA-6, Sojus TMA-5) 2005 unterstützende Betriebsaufgaben; europäischer Astronaut Roberto Vittori; erster operationeller Einsatz des Columbus Kontrollzentrums
Astrolab (ISS) (STS-121 / STS-116) 2006 unterstützende Betriebsaufgaben; europäischer Astronaut Thomas Reiter; erste Langzeitmission im Columbus Kontrollzentrum
ISS-Columbus (STS-122) 2008 Missionskontrolle, Betrieb des europäischen ISS-Kommunikationsnetzwerks, Unterstützung der europäischen Astronauten und anderer ISS-Astronauten, die im Columbus-Modul arbeiten

Wissenschaftliche Missionen

Mission Jahr Aufgaben / Anmerkungen
AZUR 1969–1970 Missionsbetrieb, Netzwerkbetrieb
AEROS 1 1972–1973 Missionsbetrieb, Steuerung, Überwachung
AEROS 2 1974–1975 Missionsbetrieb, Steuerung, Überwachung
HELIOS 1 1974–1986 Missionsbetrieb, Steuerung, Überwachung
HELIOS 2 1976–1981 Missionsbetrieb, Steuerung, Überwachung
AMPTE 1984–1986 LEOP / Missionsbetrieb, Empfang, Verarbeitung und Archivierung der von GSOC empfangenen Daten
GALILEO 1989–2003 Missionsunterstützung bei der Vorbereitung und beim Betrieb für die „Attitude and trajectory correction“-Manöver; Analyse und Leistungsüberwachung des Retro-Propulsion Modules beim Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena.
ROSAT 1990–1999 LEOP / Missionsbetrieb, Empfang, Verarbeitung und Archivierung der von der GSOC Bodenstation Weilheim empfangenen Daten
EQUATOR-S 1997–1998 Missionsbetrieb
MOMS-2P 1997–1998 Nutzlastkontrolle / Payload Operation Control Centre (POCC)
CHAMP 2000–2010 LEOP / Missionsbetrieb
BIRD 2001–2006 LEOP / Missionsbetrieb
GRACE 2002–2018 LEOP / Missionsbetrieb für beide GRACE Satelliten
TerraSAR-X seit 2007 LEOP / Missionsbetrieb Anm: TerraSAR-X ist zu 50 % auch eine kommerzielle Mission in einer Public-Private-Partnership (PPP) mit der Firma Infoterra
TanDEM-X seit 2010 LEOP / Missionsbetrieb
TET-1 seit 2012 LEOP / Missionsbetrieb
BIROS seit 2016 LEOP / Missionsbetrieb
PAZ 2018 LEOP
GRACE-FO seit 2018 LEOP / Missionsbetrieb, Nachfolgemission von GRACE
EuCROPIS seit 2018 LEOP / Missionsbetrieb
CubeL seit 2021 LEOP / Missionsbetrieb
EnMAP seit 2022 LEOP / Missionsbetrieb

Kommerzielle Missionen

Mission Jahr Aufgaben / Anmerkungen
SYMPHONIE A 1974–1984 Missionsbetrieb (abwechselnd mit dem französischen Kontrollzentrum)
SYMPHONIE B 1975–1984 Missionsbetrieb (abwechselnd mit dem französischen Kontrollzentrum)
TV-Sat 1 1987–1989 Positionierung des Fernsehsatelliten, und Fehlersuche bei dem nicht entfaltbaren Solarpanel, sowie weitere Tests um den Erfolg der TV-SAT 2 Mission sicherzustellen; danach Verbringung des Satelliten in den Friedhofsorbit
TV-Sat 2 1989–1990 Positionierung des Fernsehsatelliten, 1990 Übergabe an die Deutsche Bundespost Telekom
DFS-Kopernikus 1 1989–1990 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1990 Übergabe an die Deutsche Bundespost Telekom
DFS-Kopernikus 2 1990–1991 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1991 Übergabe an die Deutsche Bundespost Telekom
DFS-Kopernikus 3 1992 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1992 Übergabe an die Deutsche Bundespost Telekom
Eutelsat II-F1 1990 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1990, 17 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat II-F2 1991 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1991, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat II-F3 1991 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1991, zwei Wochen nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat II-F4 1992 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1992, 11 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Hot Bird 1 1995 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 1995, 10 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat W2 1998 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 19. Oktober 1998, 14 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat W3 1999 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 27. April 1999, 15 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris; Hot Standby" Phase bis 27. Mai 1999
Eutelsat W4 2000 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 9. Juni 2000, 15 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris; Hot Standby" Phase A bis 9. Juli 2000
Eutelsat W1R / EuroBird 1 2001 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 2001, 10 Tage nach Start, Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat Hot Bird 6 2002 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 2002 Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
Eutelsat W5 2002 Positionierung des Kommunikationssatelliten, 2002 Übergabe an das EUTELSAT Satellite Control Centre Paris
SAR-Lupe 1-5 2006–2008 LEOP der 5 SAR-Lupe Satelliten, Übergabe jeweils wenige Wochen nach Start an das SAR-Lupe Kontrollzentrum der Bundeswehr
GIOVE-B 2008 Missionsbetrieb gemeinsam mit dem italienischen Galileo Control Center in Fucino
SATCOMBw seit 2009 LEOP / Missionsbetrieb von zwei Kommunikationssatelliten der Bundeswehr
EDRS-A seit 2015 In-Orbit Test und Routinebetrieb der EDRS-A Nutzlast an Bord des Eutelsat 9B
EDRS-C seit 2019 LEOP und Routinebetrieb des EDRS-C Satellites

Literatur

  • Matthias Gründer: Lexikon der bemannten Raumfahrt. Unter Mitarbeit von Karl-Heinz Ingenhaag und Horst Hoffmann. Lexikon Imprint Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-89602-287-3.
  • Thomas Uhlig, Florian Sellmaier, Michael Schmidhuber (Hrsg.): Spacecraft Operations. Springer-Verlag Wien, 2015, ISBN 978-3-7091-1802-3.
Commons: DLR Oberpfaffenhofen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andreas Schöwe: Mission Space Shuttle. Bechtermünz Verlag, 1999, ISBN 3-8289-5357-3, S. 121.

Koordinaten: 48° 5′ 14,5″ N, 11° 16′ 53″ O