Community Organizing

Community Organizing (CO) ist eine spezifische Form des Organizing, die ein Bündel an Maßnahmen zur Gemeinwesenarbeit bezeichnet.[1] Es wird auf Stadtteilebene oder zur Mitgliedergewinnung – z. B. Gewerkschaften oder Kirchengemeinden – und für die Stärkung der Durchsetzungskraft von (benachteiligten) Gruppen eingesetzt. Als Traditionslinien gelten die Settlement-Bewegung (Arnold Toynbee, Großbritannien), die radikaldemokratische Gemeinwesenarbeit (Saul D. Alinsky, USA) und die integrative Gemeinwesenarbeit (Murray G. Ross, USA). Saul D. Alinsky als Begründer des Community Organizing veranstaltete am 14. Juli 1939 die erste Versammlung des Back of the Yards Neighborhood Council, das er in einem berüchtigten Armenviertel von Chicago organisierte. Unter Anleitung von Community Organizern werden die Bewohner befähigt und bestärkt, aktiv für ihre eigenen Interessen und oft gegen die Interessen großer Unternehmen, einzelner Unternehmer oder mächtiger staatlicher Einrichtungen vorzugehen.[2]

Konzept

Das Konzept Community Organizing besteht aus einem wiederholten Zyklus von drei Schritten: Zuhören, Recherchieren und Handeln.

Ein Organizer befragt die Bewohner einzeln nach ihren Interessen zur Entwicklung des Stadtteils. Durch Zuhören werden vielfältige Aspekte bekannt. Diese werden bei einer Zusammenkunft vorgestellt und beraten. In der Phase des Recherchierens wird nach bekannten Lösungsansätzen, Möglichkeiten zur Umsetzung und Ansprechpartnern gesucht. Wenn die Probleme identifiziert wurden, schließt sich die Phase des Handels an. Dabei werden zur Umsetzung Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit einbezogen und gfs. Widerstände demokratisch bearbeitet.[1]

Anwendung

Die großen Gewerkschaften im anglo-amerikanischen Raum unterhalten zu diesem Zweck eigene Organizing-Institute, in denen professionelle Aktivisten („Organizer“) ausgebildet werden, deren hauptamtliche Arbeit darin besteht, in Betriebe mit niedrigen Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und zumeist geringem Organisationsgrad zu gehen und die Beschäftigten für eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu gewinnen. Im zweiten Schritt wird dann gemeinsam mit den Beschäftigten ein Arbeitskampf für vorher konkret definierte Ziele organisiert, in den die Beschäftigten zumeist auch stark eingebunden sind. US-Gewerkschaften konnten so in den letzten Jahrzehnten mehrere Millionen neuer Mitglieder gewinnen.

In Deutschland begannen die großen Gewerkschaften, Organizing als Strategie in einzelnen Pilotprojekten einzusetzen. Parteien- und andere Stiftungen nehmen sich des Themas an. Auch in den Kommunen entstehen zunehmend Projekte.

Der Film Bread and Roses von Ken Loach zeigt die Arbeit eines Organizers am Beispiel der Kampagne „Justice for Janitors“ der US-Dienstleistungsgewerkschaft SEIU.

Beispiele für erfolgreiche Organizing-Bewegungen in Deutschland sind etwa die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen sowie die Berliner Krankenhausbewegung.[3]

Organizing außerhalb der Gewerkschaftsbewegung

Barack Obama hat als Community Organizer gearbeitet, Hillary Clinton hat ihre Bachelor-Arbeit über dieses Thema geschrieben und hatte dazu Saul Alinsky interviewt. Sowohl Obama als auch Clinton haben Alinskys Methoden zur Wahl-Mobilisierung eingesetzt. Das Konzept des Community Organizing wurde im Wahlkampf um die Präsidentschaft in den USA 2008 erfolgreich in der Kampagne des Siegers Barack Obama angewandt.[4]

Transformatives Organizing

Eine Weiterentwicklung der Gedanken Alinskys führte zum Transformative Organizing (engl.). In Erweiterung des ursprünglichen Ansatzes wird die Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins im einzelnen Menschen ebenfalls in den Fokus genommen. Dadurch sollen systemverändernde Reformen ermöglicht werden. Weiter gehören die Entwicklung von Führungsfähigkeiten, das Eingehen strategischer Bündnisse sowie der Aufbau einer Bewegung zu den Zielen des Transformative Organizing.[5] Ein Beispiel dafür im Bereich betrieblicher Organisierung ist die Solidaritätsgewerkschaft (engl.: Solidarity Unionism).[6]

Deutschland

Forum Community Organizing Materialien und Informationen zu Community Organizing Trainings
Bürgerplattformen[7]

Berlin

Hamburg

Köln

München

Großbritannien

Literatur

  • FOCO (Forum Community Organizing)/Stiftung Mitarbeit (Hg.) (2014): Handbuch Community Organizing. Theorie und Praxis in Deutschland. Bonn, ISBN 978-3-941143-15-9
  • Maruschke, Robert (2014): Community Organizing. Zwischen Revolution und Herrschaftssicherung – Eine kritische Einführung. edition assemblage, Münster. 128 Seiten. ISBN 978-3-942885-58-4.
  • Frank Kornberger, Wolfgang Ruber, Joachim Kolb (2008): Organizing: Strategie und Praxis. Berlin/München/Brüssel, ISBN 978-3-938456-26-2.
  • Ulrich Brinkmann, Hae-Lin Choi, Richard Detje, Klaus Dörre, Hajo Holst, Serhat Karakayali, Catharina Schmalstieg (2008): Strategic Unionism: Aus der Krise zur Erneuerung?: Umrisse eines Forschungsprogramms Wiesbaden, ISBN 978-3-531-15782-5
  • Leo Penta (2007): Community Organizing: Menschen verändern ihre Stadt. ISBN 978-3-89684-066-0.
  • Peter Szynka (2006): Theoretische und empirische Grundlagen des Community Organizing bei Saul Alinsky (1909–1972). Eine Rekonstruktion. Bremen, ISBN 3-88722-656-9.
  • Michael Gecan (2002): Going Public. 25 Beacon Press, Boston, ISBN 978-1-4000-7649-9.
  • FOCO Forum Community Organizing e. V. (Hrsg.): Forward to the roots... Community Organizing in den USA eine Perspektive für Deutschland?, Stiftung Mitarbeit 1997, ISBN 3-928053-50-7
  • FOCO Forum für Community Organizing (Hrsg.), Forward to the roots …; Community Organizing in den USA – eine Perspektive für Deutschland?, Brennpunkt-Dokumentationen zu Selbsthilfe und Bürgerengagement Nr. 29, Verlag Stiftung Mitarbeit, Bonn 2004, ISBN 3-928053-50-7, (PDF 527 kB)
  • John P. Kretzman, John L. McKnight (1997): Building Communities from Inside Out: A Path Toward Finding and Mobilizing a Community’s Asset. ACTA Publications, Chicago, ISBN 978-0-87946-108-9.
  • Marion Mohrlok, Michaela Neubauer, Rainer Neubauer, Walter Schönfelder (1991): Let’s Organize! Gemeinwesenarbeit und Community Organizing im Vergleich. AG SPAK Publikationen, ISBN 978-3-923126-81-1.
  • Gary Delgardo (1991): The Sixties Movements: Roots of Community Organization. In: Klaus Selle (Hrsg.): Anleitung zur Selbsthilfe…zwischen „community organizing“ und marktnahem Service. WOHNBUND, Dortmund. S. 83–96, ISBN 978-3-924352-63-9.
  • William E. Fulmer (1982): Union Organizing: Management and Labor Conflict. ISBN 978-0-275-90797-6.
  • Willms, Tobias (2007): Gewerkschaftliche Strategien gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Diplomarbeit im Studiengang Politikwissenschaft, Berlin http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/debatte/willms.pdf
  • Jane McAlevey: Keine halben Sachen – Machtaufbau (Gewerkschaften) durch Organizing, VSA-Verlag, Hamburg 2019, ISBN 978-3-96488-000-0 Online

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Peter Szynka: Community Organizing. (PDF; 195 kB) Ein Weg zu mehr Beteiligung. In: FachForum Berlin. Friedrich-Ebert-Stiftung, 2011, abgerufen am 13. November 2015 (Nr. 8). ISBN 978-3-86872-693-0
  2. Ingrid Wagner. Gemeinwesenarbeit in der Sozialen Arbeit. Traditionslinien – aktuelle Entwicklungen – (Ziel-)Richtungen. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Ausgabe 19, Wien 2013, S. 04–1 bis 04–9. (PDF 3,7 MB)
  3. Lukas Hermsmeier: Uprising: Amerikas neue Linke. Klett-Cotta, 2022, ISBN 978-3-608-11852-0, S. 28 (google.de [abgerufen am 8. Mai 2022]).
  4. Zack Exley. The New Organizers, What's really behind Obama's ground game in Huffington Post, 25. Mai 2011
  5. Daniel Reitzig. Transformative Organizing in krisentheorie.de, 24. Juli 2018
  6. Mark Richter, Levke Asyr, Ada Amhang, Scott Nappalos: Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand. 3. Auflage. Die Buchmacherei, Berlin 2021, ISBN 978-3-9823317-1-3, S. 9.
  7. dico-berlin.org DICO Deutsches Institut für Community Organizing