1. Sonntag im Advent

Am Adventskranz brennt die erste Kerze
Einzug in Jerusalem (Horner Kirche, Bremen)

Mit dem 1. Sonntag im Advent oder ersten Adventssonntag (in Österreich: Adventsonntag) beginnt das Kirchenjahr.

Evangelische Liturgie

Der erste Sonntag im Advent bedeutet keinen starken thematischen Einschnitt, sondern führt Motive vom Ende des Kirchenjahres weiter: „Nach allgemeiner Übung beginnt mit dem 1. Advent ein neues Kirchenjahr. Dies verdankt sich dem Brauch, mit dem Formular dieses Sonntags die liturgischen Bücher zu eröffnen. Es täuscht jedoch leicht darüber hinweg, dass die Adventssonntage nach Gehalt und Gestalt eng mit den letzten Sonntagen im Kirchenjahr verbunden sind, so dass mit dem 1. Advent eigentlich gar kein thematisch neuer Abschnitt beginnt: Der endzeitliche Akzent ist durchaus im Advent noch präsent.“[1]

In den evangelischen, bzw. lutherischen, Kirchen Deutschlands und Nordeuropas[2][3][4][5] blieb das altrömische Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem erhalten und gibt dem Sonntag einen besonderen, festlichen Charakter.[1] Diese Tradition war im Frühmittelalter bereits bekannt.[6] Irische Missionare wie Kolumban der Jüngere, die in Gallien missionierten, betonten in ihrer Verkündigung stärker die endzeitliche Wiederkunft Christi und das Jüngste Gericht, was zu einer Ausgestaltung des Advents als Zeit einer ernsthaften Buße beitrug und – ausgehend von Gallien – zur Verdrängung des Aspekts der freudigen Erwartung des Erlösers auch in der römischen Liturgie führte.[7]

Einzug Jesu in Jerusalem

In der Schwedischen Kirche hat der 1. Sonntag im Advent die liturgische Farbe Weiß, was den festlichen Charakter des Tages unterstreicht.[8] (Vaxholms kyrka, 2008)

Mt 21,1–9 Lut war Lesungstext zunächst an einem, spätestens seit dem 7. Jahrhundert aber am ersten Sonntag im Advent.[9] Diese Zuordnung war im Spätmittelalter allgemein bekannt; es gab Perikopenbücher (Plenarien) in den Volkssprachen, zum Teil mit predigtartigen Ergänzungen. Das wurde von den Reformatoren aufgenommen.[10]

Damit Mt 21,1–9 zum Advent passte, wurde die Fortsetzung der Handlung (Gefangennahme, Kreuzigung, Tod und Auferstehung) weggeblendet und nur das Motiv des Einzugs in Jerusalem betrachtet. Die geistliche Auslegung auf das Individuum lieferte weitere für die Adventsfrömmigkeit wichtige Impulse.[10] Jesus Christus kommt als „sanftmütiger“ König zur christlichen Gemeinde und zu jedem Christen persönlich.[11] Mehrere evangelische Adventslieder entfalten diese Gedanken (Beispiel: Dein König kommt in niedern Hüllen).

Proprium des 1. Sonntags im Advent

Am 2. Dezember 2018 wurde in der EKD die neue „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ (OGTL) eingeführt. Das neue Lektionar trifft für den 1. Advent folgende Auswahl aus Bibel und Gesangbuch:

Der 1. Sonntag im Advent ist dadurch aus der Reihe der Adventssonntage hervorgehoben, dass an ihm noch einmal das Gloria in excelsis gesungen wird.[12]

Lesejahr Predigttext Lesejahr Predigttext
I Mt 21,1–11 LUT IV Jer 23,5–8 LUT
II Röm 13,8–12 LUT V Offb 3,14–22 LUT
III Sach 9,9–10 LUT VI Ps 24,1–10 LUT

Lutherische Liturgie im englischen Sprachraum

In den überwiegend englischsprachigen nicht-katholischen Kirchen, die dem Revised Common Lectionary folgen, das gemeinsam von Katholiken, Anglikanern und Lutheranern verantwortet wurde, entsprechen die Lesungen des 1. Advents der katholischen Leseordnung (siehe unten).

Der Introitus zum 1. Advent Ad te levavi in einem Missale von 1520 – in der Initiale A die Darstellung von König David

Das gilt auch für die meisten Kirchengemeinden der Missouri-Synode. Hier wird alternativ ein historisches, einjähriges Lektionar gebraucht. Der 1. Sonntag im Advent wird in diesem Lektionar auch mit seinem lateinischen Namen Ad te levavi bezeichnet. Dies sind die ersten Worte der Antiphon zum Introitus (Ps 24,1–3 VUL). Der Sonntag hat folgendes Proprium:[13]

Katholische Liturgie

Der Introitus Ad te levavi in einem Graduale des 16. Jahrhunderts

In der Liturgie der römisch-katholischen Kirche beginnt das Kirchenjahr mit der 1. Vesper am Vorabend des ersten Adventssonntags (Dominica prima Adventus, früher Dominica prima de Adventu). Im Advent werden in der Regel violette Paramente getragen, in der heiligen Messe wird auf das Gloria verzichtet.

Das Missale Romanum von 1570 sah die alte Leseordnung mit dem Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem nicht mehr vor, jedoch behielten einige deutsche Diözesen die ältere Ordnung auch jetzt noch zunächst bei. Deshalb enthält der Gedichtband Geistliches Jahr von Annette von Droste-Hülshoff zum ersten Advent ein Gedicht über den Einzug Jesu in Jerusalem.[14]

Mehrere Teile des Propriums der heiligen Messe am ersten Adventssonntag entstammen dem Ps 25 EU, so die Antiphon zum Introitus mit dem Incipit Ad te levavi, der Antwortpsalm nach der 1. Lesung und bis zur Liturgiereform von 1970 auch das Offertorium. Die Lesungstexte in der heiligen Messe sind eschatologisch geprägt und bringen die Erwartung der verheißenen messianischen Heilszeit zum Ausdruck, die im christlichen Verständnis mit der Geburt Jesu beginnt und mit der Parusie des Menschensohnes und der Verwandlung der Schöpfung in einen neuen Himmel und eine neue Erde (Offb 21 EU) endet. Seit der Liturgiereform von 1970 korrespondiert das Christkönigsfest mit dem 1. Advent; es wurde im Zuge der Reform vom letzten Sonntag im Oktober auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres, den Sonntag vor dem 1. Advent, verlegt und steht im Zeichen des als König wiederkommenden Christus. „Der erhöhte Herr und König [ist] Zielpunkt nicht nur des Kirchenjahres, sondern unserer irdischen Wanderschaft überhaupt, ‚derselbe gestern und heute und in Ewigkeit‘ (Hebr 13,8 EU), ‚das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende‘ (Offb 22,13 EU).“[15]

Die Grundordnung des Kirchenjahres sagt: „Die Adventszeit hat einen doppelten Charakter: sie ist einerseits Vorbereitungszeit auf die weihnachtlichen Hochfeste mit ihrem Gedächtnis des ersten Kommens des Gottessohnes zu den Menschen. Anderseits lenkt die Adventszeit zugleich durch dieses Gedenken die Herzen hin zur Erwartung der zweiten Ankunft Christi am Ende der Zeiten. Unter beiden Gesichtspunkten ist die Adventszeit eine Zeit hingebender und freudiger Erwartung.“[16]

Leseordnung
Lesejahr 1. Lesung 2. Lesung Evangelium
A Jes 2,1–5 EU Röm 13,11–14a EU Mt 24,37–44 EU
B Jes 63,16b–17.19b EU, 64,3–7 EU 1 Kor 1,3–9 EU Mk 13,33–37 EU
C Jer 33,14–16 EU 1 Thess 3,12–13 EU, 4,1–2 EU Lk 21,25–28.34–36 EU

Mit dem Beginn eines neuen Kirchenjahres am ersten Adventssonntag gingen wiederholt Neuerungen in der Liturgie einher:

  • Am ersten Adventssonntag 1969, dem 30. November, trat die vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossene Erneuerung der Liturgie der heiligen Messe in Kraft.[17]
  • Am ersten Adventssonntag 2013, dem 1. Dezember, begann im deutschen Sprachraum die Einführung der Neuausgabe des Gebet- und Gesangbuchs Gotteslob, das die alte Ausgabe von 1975 ablöste.

Datum

Der 4. Adventssonntag ist immer der Sonntag vor dem 25. Dezember. Daraus ergibt sich, dass der 1. Sonntag im Advent frühestens auf den 27. November und spätestens auf den 3. Dezember fällt, im letzteren Fall ist der 4. Adventssonntag mit Heiligabend identisch.

Jahr Datum
2020 29. November
2021 28. November
2022 27. November
2023 03. Dezember
2024 01. Dezember
2025 30. November
2026 29. November

Literatur

  • Karl-Heinrich Bieritz: Das Kirchenjahr: Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart. C. H. Beck, München 2005.
  • Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18–25) (=Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament. Band I/3). Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1997. ISBN 3-7887-1580-4.

Einzelnachweise

  1. a b Karl-Heinrich Bieritz: Der Gottesdienst im Kirchenjahr: 1. Sonntag im Advent. In: Evangelisches Gottesdienstbuch: Ergänzungsband. S. 152.
  2. Prædikentekst til 1. søndag i advent. In: Kristendom.dk. Abgerufen am 28. November 2018.
  3. Första söndagen i advent. Svenska kyrkan, 23. November 2018, abgerufen am 26. November 2018 (schwedisch): „Liturgisk färg: Vit. Byte till violett/blå efter kl 18.“
  4. Advent. In: Evangelical Lutheran Church of Finland. Abgerufen am 28. November 2018 (englisch): „The First Sunday of Advent has a special place in the hearts of many Finns, and services on this day are among the best attended. Vogler’s famous hymn Hoosianna is sung everywhere, and we hear the Gospel of Christ’s entry into Jerusalem, which challenges us to reflect on the place we make for Christ in our lives. The liturgical colour is white. On the Monday after the First Sunday of Advent, the liturgical colour changes to purple or blue, and a penitential season of preparation begins.“
  5. Kirikukalender. In: EELK. Abgerufen am 28. November 2018.
  6. Im Capitulus Evangeliorum (645–755 n. Chr.) ist die Perikope für den ersten von vier Sonntagen ante Natale verzeichnet. (Hansjörg Auf der Maur: Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr. Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0788-4 (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, hrsg. von Hans Bernhard Meyer, Teil 5), S. 182f., gestützt auf Theodor Klauser: Das römische Capitulare Evangeliorum. Texte und Untersuchungen zu seiner ältesten Geschichte. 1: Typen. Münster 1935, S. 13–46.)
  7. Adolf Adam: Das Kirchenjahr mitfeiern. Herder Verlag, Freiburg/Basel/Wien 1979. S. 110.
  8. Första söndagen i advent. Svenska kyrkan, 23. November 2018, abgerufen am 26. November 2018 (schwedisch): „Liturgisk färg: Vit. Byte till violett/blå efter kl 18.“
  9. Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18–25). 1997, S. 190.
  10. a b Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18–25). 1997, S. 193.
  11. Martin Luther: Adventspostille. In: WA 10. 1. 2. Band. 1522, abgerufen am 26. November 2018: „Da sihe tzu : Er reyttet nit auff eynem hengst, das ehn kriegisch thier ist, kompt nit yn schrecklicher pracht und gewalt, ßondern sitzt auff eynem Esell, wilchs da ist eyn unstreyttig thier, nur tzur last und erbyt bereyt dem menschen tzu helffen, das er antzeyge, wie er komme, den menschen nitt tzu schrecken noch tzu treyben oddcr unterdrucken, ßondern tzu helffen, seyne last tragen unnd auff sich nehmen.“
  12. Karl-Heinrich Bieritz: Das Kirchenjahr: Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart. 2005, S. 207.
  13. Lectionary Series (Scripture Readings). (Hrsg.): The Lutheran Church, Missouri Synod. 23. August 2018 (englisch)
  14. Ansgar Stolte: Liturgische Quellen im Bistum Osnabrück: Studien zur ortskirchlichen Rezeption des römischen Ritus. Friedrich Pustet, Regensburg 2013, ISBN 978-3-7917-2543-7, S. 154.
  15. Adolf Adam: Das Kirchenjahr mitfeiern. Herder Verlag, Freiburg/Basel/Wien 1979. S. 148.
  16. sbg.ac.at: Grundordnung des Kirchenjahres und des Neuen Römischen Generalkalenders , Nr. 39.
  17. Papst Paul VI.: Apostolische Konstitution „Missale Romanum“ vom 3. April 1969, [1]