Zwergohreulen

Zwergohreulen

Afrika-Zwergohreule (Otus senegalensis)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Eulen (Strigiformes)
Familie: Eigentliche Eulen (Strigidae)
Gattung: Zwergohreulen
Wissenschaftlicher Name
Otus
Pennant, 1769

Die Zwergohreulen (Otus) sind eine Gattung der Eigentlichen Eulen (Strigidae). Diese enthält etwa 50 Arten, die in der Paläarktis, der Afrotropis, der Orientalis, in der indo-malaiischen Faunenregion und mit einer Art auch in der nördlichsten Australis vorkommen. Die größte Artenvielfalt besteht in der indomalaiischen Region, wo sich sehr viele Inselarten herausgebildet haben. Im südlichen Mitteleuropa lebt nur die namengebende Zwergohreule (Otus scops). Sie ist unter den Eigentlichen Eulen der einzige obligate Langstreckenzieher.

Merkmale

Zwergohreule (Otus scops)

Eulen der Gattung Otus sind kleine bis mittelgroße Vögel mit maximal 28 Zentimetern Körperlänge. Die kleinsten Arten wiegen um die 50 g, die schwersten etwas über 300 Gramm.[1]

Sie sind unauffällig, meist rindenfarben graubraun oder braun gefärbt; die Bauchseite ist bei vielen Arten deutlich dunkel längsgestrichelt. Einige Arten zeigen unterschiedliche (meist rötlichbraune oder graubraune) Farbmorphen. Die bei allen Arten vorhandenen Federohren stehen weit auseinander; bei einigen Arten enden sie stumpf, sodass der Kopf ein gehörntes Aussehen erhält. Die Federohren sind je nach Art unterschiedlich lang und werden häufig angelegt, sodass einige Arten als ohrlos bezeichnet werden. Alle Zwergohreulen weisen einen Gesichtsschleier auf, dessen Randbegrenzung meist deutlich ist. Bei einigen Arten sind die Beine bis zu den Zehen befiedert, bei anderen hingegen weitgehend federlos.

Die meisten Zwergohreulen sind nachtaktive Jäger großer Fluginsekten. Wirbeltiere wie Mäuse, Spitzmäuse, Vögel, Reptilien und Amphibien werden seltener und nur von den größeren Arten regelmäßig erbeutet, spielen aber als Gelegenheitsbeute bei allen Arten eine gewisse Rolle. Einzelne Arten haben sich auf nächtlich jagende Geckos spezialisiert.

Die meisten Zwergohreulen sind Standvögel. Außer der Eurasischen Zwergohreule, bei der die meisten Populationen obligate Fernzieher sind, ziehen auch die nördlichen Populationen der Streifen-Zwergohreule (Otus brucei), der Japan-Zwergohreule (Otus semitorques) sowie jene der Orient-Zwergohreule (Otus sunia). Kleinräumige Wanderungen sowie vertikale Ausgleichsbewegungen werden aber auch von anderen Arten berichtet.

Soweit bekannt sind Zwergohreulen überwiegend Höhlenbrüter; sie nutzen Natur- oder Spechthöhlen als Nistgelegenheit. Bei wenigen Arten sind Bruten in Gebäuden sowie die Verwendung von Greifvogel- oder Krähennestern als Nistunterlage bekannt.

Verbreitung

Regionen mit der größten Artenvielfalt
Mehr als 80 Prozent aller Arten von Zwergohreulen brüten in diesen Bereichen

Zwergohreulen sind in Afrika mit Ausnahme der Wüstengebiete und des Regenwaldgürtels, im südlichen Europa sowie in Zentral-, Süd- und Südostasien verbreitet. Die Gattung fehlt in Zentral- und Nordeuropa sowie weitgehend in der borealen Zone Asiens. Am weitesten nach Norden dringen die Eurasische Zwergohreule und die Orient-Zwergohreule vor, deren nördlichste Siedlungsräume am Südrand der Taiga, beziehungsweise in flussbegleitenden Gehölzen auf Sachalin liegen. In Nord- und Südamerika ist die Gattung Otus nicht vertreten, auch in Australien brüten keine Eulen der Gattung Otus.

Viele Arten sind in sehr kleinen Gebieten oder auf Inseln endemisch. Sehr große, zusammenhängende Areale werden von der Eurasischen Zwergohreule (Otus scops), der Orient-Zwergohreule (Otus sunia), der Streifen-Zwergohreule (Otus brucei), der Halsband-Zwergohreule (Otus lettia), der Indien-Zwergohreule (0tus bakkamoena) und der Afrika-Zwergohreule (Otus senegalensis) bewohnt.

Die Lebensräume der Zwergohreulen sind sehr vielfältig; locker baumbestandene Landschaftsstrukturen unterschiedlichster Art scheinen für die meisten Arten dieser Gattung jedoch am attraktivsten zu sein. Einige Arten bevorzugen trockene Habitate und dringen bis in die Randgebiete von Wüsten vor. Die ostasiatischen Zwergohreulen dagegen sind auch Bewohner tropischer Wälder. Aber auch diese meiden meist dichte Waldbestände und bevorzugen offene Waldregionen, Störzonen nach Holzeinschlag, Bränden oder Sturmereignissen, sowie die Randgebiete der Wälder. Auch flussbegleitende Gehölze werden von vielen tropischen Arten bevorzugt besiedelt. Häufig werden auch stark anthropogen gestaltete Landschaftsstrukturen wie Kautschuk- oder Obstplantagen, Friedhöfe oder große Parks als Lebensräume genutzt. Für einige Arten bilden auch die Kokospalmensäume entlang der tropischen Küsten geeignete Lebensräume.

Arten der Gattung Otus kommen sowohl in Tieflandgebieten als auch in montanen Regionen vor. So brütet zum Beispiel die Manado-Zwergohreule (Otus manadensis) in Parkanlagen und in den Randbereichen vieler Küstenstädte Sulawesis ebenso wie in den Bergnebelwäldern in Höhen von über 2500 Metern.[2]

Systematik

Nach herrschender Auffassung umfasst die Gattung Otus über 50 Arten. Bei einigen Inselarten des Sundaarchipels und der Komoren ist der Artstatus unklar.

Gemeinsam mit den Gattungen Megascops, Macabra, Pyrroglaux, Gymnoglaux, Psiloscops und Mimizuku bildet Otus innerhalb der Unterfamilie Striginae die Tribus Otini. Die monotypischen Gattungen Pyrroglaux, Gymnoglaux, Mimizuku sowie die beiden Arten der neuen Gattung Ptilopsis wurden erst kürzlich von Otus getrennt.[3] Die Trennung der Gattung Mimizuku von Otus wurde 2011 durch eine genetische Studie[4] revidiert und die Rotohreule 2012 von der International Ornithological Union in die Gattung Otus zurückgestellt.[5] Auch die früher den Zwergohreulen zugeordneten Kreischeulen der Nearktis und Neotropis sind genetisch bereits weit von der Gattung Otus getrennt[6] und werden in der Gattung Megascops zusammengefasst.

Die Ponderosa-Zwergohreule (Otus flammeolus), die nach Abtrennung von Megascops als der einzige nearktische Vertreter der Zwergohreulen gilt, ist nach neuesten DNA-Untersuchungen weder mit Otus noch mit Megascops sehr nahe verwandt. Für sie schlagen König & Weick den Gattungsnamen Psiloscops vor.[7] Einige, in der geltenden Systematik als Unterarten der Indien-Zwergohreule (Otus bakkamoena) gelistete Taxa erhalten bei König & Weick Artstatus.

Aktuell werden die folgenden 60 Arten (inklusive von 3 ausgestorbenen) zur Gattung Otus gezählt[8]:

Bestandsverhältnisse und Gefährdung

Die Bestandsverhältnisse vieler Arten dieser Gattung sind sehr schwer zu beurteilen. Die Mehrzahl der Arten bewohnt kleine Gebiete oder Inseln und kommt dementsprechend nur in geringer Individuenzahl vor, sodass bei manchen trotz zurzeit stabiler Bestandsverhältnisse ein erhöhtes Bedrohungspotential besteht. Die wachsende Bevölkerung engt den Lebensraum der Arten ein, zusätzlich sind vor allem die ostasiatischen Zwergohreulen und jene der Komoren durch den vielerorts völlig unkontrolliert fortschreitenden Holzeinschlag sowie durch die Umwandlung von Primärwäldern in Plantagen bedroht. Über sehr viele dieser Arten ist sehr wenig bekannt; insbesondere fehlen für viele der möglicherweise bedrohten Arten verlässliche Angaben zur Brutbiologie und Ernährungsweise fast völlig, sodass auch die Grundlagen wirkungsvoller Schutzmaßnahmen kaum bestehen.

Von den bei BirdLife International gelisteten 54 Arten sind 24 in keiner Gefährdungsstufe. 13 Arten befinden sich auf der Vorwarnliste (near threatened) und 17 Arten werden in den Gefährdungsstufen gelistet, davon 3 als „vom Aussterben bedroht“ (critically endangered).[8]

Vom Aussterben bedroht sind nach BirdLife International folgende Arten:

  • Annobón-Zwergohreule
  • Seychellen-Zwergohreule
  • Siau-Zwergohreule (Otus siaoensis): Diese Art ist nur von einem Balg bekannt. Es bestehen keine Lebendbelege. Auf Siau, einer kleinen Vulkaninsel nördlich von Sulawesi, schreitet die Entwaldung sehr rasch fort, sodass die möglichen Lebensräume dieser Eule hochgradig gestört sind und in ihrer Ausdehnung rapide abnehmen. Wenn die Siau-Zwergohreule nicht bereits ausgestorben ist, ist sie zumindest sehr selten.[11]

Literatur

Commons: Otus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. König & Weick (2008) S. 233–280
  2. König & Weick (2008) S. 273
  3. König & Weick (2008) S. 52; 233–279
  4. Hector C. Miranda Jr. Daniel M. Brooks, and Robert S. Kennedy: Phylogeny and Taxonomic Review of Philippine Lowland Scops Owls (Strigiformes): Parallel Diversification of Highland and Lowland Clades In: The Wilson Journal of Ornithology 123(3):S. 441–453. 2011
  5. IOC World Bird Names Version 2.11 (Memento vom 13. Mai 2007 im Internet Archive)
  6. König & Weick (2008) S. 56 und 233
  7. König & Weick (2008) S. 280
  8. a b Übersicht der IUCN
  9. Avibase Sunda Scops-Owl (cnephaeus), aufgerufen am 17. Juni 2020
  10. Avibase Sulawesi Scops-Owl (kalidupae), aufgerufen am 17. Juni 2020
  11. König & Weick (2008) S. 265