Wanderarbeitsstätte

Bei einer Wanderarbeitsstätte handelte es sich im 19. und dem frühen 20. Jahrhundert um eine Einrichtung für umherziehende obdachlose Menschen, in der sie gegen Arbeit versorgt und beherbergt wurden.[1]

Hintergrund

Diese kommunalen und kirchlichen Einrichtungen (letztere hießen meist „Herbergen zur Heimat“) gaben Obdachlosen die Möglichkeit, umherzuziehen und gegen Arbeit eine sichere Versorgung zu genießen. Im Gegenzug hatten Bettelverbote und andere Gesetze gegen Landstreicherei weiterhin Bestand, die es den Obdachlosen untersagten, zu betteln oder in den Ortschaften herumzulungern.[2] Am 29. Juni 1907 wurde in Preußen ein eigenes Wanderarbeitsstättengesetz erlassen, in dem Stadt- und Landkreise zur Errichtung dieser Arbeitsstätten verpflichtet werden konnten.[3]

„Wanderarbeitsstätten haben die Aufgabe, mittellosen arbeitsfähigen Männern, die außerhalb ihres Wohnortes Arbeit suchen, solche zu vermitteln und gegen Arbeitsleistung Beköstigung und Obdach zu gewähren. Zur Errichtung von Wanderarbeitsstätten können Land- und Stadtkreise […] verpflichtet werden. […] Zur Mitwirkung bei der Verwaltung und zur Hergabe geeigneter Räumlichkeiten für die Wanderarbeitsstätten sind die Gemeinden gegen angemessene Entschädigung verpflichtet“

Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts[4]

Es handelte sich meist um Einrichtungen mit schlechten Arbeitsbedingungen, die vom Einsatz der Umherziehenden als Arbeitskräfte profitierten. So gab es beispielsweise 1911 in Göttingen eine Wanderarbeitsstätte auf dem Grundstück des Armenhauses in der im Gründungsjahr 3622 Männer verpflegt wurden. Als Arbeitsleistung mussten sie einen halben Tag lang Holz zerkleinern.[5]

In Hannover gab es seit 1879 einen von Pastor Wilhelm Höpfner und einigen Bürgern gegründeten „Verein gegen Hausbettelei“, der inmitten der Stadt eine so genannte „Wanderarbeitsstätte“ betrieb. Diese war die erste Einrichtung in der damaligen Provinz Preußen, die ein „Werkheim für Arbeitswillige“ bereitstellte.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Karl Mauve, R. v. Groening: Das Wanderarbeitsstättengesetz vom 29. Juni 1907. Heymann, Berlin 1. Januar 1909, OCLC 249898256.
  • Jürgen Scheffler (Hrsg.): Bürger & Bettler. Materialien und Dokumente zur Geschichte der Nichtseßhaftenhilfe in der Diakonie, Band 1, 1854 bis 1954, Bielefeld 1987.

Einzelnachweise

  1. Hilfe für Menschen in Wohnungsnot. esb-bottrop.de, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. Januar 2015; abgerufen am 17. August 2015 (siehe „Arbeiterkolonien“ oder „Herbergen zur Heimat“).
  2. Zur strafrechtlichen Verfolgung von Bettlern und Landstreichern vgl. Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874–1949)., Kassel 1992.
  3. Friedrich von Bodelschwingh: Das Wanderarbeitsstättengesetz und zwei Paragraphen des deutschen Reichsgesetzes. Bethel b. Bielefeld 1. Januar 1907, OCLC 252341121.
  4. Robert Zelle, Kurt Gordan, Rudolf Korn, W. Lehmann: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-40011-1, S. 452 (books.google.de).
  5. Jürgen Schallmann: Arme und Armut in Göttingen 1860–1914 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen. Band 25). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-647-85427-4, S. 120.
  6. Der Trägerverein. In: whhannover.de. Werkheim Hannover, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Oktober 2015; abgerufen am 17. August 2015.