Unterwelt

Unterwelt ist die bildhafte Vorstellung einer jenseitigen Welt, die in den Mythen vieler Kulturen vorkommt und ein Reich der Toten („Totenreich“, „Totenwelt“) bezeichnet. Ursprünglich bezeichnete Unterwelt alles, ‘was sich unter der Erdoberfläche befindet‘, unter anderem die ‚dort gedachte Totenwelt’ der griechischen Mythologie.

Abgeleitet vom englischen Underworld etablierte sich in der deutschen Sprache um die 1920er Jahre auch der Ausdruck Unterwelt für sogenannte „asoziale Schichten von Kriminellen, Verbrecherwelt[1] und bezeichnet in der Gegenwartssprache ein zwielichtiges Milieu von Berufsverbrechern, besonders in Großstädten.[2]

Einordnung

Der Begriff der Unterwelt stand ursprünglich für die durchaus räumliche Vorstellung eines Ortes, der unterhalb der normal zugänglichen Welt angesiedelt ist (bezogen auf die Vorstellung der Erde als Scheibe), dann zunehmend für einen Ort außerhalb der Welt der Sterblichen, an dem besondere Wesen und auch die Geister der Verstorbenen (daher auch oft die Bezeichnung „Totenreich“ oder „Reich des Todes“) vermutet wurden. In dieser Begriffsvariante handelt es sich um ein Vorläuferkonzept späterer Jenseits-Vorstellungen. Neben den kulturspezifischen Aspekten gibt es auch kulturübergreifende, so gibt es meist einen Herrscher oder ein Herrscherpaar aus einem Göttergeschlecht, der ihr vorsteht. Die Götter der Unterwelt werden zuweilen auch als die chthonischen Mächte (von griechisch chthon, Erde) bezeichnet.

Die Unterwelt ist der Wohnort der Todes- und Unterweltgottheiten. Hierher gelangen die Verstorbenen, meist von Seelenführer oder Fährmann geleitet, über das Grenzwasser. Im Westen, jenseits des Ozeans, wo die Sonne untergeht, wird der Eingang zur Unterwelt vermutet. Bewacht durch dämonische Wesen erlaubt sie den Eintritt nur den Toten und verbietet ihn für Lebende.

In manchen Kulturen ist die Unterwelt ein öder und finsterer, dennoch moralisch unbewerteter Aufenthaltsort. In einigen Religionen entwickelte sich dagegen die Vorstellung von einer grauen- und qualvoll ausgestalteten Hölle und dem Wohnsitz des Bösen.

Die Analytische Psychologie in der Tradition Carl Gustav Jungs bringt die Unterwelt in Zusammenhang mit dem sog. Mutterarchetyp.

Der antonymische Begriff ist die Oberwelt (Himmel). Laut Mircea Eliade werden beide häufig über den Weltenbaum verbunden vorgestellt.[3]

Mythologie

Griechische Mythologie

In der griechischen Mythologie wird die Unterwelt so beschrieben: Ihr Herrscher ist der Gott Hades (römisch: Pluto), sie heißt selber auch der Hades. Hades’ Gattin ist Persephone. Mit Hilfe des Fährmannes Charon kann der Fluss Styx, der Ober- und Unterwelt voneinander trennt, überquert werden. Der dreiköpfige Höllenhund Zerberus bewacht den Eingang und sorgt dafür, dass kein Lebender den Hades betritt und kein Toter ihn verlässt.

Die Totenrichter Minos, Rhadamanthys und Aiakos sitzen (nach späteren Vorstellungen) über die Seelen zu Gericht. Die meisten gehen in die von der Lethe (Strom des Vergessens) umflossenen elysischen Gefilde ein, wo sie als Schatten schmerzlos fortwesen oder auch in ewiger Glückseligkeit leben. (Nach einer anderen, mindestens ebenso alten Vorstellung befand sich das Elysion in weiten Fernen jenseits des Okeanos, auf den Inseln der Seligen.) Die Frevler aber werden in den Tartaros gestoßen, die tiefste Region, die von unheimlichen Gestalten bewohnt wird. Diejenigen, die Verfehlungen gegen die Götter begangen haben, sollen hier ewige Qualen erleiden. Der Bereich ist von einer ehernen Mauer und dem flammenden Fluss Pyriphlegeton umgeben und dient Zeus als Gefängnis für Missetäter und Gottesfrevler (z. B. Tantalos, Sisyphos).

Nordische Mythologie

Die Begriffe Niflheim und Helheim bezeichnen die Unterwelt in der nordischen Mythologie. Hier herrscht die Göttin Hel, die allerdings nie handelnd in Erscheinung tritt und auch erst spät personifiziert wurde. Ihr Reich ist von einem Fluss umgeben, über den eine goldene Brücke führt. Die Riesin Modgudur bewacht die Brücke und befragt die Ankömmlinge nach Namen und Geschlecht, nach anderen der Helhund Garm. Erst danach und der Überwindung des eisernen Zauns erreicht die verstorbene Seele das Reich Helheim. Helheim ist dabei kein Ort der Strafe, sondern ein Aufenthaltsort der Toten, die an Krankheit oder Altersschwäche (den „Strohtod“ im Bett bzw. Strohlager) gestorben sind. Als Strafort innerhalb Helheims wird in der Edda der Náströnd geschildert. Die meisten dieser Vorstellungen sind allerdings bereits christlich beeinflusst oder reflektieren griechische Elemente (Höllenhund Garmr/Kerberos, Höllenfluss Gjoll/Styx usw.) Die Hel der vorchristlichen Germanen war hingegen kein Ort der Verdammtem, nur der dunkle, neblige Ort der Toten, wo sie so ähnlich wie im Diesseits weiterlebten, jedoch nicht zurückkehren konnten (daher die wachende Riesin Modgudur vor dem Höllentor Helgrind). Auch Walhalla als Ort der gefallenen Helden kam erst später hinzu, und es gab diesen Ort ohnehin nur in der Vorstellung der Nordgermanen.[4]

Finnische Mythologie

In der finnischen Mythologie wird die Unterwelt Tuonela am eingehendsten im EposKalevala“ beschrieben. Sie wird von Tuoni und Tuonetar beherrscht.

Totengötter anderer Kulturen

Die Unterwelt in der Literatur

Die Unterwelt bzw. Unterweltsfahrten wurden auf vielfältigste Weise in der Literatur eingesetzt. Die Ursprünge dieser literarischen Höllenfahrten teilweise im Descensus Christi sowie in antiken literarischen Vorlagen wie der Katabasis (von altgriechisch καταβαίνειν katabaínein, deutsch ‚hinabgehen‘) des Odysseus, welche u. a. Vergil als Vorlage diente. Beispiele für die literarische Verarbeitung von Unterwelts- oder Höllenfahrten:

Siehe auch

Wiktionary: Abyssus [2] – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Totenreich – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Unterwelt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen nach Pfeifer, online auf DWDS, abgerufen am 28. Februar 2012
  2. Unterwelt, die, duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012
  3. Mircea Eliade: Ewige Bilder und Sinnbilder. (Insel Taschenbuch) Insel, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-458-34212-5, S. 42 f.
  4. Wolfgang Golther: Handbuch der germanischen Mythologie, 3. Aufl. Magnus-Verlag, Kettwig 1987, OA 1908, ISBN 3-88400-111-6, S. 471–478.