Hilfsarbeitskraft

Hilfsarbeitskraft, Aushilfskraft, Ungelernter, Hilfsarbeiter, Gehilfe, Helfer oder Handlanger, historisch Handlungsdiener oder Spannmann, bildungsstatistisch Geringqualifizierter, ist eine Berufsbezeichnung für eine Arbeitskraft ohne (branchenspezifische) Berufsausbildung, die Hilfstätigkeiten verrichtet. Sie stellt die niedrigste berufliche Klasse nach Berufbildungsabschluss dar.

Geschichte

Der Begriff des Hilfsarbeiters im Speziellen entwickelt sich erst in der Industriellen Revolution, während man vorher nur von Handlanger für Gelegenheits-Hilfskräfte sprach, sonst aber in den strengen Zunftordnungen kein Platz für Ungelernte war. Im hauswirtschaftlichen Bereich einschließlich Landwirtschaft sprach man von Gesinde für alle Hilfskräfte. Der Handlungsgehilfe entwickelt sich im kaufmännischen Sektor.

Da es keine Regelung – und damit auch keine Rechtsschutz – für Ungelernte gab, trat hier die tatsächliche Ausbeutung der Arbeiterschaft, die dann die Entwicklung des Sozialismus hervorrief, besonders stark hervor. So wurde dann beispielsweise erst in der nachrevolutionären österreichischen Gewerbeordnung 1859[1] – die bis heute gültig ist – der Begriff des Hilfsarbeiters bzw. des gewerbliches Hilfspersonals nicht nur definiert, sondern auch Rechte und Pflichten im „Verhältnisse zwischen den selbstständigen Gewerbetreibenden und ihren Hilfsarbeitern“ festgesetzt. Danach umfasst der Begriff im Besonderen:

a) Gehilfen (Handlungsgehilfen, Gesellen, Kellner, Kutscher bei Fuhrgewerben und dergl.);
b) Fabriksarbeiter;
c) Lehrlinge;
d) jene Arbeitspersonen, welche zu untergeordneten Hilfsdiensten beim Gewerbe verwendet werden

„Hilfsarbeiter“ im höheren Dienst

Früher verwendete man den Ausdruck auch für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, eine wissenschaftliche Hilfskraft, eine studentische Hilfskraft an einer Hochschule, juristische Hilfsarbeiter an obersten Bundesgerichten (einschließlich Bundesverfassungsgericht), z. B. Wissenschaftliche Hilfskraft (BGH) in Deutschland oder in der deutschen Bundesanwaltschaft, bei Behörden wurde die Bezeichnung für Angehörige des höheren Justiz- und Verwaltungsdienstes verwendet, die zur Vorbereitung ihrer Beförderung bei übergeordneten Behörden erprobt wurden (etwa in Deutschland 3. Staatsexamen bei Richtern und höheren Verwaltungsbeamten).

In Preußen und dem Deutschen Reich war „Hilfsarbeiter“ die Amtsbezeichnung für probeweise auf einem höheren Dienstposten oder zur Unterstützung eines planmäßigen Referenten oder Abteilungsleiters verwendeten Verwaltungsbeamten im Höheren Dienst.[2]

Alle diese Berufsfunktionen fallen heute nicht mehr unter den Begriff Arbeiter und die genannten Berufe auch nicht mehr unter den Begriff der Hilfsberufe. Dasselbe gilt für die Personen, die in Ausbildung stehen, oder facheinschlägige Praktikanten.

Heutige Begriffe

Heute versteht man bildungswissenschaftlich:

  • unter Geringqualifizierter jeden Arbeitnehmer, der keinen Berufsabschluss hat (also auch Ausbildungsabbrecher)
  • unter Ungelernter speziell Menschen, die nur mit ISCED-Level 1,2,3A,3C (Grundbildung, Sekundarbildung) abgeschlossen haben, aber keinerlei Beruf gelernt haben

Da bei Bildungsstatistiken die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung (On-the-Job-Berufsbildung) nicht erfasst wird, spricht man in diesem Zusammenhang von formal gering qualifiziert – darunter können auch Gutverdiener fallen (vgl. Self-made man).

Als berufliche Funktion:

  • unter Hilfsarbeitskraft Personen ohne fachliche Vorbildung, die innerbetrieblich angelernt werden. Diese Berufe sind heute – zumindest in den Industrienationen – allesamt kollektivvertraglich mit einem Mindestlohn festgesetzt, und in der Sozialversicherung den anderen Berufen gleichgestellt[3]
  • unter Aushilfstätigkeiten Arbeitsverhältnisse, in denen Ungelernte oder Hilfsarbeitskräfte tätig sind, oft befristet, und oft ohne jegliche bzw. nur marginaler innerbetrieblicher Ausbildung (etwa insbesondere bei Leiharbeit)
  • unter Produktionshelfer Hilfsarbeiter, die im automatisierten Herstellungsprozess tätig sind.
  • unter Tagesaushilfe Personen, die je nach Tagesbedarf vom Arbeitgeber eingesetzt werden, z. B. als Wochenendaushilfe in der Gastronomie. Bei Verträgen mit Tagesaushilfen ist zwischen der Rahmenvereinbarung für künftige Arbeitseinsätze und dem befristeten Arbeitsvertrag für die Tagesarbeit zu unterscheiden, denn eine Tagesaushilfe steht nicht bereits auf Grund der mit ihr abgeschlossenen Rahmenvereinbarung in einem dauerhaften Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber (vgl. BAG, 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01).[4]

Moderne Stichwörter in diesem Zusammenhang sind Niedriglohn, Minijob und McJob.

Heutige nationale Berufsbezeichnungen

  • Deutschland: Anlernberufe
  • Österreich: Hilfsberufe und Aushilfskräfte (Berufe mit Kurzausbildung)
  • Schweiz: ungelernte/r Arbeiter/in und angelernte/r Arbeiter/in in anerkanntem Anlernberuf

Gering Qualifizierte im europäischen Vergleich

Struktur der formalen Bildung der 25- bis 64-jährigen Wohnbevölkerung in ausgewählten Ländern Europas, in % (nach ISCED-Level)
Land ISCED 1–3 ohne Zuordnung ISCED 3B, 3C lang, 4 ISCED 3A ISCED 5B ISCED 5A, 6
(formal gering Qualifizierte) (Berufs-
abschluss
)
(allgemein-
bildender A.
)
(Berufs-
qualifikation
(1)
(Hochschul-
abschluss
)
Belgien Belgien 35 10 24 17 13
Danemark Dänemark 18 45 05 08 20
Deutschland Deutschland 16 56 02 10 15
Frankreich Frankreich 35 31 10 10 14
Finnland Finnland 23 00 43 17 17
Irland Irland 37 10 24 11 17
Italien Italien 52 09 28 11
Luxemburg Luxemburg 37 24 15 09 13
Niederlande Niederlande 29 20 22 02 26
Norwegen Norwegen 11 44 12 02 30
Osterreich Österreich 20 56 06 09 09
Polen Polen 50 04 31 16
Portugal Portugal 75 01 12 13
Schweiz Schweiz 17 48 06 10 18
Slowakei Slowakei 16 36 36 01 12
Spanien Spanien 55 06 12 07 19
Schweden Schweden 17 00 48 15 19
Tschechien Tschechien 11 43 33 12
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Kgr. 35 21 15 09 20
Quelle: OECD, Stand 2004.[5]
(1) 
tertiäre, nicht hochschulische Bildung
Nicht erfasst sind in solchen ISCED-Beurteilungen über die Berufsqualifikation Personen, die sich innerberuflich weiterbilden (On-the-job-Bildung), sie stellen nur die Rolle des Schulsystems in der Bildungsqualifikation dar.

Literatur

  • H. Dornmayr, N. Lachmayr, B. Rothmüller et al. (Hrsg.): Integration von formal Geringqualifizierten in den Arbeitsmarkt. Arbeitsmarktservice Österreich (AMS), 19. Januar 2009; forschungsnetzwerk.at (PDF; 732 kB).
  • M. Krenn; Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK), FORBA (Hrsg.): Geringqualifizierte in der „Wissensgesellschaft“ – Lebenslanges Lernen als Chance oder Zumutung? 28. Februar 2011; arbeiterkammer.at (PDF).
  • Beate Zeller: Im Blick: das Beschäftigungssegment „einfache Arbeit“ – Bedeutung und Handlungsbedarf. In: f-bb Newsletter, 04/2005, S. 1; f-bb.de (PDF) abgerufen am 11. März 2013.

englisch:

  • International Labour Office (ILO) – Central Library and Documentation Branch: Policies for low-paid workers and unskilled job seekers. Organisation for economic co-operation and development. Band 1 von International labour documentation, ILO 1998
  • Sarbajit Chaudhuri: Foreign Direct Investment, Child Labour and Unemployment of Unskilled Labour in a Dual Economy. unpubl. 2010 (MPRA (PDF; 257 kB) Munich University Library)
Wiktionary: Hilfsarbeiter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Kaiserliches Patent vom 20. December 1859, womit eine Gewerbe-Ordnung für den ganzen Umfang des Reiches, mit Ausnahme des venetianischen Verwaltungsgebietes und der Militärgränze, erlassen, und vom 1. Mai 1860 angefangen in Wirksamkeit gesetzt wird (Gewerbeordnung 1859 – Gewerbliches Hilfspersonal). StF: RGBl. Nr. 227/1859 i.d.g. Fassung vom 5. Juli 2011 (ris.bka, pdf)
  2. siehe auch §12 in: Bundesgesetzblatt Teil I 1951 Nr. 7 vom 16. Februar 1951 1. Reichsgrundsätze über Einstellung, Anstellung und Beförderung
  3. vgl. Minimum wages database (Memento vom 6. Dezember 2011 im Internet Archive). Datenbank der Mindestlöhne weltweit des International Labour Office (ILO)
  4. BAG, Urteil vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01
  5. zitiert nach Arthur Schneeberger: Qualifikationsentwicklung und -forschung für die berufliche Bildung – EQF als Transparenzinstrument und Erfahrungen komparativer statistischer Bildungsforschung. Hrsg.: ibw – Österreichisches Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (= Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online. Nr. 11). November 2006, ISSN 1618-8543, Tabelle 1 (online [abgerufen am 8. März 2012]).