Preußen

Das Königreich Preußen zur Zeit seiner größten Ausdehnung, 1871-1918

Preußen (lat.: Borussia, Prussia oder Prutenia; poln. Prusy; russ.: Prussija) war ursprünglich das Gebiet des baltischen Volksstamms der Pruzzen, später eines der Länder des Deutschen Ordens und seit dem 16. Jahrhundert Herzogtum der Hohenzollern unter polnisch-litauischer Lehenshoheit. Nachdem Teile Preußens 1660 im Frieden von Oliva souverän geworden waren, bildeteten sie ab 1701 ein selbständiges Königreich. Von 1871-1945 war Preußen ein Land des Deutschen Reiches. Am 25. Februar 1947 verfügten die Alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die Auflösung Preußens.

Allgemeines

Der Name Preußen bezog sich im Spätmittelalter nur auf die außerhalb der deutschen Reichsgrenzen gelegenen Gebiete zwischen Hinterpommern und Kurland, die den späteren Provinzen West- und Ostpreußen entsprachen. Von 1466 bis ins 1772 waren diese Gebiete zwischen dem König von Polen einereits und dem Deutschen Orden beziehungsweise den hohenzollernschen Herzögen und späteren Königen von Preußen andererseits aufgeteilt.

Im 18. Jahrhundert setzte sich allmählich der Gebrauch des Landesnamens Preußen für alle von den Hohenzollern regierten Territorien durch, also auch für jene, die innerhalb des Heiligen Römischen Reiches lagen. Nach 1866 erstreckte sich das Königreich - seit 1918 der Freistaat - Preußen über nahezu ganz Norddeutschland und nahm etwa zwei Drittel der Fläche des Deutschen Reiches ein. Von preußischem Gebiet waren einige kleinere Staaten vollständig umschlossen. Preußische Haupt- und Residenzstädte waren im Laufe der Zeit Königsberg (das heutige Kaliningrad), Berlin und Potsdam.

Seine größte Bedeutung erlangte Preußen im 18. Jahrhundert, als es unter der Regierung Friedrichs II. des Großen (1712-1786) zur zweiten deutschen und fünften europäischen Großmacht aufstieg, und im 19. Jahrhundert, als es unter dem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck die deutsche Einigung betrieb.

Mit Preußen verbinden sich bis heute die von der protestantischen Moral geprägten so genannten preußischen Tugenden, wie beispielsweise Zuverlässigkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Fleiß, Duldsamkeit. Nach dem Selbstverständnis vieler Preußen trugen sie maßgeblich zum Aufstieg ihres Landes zur europäischen Großmacht bei. Allerdings war die Betonung dieser sogenannten Sekundär-Tugenden selbst innerhalb Preußens nicht unumstritten.

Die Landesfarben Preußens, schwarz und weiß, leiteten sich von dem mit einem schwarzen Kreuz bestickten weißen Mantel der Ritter des Deutschen Ordens her. (Ihre Kombination mit den hanseatischen Farben Weiß-Rot der freien Städte Bremen, Hamburg und Lübeck ergab die schwarz-weiß-rote Handelsflagge des 1866/67 begründeten Norddeutschen Bundes, die 1871 als Flagge des Deutschen Reiches übernommen wurde.) Der Wappenspruch Preußens lautete seit der Reformation Suum cuique (deutsch: Jedem das Seine).

Geschichte

Zur Vor- und Frühgeschichte sowie zur Geschichte des Ordensstaates siehe unter Ostpreußen.

Brandenburg-Preußen

Brandenburg-Preußen, das spätere Königreich Preußen, entstand im Wesentlichen aus zwei Landesteilen:

  • aus der Mark Brandenburg, die zu den sieben Kurfürstentümern des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehörte,
  • und aus dem zeitweise unter polnischer Lehenshoheit stehenden Herzogtum Preußen, das aus dem Ordensstaat hervor gegangen war.

Beide Gebiete wurden in Personalunion unter den Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg vereinigt, als diese 1618 die herzoglich-preußische Linie der Hohenzollern beerbten.

Das Kurfürstentum Brandenburg hatte Kaiser Sigismund (1368-1437) 1415 dem Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern (1371-1440), zu Lehen gegeben, nachdem das zuvor regierende Fürstenhaus der Askanier ausgestorben war.

Das Herzogtum Preußen war im 16. Jahrhundert aus dem Staat der Deutschordensritter hervorgegangen. Deren Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490-1568), der ebenfalls aus dem Haus Hohenzollern stammte, schloss sich auf Anraten Martin Luthers (1483-1546) der Reformation an und wandelte den Ordensstaat in ein erbliches Herzogtum um. Wie der Herrscher wurde auch die Bevölkerung evangelisch. Seit 1466 war der Ordensstaat nicht mehr souverän gewesen, sondern unterstand der Lehenshoheit der polnischen Krone. Daher leistete Albrecht auch für das neue Herzogtum dem polnischen König Sigismund I. dem Alten (1467-1548) am 8. April 1525 in Krakau den Lehnseid.

Nach dem Erlöschen der preußischen Linie der Hohenzollern fiel das Herzogtum an ihre nächsten Verwandten, die Kurfürsten von Brandenburg. Diese waren damit sowohl dem deutschen Kaiser als auch der polnischen Krone lehnspflichig. Brandenburg-Preußen blieb bis zum Vertrag von Wehlau (1657) ein politisch zweigeteiltes Staatswesen: Brandenburg war Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, Preußen ein polnisches Lehen.

Im Dreißigjährigen Krieg stand Brandenburg auf der Seite der evangelischen Union. Weite Teile des Landes wurden damals verwüstet und entvölkert. Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620-1688), später der "Große Kurfürst" genannt, betrieb daher nach dem Krieg eine vorsichtige Schaukelpolitik zwischen den Großmächten, um sein wirtschaftlich und militärisch schwaches Land zu entwickeln. Er führte wirtschaftliche Reformen durch, baute ein schlagkräftiges Heer auf, entmachtete die Stände zugunsten einer absolutistischen Zentralverwaltung und holte Tausende aus Frankreich vertriebener Hugenotten ins Land. Er erwarb 1648 Hinterpommern, das restliche Ravensberger Land um Minden und Halberstadt sowie 1680 Magdeburg.

Außer dem stehenden Heer stärkte Friedrich Wilhelm auch die Kurbrandenburgische Marine. Er bemühte sich frühzeitig um den Erwerb von Kolonien in Westafrika und Westindien, hatte mit diesen Plänen aber erst gegen Ende seiner Regentschaft ab etwa 1680 Erfolg. So wurde 1683 die Festung Groß Friedrichsburg im heutigen Guinea gegründet, die bis 1727 bestand.

Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm I. wurde Brandenburg-Preußen das nach Österreich mächtigste Land im Reich. Als infolge schwedisch-polnischer Auseinandersetzungen Polen geschwächt war, konnte er 1657 im Vertrag von Wehlau das Herzogtum Preußen aus der polnischen Oberhoheit lösen. Im Frieden von Oliva von 1660 wurde die Souveränität des Herzogtums endgültig anerkannt. Dies war eine entscheidende Voraussetzung für die Erhebung des Landes zum Königreich unter dem Sohn des Großen Kurfürsten.

Königreich Preußen

Gründung des Königreichs

Königlich Preußisches Wappen von 1701

Rang, Reputation und Prestige eines Fürsten waren in der Zeit des Absolutismus wichtige politische Faktoren. Dem prunkliebenden Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713) kam daher die Tatsache sehr gelegen, dass das Herzogtum Preußen seit 1660 keiner anderen Krone mehr unterstand, also souverän war. Das ermöglichte es ihm, dessen Erhebung zum Königreich und seine eigene zum König anzustreben. Mit Zustimmung des römisch-deutschen Kaisers krönte er sich als Friedrich I. am 18. Januar 1701 in Königsberg eigenhändig zum König in Preußen. Die einschränkende Titulatur (in Preußen) war nötig, weil die Bezeichnung als "König von Preußen" als Herrschaftsanspruch auf das gesamte preußische Gebiet verstanden worden wäre. Da das Ermland und Westpreußen damals aber noch polnisch waren, hätte dies Konflikte mit Polen heraufbeschworen.

Seit 1701 bürgerte sich der Gebrauch der Landesbezeichnung "Königreich Preußen" für alle von den Hohenzollern regierten Gebiete - ob innerhalb oder außerhalb der Reichsgrenzen - ein.


Siehe auch: Liste der preußischen Könige

Friedrich Wilhelm I. - Der Soldatenkönig

Der Sohn Friedrichs I., Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) war weniger prunkliebend als sparsam und praktisch veranlagt. Der "Soldatenkönig" gilt als der eigentliche Schöpfer des preußischen Beamtentums und des stehenden Heers, das er zu einem der schlagkräftigsten in ganz Europa ausbaute. Zudem siedelte er über 20.000 Salzburger, protestantische Glaubensflüchtlinge, im dünn besiedelten Ostpreußen und weitere in anderen Landesteilen an. Von Schweden erwarb er 1720 Vorpommern bis zur Peene.

Friedrich II. - der Große

Adolph von Menzel: Tafelrunde König Friedrich II. (mitte) in Sanssouci mit Voltaire (links) und den führenden Köpfen der Berliner Akademie, 1850, ehemalige Nationalgalerie, Berlin, 1945 verbrannt.

Am 31. Mai 1740 bestieg sein Sohn Friedrich II. ("Friedrich der Große") den Thron. Als Kronprinz eher der Philosophie und den schönen Künsten zugeneigt, ließ er noch in seinem ersten Regierungsjahr die preußische Armee in Schlesien einmarschieren, auf das die Hohenzollern umstrittene Ansprüche erhoben. In den drei Schlesischen Kriegen (1740-1763) gelang es ihm, die Eroberung gegen Österreich zu behaupten, im letzten, dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763), sogar gegen eine Koalition aus Österreich, Frankreich und Russland. Dies war nicht nur der Beginn der preußischen Großmachtstellung in Europa, sondern auch des preußisch-österreichischen Dualismus im Reich.

In den letzten 23 Jahren seiner Herrschaft bis 1786 förderte Friedrich II. den Landesausbau und die weitere Besiedelung brandenburgisch-preußischer Gebiete, etwa des Oderbruchs. Er schaffte die Folter ab, führte die Schulpflicht ein, schuf das Allgemeine preußische Landrecht und lockte mit der Gewährung völliger Glaubensfreiheit weitere Glaubensflüchtlinge ins Land. Nach seinen eigenen Worten sollte in Preußen "jeder nach seiner Fasson selig werden" können.

Gemeinsam mit Österreich und Russland betrieb Friedrich die Zerstückelung Polens. Bei der ersten polnischen Teilung 1772 fielen Westpreußen, der Netzedistrikt und das Fürstbistum Ermland an Friedrich II., so dass er sich nun König von Preußen nennen konnte. Bereits 1744 war auch Ostfriesland preußisch geworden.

Die Politik gegenüber Polen wurde von Friedrich Wilhelm II. (1786 - 1797) fortgesetzt. Bei der 2. und 3. Teilung Polens (1793 und 1795) sicherte sich Preußen weitere polnische Gebiete bis nach Warschau.

Niederlage gegen Napoleon, Reformen und Freiheitskriege

Unter Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840) beteiligte sich Preußen an den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich. Doch in der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 erlitt Preußen eine vernichtende Niederlage gegen die Truppen Napoleons I.. Die Königsfamilie floh vorübergehend nach Memel, der Staat verlor 1807 im Frieden von Tilsit etwa die Hälfte seines Gebietes und musste ein Bündnis mit Frankreich eingehen.

Die Niederlage Preußens hatte eine Erneuerung des Staates unumgänglich gemacht. Mit den Stein-Hardenbergschen Reformen unter Leitung von Freiherr vom Stein, Scharnhorst und Hardenberg wurde die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben (1807), das Bildungswesen neu gestaltet sowie die allgemeine Wehrpflicht und die Selbstverwaltung der Städte eingeführt (1808).

Nach der Niederlage Napoleons in Russland, kündigte Preußen das Bündnis mit Frankreich auf und beteiligte sich ab 1813 in den sogenannten Freiheitskriegen an der anti-französischen Koalition. Preußische Truppen unter Marschall Blücher trugen in der Schlacht von Waterloo 1815 entscheidend zum endgültigen Sieg über Napoleon bei.

Das während der Freiheitskriege seinem Volk gegebene Versprechen, dem Land eine Verfassung zu geben, löste Friedrich Wilhelm III. jedoch nie ein. Statt dessen rief er zusammen mit dem Zaren von Russland und dem Kaiser von Österreich die Heilige Allianz ins Leben, die auf die Unterdrückung aller Demokratiebestrebungen in Europa abzielte.

Auf dem Wiener Kongress 1815 erhielt Preußen beinahe sein altes Staatsgebiet zurück, zudem den Rest Vorpommerns, den nördlichen Teil des Königreichs Sachsen, Westfalen und die Rheinprovinz. Es behielt zwar die Provinz Posen, verlor jedoch Gebiete der 2. und 3. polnischen Teilung an Russland. Preußen bestand seither aus zwei großen, aber räumlich getrennten Länderblocks in Ost- und Westdeutschland. Es wurde Mitglied des Deutschen Bundes, des Verbandes der deutschen Staaten unter österreichischer Führung, der von 1815 bis 1866 existierte. 1834 wurde das Land Mitglied des Deutschen Zollvereins.

Märzrevolution und Industrialisierung

Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. (1840 - 1861) weckte zunächst die Hoffnungen der Liberalen. Doch die anhaltend reaktionäre Politik führte schließlich zur Märzrevolution von 1848. Der König beugte sich zunächst scheinbar den Forderungen der Revolutionäre. Demokratie und Einigung Deutschlands scheiterten aber 1849, als er die deutsche Kaiserkrone ablehnte, die ihm die Frankfurter Nationalversammlung angetragen hatte. Die Revolution wurde in Süddeutschland mit Hilfe preußischer Truppen endgültig niedergeschlagen. Preußen erhielt 1850 die vom König oktroyierte Verfassung.

Im Zuge der Industrialisierung wurden eine Anzahl von Land-, Wasserwegen und Kanälen gebaut, welche quer durch Deutschland den Westen mit dem Osten verbanden. Im Oberland West- und Ostpreußens entstand der Oberländischer Kanal, der die Ostsee und Elbing im Norden mit Masuren im Süden verband. In den 1860er Jahren wurde der Bau der Ostbahn begonnen, die von Berlin über Thorn und Königsberg bis zur Ostgrenze führte und bis zum Zweiten Weltkrieg eine der Hauptverkehrsachsen Preußens bildete.

Verfassungskonflikt um die Heeresreform

Wilhelm I., der schon 1858 die Regentschaft für seinen nach mehreren Schlaganfällen regierungsunfähigen Bruder Friedrich Wilhelm IV. übernommen hatte, bestieg 1861 den preußischen Thron. Mit Kriegsminister Roon strebte er eine Heeresreform an, die längere Dienstzeiten und eine Aufrüstung der preußischen Armee vorsah. Die liberale Mehrheit des Preußischen Landtags, dem das Budgetrecht zustand, wollte die dafür nötigen Gelder jedoch nicht bewilligen. Es kam zu einem Verfassungskonflikt, in dessen Verlauf der König die Abdankung in Erwägung zog. Als letzten Ausweg entschloss er sich 1862, Otto von Bismarck als Ministerpräsident zu berufen. Dieser war ein vehementer Befürworter des königlichen Alleinherrschaftsanspruchs und regierte jahrelang gegen Verfassung und Parlament und ohne gesetzlichen Haushalt.

Die Einigungskriege

Aus der Erkenntnis heraus, dass die preußische Krone nur dann Rückhalt im Volk gewinnen könne, wenn sie sich an die Spitze der deutschen Einigungsbewegung setzte, führte Bismarck Preußen in drei Kriege, die König Wilhelm die deutsche Kaiserkrone einbrachten:

Deutsch-Dänischer Krieg 1864: Der König von Dänemark war in Personalunion Herzog von Schleswig-Holstein. Das Teilherzogtum Holstein gehörte aber zum Deutschen Bund. Der Versuch der Kopenhagener Regierung, Holstein in den dänischen Gesamtstaat einzugliedern, führte 1864 unter der Führung Preußens und Österreichs zum Krieg des Deutschen Bundes gegen das nördliche Nachbarland. Nach ihrem Sieg musste die dänische Krone auf Schleswig und Holstein verzichten. Beide Herzogtümer wurden nun von Preußen und Österreich gemeinsam verwaltet.

Deutscher Krieg 1866: Der Anlass diese Krieges waren Konflikte zwischen Österreich und Preußen um die Verwaltung und die Zukunft Schleswig-Holsteins. Die tiefere Ursache war jedoch das Ringen um die Vorherrschaft in Deutschland. Auf der Seite Österreichs standen die mitteldeutschen Staaten, auf Seiten Preußens neben einigen norddeutschen Staaten auch Italien. Nachdem preußische Truppen unter Moltke am 3. Juli 1866 in der Schlacht von Königgrätz den entscheidenden Sieg errungen hatten, verlor Österreich seine Vormachtstellung und schied aus Deutschland aus. Der Friede von Prag am 23. August 1866 brachte Preußen das Königreich Hannover, Hessen-Kassel, das Nassau, die freie Stadt Frankfurt und ganz Schleswig-Holstein ein. Damit waren nun fast alle preußischen Gebiete miteinander verbunden. An die Stelle des Deutschen Bundes trat 1867 der kleinere, von Preußen dominierte Norddeutsche Bund, dessen Verfassung in wesentlichen Punkten die des Deutschen Reiches vorweg nahm. Die süddeutschen Staaten mussten Bündnisverträge mit Preußen eingehen.

Deutsch-französischer Krieg 1870/71: Bismarck spitzte den Streit mit Frankreich um die spanische Thronkandidatur eines katholischen Hohenzollernprinzen bewusst zu (siehe auch Emser Depesche), um die Regierung Napoleons III. zu einer Kriegserklärung zu provozieren. Dies stellte für die süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden den Bündnisfall dar. Nach dem raschen Sieg waren sie gezwungen, dem Norddeutschen Bund beizutreten. Damit war das Deutsche Reich in der kleindeutschen Version gegründet worden, die schon als eines der Modelle in der Nationalversammlung von 1848/49 gehandelt worden war. Im Spiegelsaal zu Versailles ließ sich Wilhelm I. am 18. Januar 1871 - genau 170 Jahre nach der Königskrönung Friedrichs I. - zum Deutschen Kaiser ausrufen.

Preußens Dominanz im Deutschen Reich

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Siegel Preußens

Der König von Preußen war zugleich Deutscher Kaiser, der preußische Ministerpräsident zugleich Reichskanzler. Der Ministerpräsident und Kanzler musste aber nicht mehr unbedingt Preuße sein, wie im Fall von Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Preußen ging von 1871 an ebensosehr in Deutschland auf, wie Deutschland preußische Sekundärtugenden annahm.

Auf Wilhelm I. folgte im März 1888 der bereits schwerkranke Friedrich III., der nach einer Regierungszeit von nur 99 Tagen verstarb. Im Juni des "Drei-Kaiser-Jahres" bestieg Wilhelm II. den Thron. Bis zur Abdankung des Kaisers im Zuge der Novemberrevolution von 1918 blieben preußische und Reichspolitik aufs engste miteinander verbunden.

Siehe auch: Deutsches Reich

Freistaat Preußen

Nachdem der Erste Weltkrieg verloren, Wilhelm II. als deutscher Kaiser und als König von Preußen abgedankt war, wurde aufgrund der Revolution(en) von 1918/19 der Freistaat Preußen proklamiert, der 1920 eine demokratische Verfassung erhielt.

Die im Vertrag von Versailles festgelegten Gebietsabtretungen Deutschlands betrafen - bis auf das nach dem deutsch-französischen Krieg gebildete Reichsland Elsaß-Lothringen - ausschließlich preußisches Territorium: Eupen-Malmedy ging an Belgien, der Norden Schleswigs an Dänemark, Oberschlesien und Westpreußen an Polen. Danzig wurde Freie Stadt unter Verwaltung des Völkerbunds. Wie schon vor den polnischen Teilungen hatte Ostpreußen keine Landverbindung mit dem übrigen Deutschen Reich und konnte nur per Schiff (Seedienst Ostpreußen) oder per Bahn durch den Polnischen Korridor erreicht werden.

Von 1919 bis 1932 regierten in Preußen Regierungen der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP), 1921 bis 1925 um die DVP erweitert. Anders als in einigen anderen Ländern des Reichs war die Mehrheit der demokratischen Parteien bei Wahlen in Preußen nie gefährdet. Der von 1920 bis 1932 fast ununterbrochen regierende Ostpreuße Otto Braun, der bis heute als fähigster sozialdemokratischer Politiker der Weimarer Republik gilt, erreichte zusammen mit seinem Innenminister Carl Severing mehrere zukunftsweisende Reformen, die später für die Bundesrepublik noch beispielgebend waren, so zum Beispiel das Konstruktive Misstrauensvotum, das die Abwahl des Ministerpräsidenten nur dann ermöglichte, wenn gleichzeitig ein neuer Ministerpräsident gewählt wurde. Auf diese Weise konnte die Preußische Landesregierung solange im Amt bleiben, wie sich im Landtag keine "Positive Mehrheit" (Also eine Mehrheit der Oppositionsparteien, die auch wirklich zusammen arbeiten wollten). Mit ziemlicher Sicherheit hätte die Landesregierung auf diese Weise die "Naziwelle" überdauert.

Um Otto Braun abzusetzen, war ein Eingreifen der Reichsregierung nötig: In einem Staatsstreich - dem sogenannten Preußenschlag - setzte die Reichsregierung unter Reichskanzler Franz von Papen am 20. Juli 1932 per Verordnung die Preußische Landesregierung unter dem Vorwand ab, sie habe die Kontrolle über die öfffentliche Ordnung in Preußen verloren (s. a. Altonaer Blutsonntag). Die Macht im Freistaat Preußen übernahm Papen als Reichskommissar. Der Staatsapparat begrüßte diese Übernahme. Im deutschen Reich war damit die wichtigste Landesregierung entmachtet, die demokratisch-republikanisch ausgerichtet war. Der Preußenschlag hat - nur ein halbes Jahr später - die Machtergreifung Hitlers entscheidend erleichtert.

Das Ende Preußens

1933 nach der Machtergreifung Hitlers wurde Hermann Göring preußischer Ministerpräsident. Damit standen den Nationalsozialisten von Anfang an die Machtmittel der preußischen Landesregierung zur Verfügung, vor allem die Polizeikräfte. Seit Mitte 1933 wurden auch alle übrigen deutschen Länder im nationalsozialistischen Einheitsstaat durch einen Reichsstatthalter zentral von Berlin aus regiert. Das "Reichsstatthaltergesetz" von 1935 hob die Selbständigkeit der Länder auch formell auf.

1945 mit dem Ende der Zeit des Nationalsozialismus, der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und der Abtretung aller Gebiete östlich von Oder und Neiße hörte Preußen faktisch auf zu bestehen. Der Alliierte Kontrollrat verfügte durch das Gesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 das Ende des preußischen Staats, da er "Hort des deutschen Militarismus" gewesen und damit für den Ersten und Zweiten Weltkrieg verantwortlich gewesen sei. (Siehe hierzu auch Kriegsschulddebatte). Diese Sichtweise impliziert nicht, dass in Preußen der Nationalsozialismus seinen Ursprung hatte. Das Land konnte auch auf rechtsstaatliche Tradition(en) zurückblicken. Als Freistaat der Weimarer Republik kann man es bis zu einem gewissen Grade bis zum Preußenschlag als ein Bollwerk der Demokratie sehen. Offen bleibt allerdings die Frage, weshalb es mit zwei Dritteln der Fläche und wohl auch der Bevölkerung des Reiches dem nationalistischen Druck nicht besser entgegentreten konnte.

Aufteilung Preußens

Die östlich von Oder und Lausitzer Neisse gelegenen Gebiete, außerdem Swinemünde und Stettin, wurden von Polen und der Sowjetunion annektiert. Der nördliche Teil Ostpreußens kam unter sowjetische, das Ermland, Masuren und die übrigen preußischen Besitzungen bis zur Oder-Neiße-Linie unter polnische Verwaltung. Der größte Teil der dort lebenden deutschen Bevölkerung (ungefähr 10 Millionen Menschen) floh oder wurde vertrieben.

Die bei Deutschland verbliebenen Teile Preußens wurden auf verschiedene Länder aufgeteilt. In der DDR wurden diese 1952 zugunsten einer Gliederung in Bezirke abgeschafft, im Zuge der Wiedervereinigung aber wiederhergestellt, darunter das Land Brandenburg und das Land Sachsen-Anhalt, dessen Gebiet in etwa mit dem der früheren preußischen Provinz Sachsen übereinstimmt.

In den westlichen Besatzungszonen wurden die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zum größten Teil aus ehemals preußischen Gebieten gebildet. Zum kleineren Teil umfassen auch Hessen und Baden-Württemberg frühere preußische Territorien.

Verwaltungsgliederung Preußens

Im Laufe seiner Geschichte haben sich die Grenzen des Staates Preußen mehrfach verändert. 1701 krönte sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg zum König (Friedrich I.) in Preußen. Der Titel galt jedoch zunächst nur für das Herzogtum Preußen (dem späteren Ostpreußen). Mit Friedrich II. nannten sich dann jedoch alle Herrscher in Brandenburg-Preußen "König von Preußen", so dass ab jenem Zeitpunkt von einem Staat mit dem Namen "Preußen" gesprochen werden kann. Anfang des 18. Jahrhunderts bestand das Königreich Preußen aus den Landesteilen Brandenburg, Pommern, Preußen, Geldern, Kleve, Moers, Krefeld, Tecklenburg, Lingen, Minden, Mark, Ravensberg, Lippstadt, Magdeburg, Halberstadt, Neuenburg und Valangin. 1713 wurden die Landesteile in Provinzen zusammen gefasst beziehungsweise unterteilt. Es bestanden forthin die Provinzen Mittel-, Ucker- und Altmark, Neumark-Pommern-Kassuben, Preußen, Geldern-Kleve, Minden-Mark-Ravensberg, Magdeburg-Halberstadt, Neuenburg (Land) und Valangin (Land). 1740 wurden die Provinzen in Kriegs- und Domänekammern überführt beziehungsweise neu gegliedert, die sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals veränderten, als weitere Gebiet zu Preußen kamen. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde der Staat Preußen mit der Verordnung über die verbesserte Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 1815 in 10 Provinzen eingeteilt (in Klammer die Hauptstadt), die mit Ausnahme von Ostpreußen, Westpreußen und Posen dem Deutschen Bund beitraten:

  1. Brandenburg (Potsdam)
  2. Ostpreußen (Königsberg)
  3. Westpreußen (Danzig)
  4. Pommern (Stettin)
  5. Schlesien (Breslau)
  6. Posen (Posen)
  7. Jülich-Kleve-Berg (Köln)
  8. Großherzogtum Niederrhein (Koblenz)
  9. Westfalen (Münster)
  10. Sachsen (Magdeburg)

1822 wurden die Provinzen "Jülich-Kleve-Berg" und "Großherzogtum Niederrhein" zur Rheinprovinz (Hauptstadt Koblenz) und 1829 wurden Ost- und Westpreußen zur "Provinz Preußen" (mit der Hauptstadt Königsberg) vereinigt. Damit verringerte sich die Zahl der Provinzen auf acht. 1849 verzichteten die Fürsten von Hechingen und Sigmaringen auf ihre Herrschaft und so gelangten diese beiden Fürstentümer zum Staat Preußen. Sie wurden zum Regierungsbezirk Sigmaringen zusammen gefasst, der später auch als "Hohenzollerische Lande" bezeichnet wurde. 1853 erwarb der Staat Preußen vom Staat Oldenburg einen Landstrich an der Jade, auf welchem ein Hafen angelegt wurde. (1869 erhielt dieses Gebiet zusammen mit der umliegenden Siedlung den Namen Wilhelmshaven und wurde der 1867 gebildeten Provinz Hannover angegliedert). 1866 annektierte der Staat Preußen das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau, die Fürstentümer Schleswig und Holstein sowie die Freie Stadt Frankfurt am Main. Aus diesen Gebieten wurden drei Provinzen gebildet (somit bestand Preußen aus elf Provinzen):

1878 wurde die Provinz Preußen wieder in zwei Provinzen "Ostpreußen" und "Westpreußen" aufgeteilt, so dass sich die Zahl der Provinzen auf 12 erhöhte.

Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Preußen einige seiner Gebiete und wurde Freistaat. Die Provinz Posen wurde nahezu ganz an Polen abgetreten. Die Provinz Westpreußen kam überwiegend an Polen und an die Freie Stadt Danzig. Nur der östliche Teil Westpreußens blieb bei Preußen und wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert. Die ebenfalls bei Preußen verbleibenden restlichen Gebiete von Posen und Westpreußen wurden 1922 zu einer neuen (zweigeteilten) Provinz vereinigt, die den Namen "Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen" erhielt. Inzwischen waren 1919 die Provinz Schlesien in zwei Provinzen "Niederschlesien" und "Oberschlesien" aufgeteilt worden und ein Jahr später 1920 schied Berlin aus dem Provinzialverband Brandenburg aus und bildete eine eigene Provinz.

Ab 1922 bestand der Freistaat Preußen somit aus den folgenden 13 Provinzen (in Klammern die Gebietskörperschaft(en), die heute das Gebiet der jeweiligen Provinz abdeckt bzw. abdecken):

  1. Berlin (Bundesland Berlin, Deutschland)
  2. Brandenburg (Bundesland Brandenburg, Deutschland und Teil der Woiwodschaft Lebus, Polen)
  3. Hannover (Teil des Bundeslandes Niedersachsen, Deutschland)
  4. Hessen-Nassau (Teile der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz, Deutschland)
  5. Ostpreußen (Oblast Kaliningrad, Russland; Woiwodschaft Ermland-Masuren und Teil der Woiwodschaft Pommern, Polen)
  6. Pommern (Teil des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, Woiwodschaft Westpommern, Polen)
  7. Grenzmark Posen-Westpreußen (Teil der Woiwodschaft Großpolen, Polen)
  8. Rheinprovinz (Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Deutschland)
  9. Sachsen (Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, Deutschland)
  10. Niederschlesien (Woiwodschaft Niederschlesien und Teil der Woiwodschaft Lebus, Polen; Teil des Bundeslandes Sachsen, Deutschland)
  11. Oberschlesien (Teil der Woiwodschaft Schlesien, Woiwodschaft Oppeln, Polen)
  12. Schleswig-Holstein (Bundesland Schleswig-Holstein, Deutschland)
  13. Westfalen (Teil des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Deutschland)

sowie die so genannten

1938 wurden die beiden schlesischen Provinzen wieder vereinigt und die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst. Ihr Gebiet wurde auf die Nachbarprovinzen Pommern, Brandenburg und Schlesien aufgeteilt. Somit bestand Preußen bis zu seiner formellen Auflösung 1947 nur noch aus 11 Provinzen (beziehungsweise 12 Provinzen, wenn man Schlesien ab 1941 wieder als zwei Provinzen betrachtet).

Literatur

  • Marion Gräfin v. Dönhoff: Preußen - Maß und Maßlosigkeit
  • dies.: Namen, die keiner mehr nennt
  • Bernt Engelmann, Preußen. Land der unbegrenzten Möglichkeiten, München 1979
  • Joachim Fernau: Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der kleinen Leute
  • Sebastian Haffner, Preußen ohne Legende, 1. Aufl., Hamburg 1979, ISBN 3-442-11511-6
  • Klaus Herdepe: Die Preußische Verfassungsfrage 1848, (= Deutsche Universitätsedition Bd. 22) ars et unitas : Neuried 2003, 454 S., ISBN 3-936117-22-5
  • Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter, München 1990
  • Preussen. Chronik eines deutschen Staates. Herausgegeben von Wolfgang Ribbe und Hansjürgen Rosenbauer. (= Begleitbuch zur gleichnamigen sechsteiligen Fernsehreihe, produziert von den ARD-Sendeanstalten ORB, SFB und WDR), Nicolaische Verlagsbuchhandlung - Berlin 2000, S. 288, zahlreiche Abb., ISBN 3-87584-023-2
  • Leopold von Ranke, Preußische Geschichte. 4 Bde., München 1965
  • Hans-Joachim Schoeps, Preussen: Geschichte eines Staates. Bilder und Zeugnisse, Frankfurt/M. Berlin 1992
  • Eberhard Straub, Eine kleine Geschichte Preußens, Berlin 2001

Siehe auch: Portal Preußen, Preußische Marine, Deutschland, Geschichte Polens, Oblast Kaliningrad (Russland)