Rundes r
Das runde r (auch r rotunda genannt) ist eine Variante des Buchstabens r bei gebrochenen Schriften. Es entstand ursprünglich dadurch, dass in der Buchstabenkombination „or“ eine zur Krümmung des „o“ passende Form verwendet wurde, die der Versalform des „R“ ohne senkrechten Strich ähnelte. Später wurde es auch nach anderen Buchstaben mit Rundung auf der rechten Seite (b, d, h, p) und beim Doppel-r („rr“) alternativ zum normalen r verwendet.
Anwendung
Im Gegensatz zum langen s (ſ) ist die Verwendung des runden r nicht durch orthografische oder typografische Regeln festgelegt. Daher muss es, soweit seine Anwendung rein schriftästhetisch ist, in Textverarbeitungsprogrammen als normales „r“ und nicht als spezielles Zeichen eingegeben werden. Es kann dann je nach Wahl der Schriftart automatisch angewendet werden, z. B. durch Anwendung von in der Schriftartdatei hinterlegten OpenType-Regeln für Glyphensubstitutionen.
Spezielle Anwendungen (z. B. in der Mediävistik und der Paläografie) erfordern es jedoch, in ihrem Kontext das runde r als eigenständigen Buchstaben zu betrachten, der unabhängig von der gewählten Schriftart im Text selbst eindeutig identifizierbar sein muss. Speziell für solche Anwendungszwecke[1] ist es in Unicode seit Version 5.1 im Block Lateinisch, erweitert-D[2] enthalten. Um es in Zitaten auch dann verwenden zu können, wenn diese vollständig in Versalien gesetzt sind, wurde eine Versalform aufgenommen, deren Notwendigkeit sich ansonsten nicht aus der Quellenlage ergab. Die Aufnahme in Unicode hatte außerdem zur Folge, dass Antiqua-Formen entwickelt wurden, damit das Zeichen in gängige Schriftarten aufgenommen werden konnte.
Die Unicode-Positionen sind:
- Großbuchstabe: U+A75A latin capital letter r rotunda (Ꝛ)
- Kleinbuchstabe: U+A75B latin small letter r rotunda (ꝛ)
Verwendung als Abkürzung für „und“
Eine ähnliche oder gleiche Glyphe wurde auch als Abkürzung für „und“ eingesetzt. Der Ursprung dieser Verwendung liegt in der tironischen Note für et (lat. „und“). Dieses ⁊ war zunächst in vielen Schriften als eigene Glyphe enthalten, später wurde dann vielfach die Glyphe des recht ähnlichen runden r verwendet. Am längsten hat sich dieser Gebrauch in der Abkürzung „etc.“ erhalten (siehe Abbildungen).
Der Autor Helmut Delbanco hat die These aufgestellt, das mit einem runden r geschriebene ⁊c. könne auch als rc. gelesen und als Abkürzung für lateinisch relinquo cetera („weiteres lasse ich weg“) verstanden werden, was weitgehend gleichbedeutend wäre mit et cetera (sinngemäß „und so weiter“).[3]
Beispiele
- Ausschnitt: q[ua]drag… (= quadraginta) in einer Bibelhandschrift aus Malmesbury (Textura), 1407
- Beispiele mit rundem r nach o in einem Schriftmusterbuch von William Caslon I, London 1763
- Wort, Schrift und Herr (Alte Schwabacher), Computersatz
- Titelblatt eines Buches von Euricius Cordus über den Englischen Schweiß, 1529
Siehe auch
- Langes s
- Rundes s
- Г, kyrillischer Buchstabe, die kursive (handschriftliche) Form des Kleinbuchstaben (г) ähnelt dem runden r.
Literatur
- Eberhard Dilba: Typographie-Lexikon und Lesebuch für alle. Mit Beispielen für Schreibweisen im Schriftsatz. 2. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8334-2522-6 (Literaturverzeichnis S. 131–134).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Michael Everson u. a.: Proposal to add medievalist characters to the UCS. (PDF; 3,8 MB) ISO/IEC JTC1/SC2/WG2, 30. Januar 2006, S. 3, abgerufen am 22. Mai 2023 (englisch): „In any case, Welsh and Nordic medievalists distinguish R from R ROTUNDA in their printed editions …“
- ↑ Latin Extended-D – Range: A720–A7FF. In: Unicode, Inc. (Hrsg.): The Unicode Standard, Version 5.1. 2008, S. 446–447 (online [PDF; 105 kB; abgerufen am 22. August 2009]).
- ↑ Bernhard Schnelle: Gebrochene Schriften. Abgerufen am 20. Januar 2014.