Proton-Proton-Reaktion
Die Proton-Proton-Reaktion (p-p-Reaktion, Proton-Proton-Kette) ist eine von zwei Fusionsreaktionen des sogenannten Wasserstoffbrennens, durch welche in Sternen Wasserstoff in Helium umgewandelt wird.
Bei Sternen mit Massen bis etwa 1,5 Sonnenmassen (M☉) spielt die Proton-Proton-Reaktion eine wichtigere Rolle bei der Energieumwandlung als der CNO-Zyklus.[1] Etwa werden durch sie mehr als 98 % der Leuchtkraft der Sonne erzeugt.[2]
Der stark exotherme Charakter der Fusion rührt daher, dass das Endprodukt Helium eine um etwa 0,71 % geringere Masse aufweist als die in die Reaktion eingegangenen Wasserstoffteilchen (Massendefekt).[3] Die Differenz wird dabei entsprechend der Äquivalenz von Masse und Energie () als Energie freigesetzt.
Die Proton-Proton-Reaktion hat die niedrigsten Temperaturvoraussetzungen aller in Sternen auftretenden Fusionsreaktionen. (In Braunen Zwergen laufen zwar auch unterhalb dieser Grenze Fusionsreaktionen ab, das Deuteriumbrennen, sie zählen aber nicht zu den Sternen.) Sie kann in Sternen mit einer Kerntemperatur von mehr als 3 Millionen Kelvin ablaufen. Bei diesen Temperaturen sind alle beteiligten Atomkerne vollständig ionisiert, d. h. ohne Elektronenhülle.
Die Fusionsrate ist bei der Proton-Proton-Reaktion proportional zur 4. Potenz der Temperatur.[4] Mithin bewirkt eine Erhöhung der Temperatur um 5 % eine Steigerung der Energiefreisetzung von 22 %.
Startreaktionen
Zunächst fusionieren zwei Wasserstoffkerne 1H (Protonen) zu einem Deuteriumkern 2H, wobei durch die Umwandlung eines Protons in ein Neutron ein Positron e+ und ein Elektron-Neutrino νe frei werden:
Die Kernreaktionsrate ist sehr klein und damit für die Gesamtreaktion geschwindigkeitsbestimmend. Grund ist, dass die elektrostatische Abstoßung die positiv geladenen Protonen meist auf Abstand hält, für das Diproton kein gebundener Zustand existiert und die Entstehung des Neutrons als Prozess der schwachen Wechselwirkung nur bei sehr kleinen Abständen möglich ist. Selbst nach der Maxwell-Boltzmann-Verteilung sehr seltene, besonders energiereiche Stöße reichen nach der klassischen Theorie nicht aus. Nur durch den quantenmechanischen Tunneleffekt kommen sich die Protonen doch nahe genug, allerdings mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit: In der Sonne dauert es im Schnitt 1,4 · 1010 Jahre, bis ein bestimmtes Proton mit einem anderen reagiert, weshalb die Sonne eine große Lebensdauer hat.
Von der relativ geringen Energiefreisetzung der Reaktion trägt das Neutrino durchschnittlich 0,267 MeV davon.[5] Da diese leichten Teilchen die Sternmaterie nahezu ungehindert verlassen können, geht dieser Energieanteil dem Stern verloren.
Das entstandene Positron annihiliert sofort mit einem Elektron e−, d. h., sie reagieren miteinander und werden vollständig in Energie umgewandelt. Die Masse beider Partner wird in Form von zwei Gammaquanten γ als Energie frei.
Das entstandene Deuterium kann anschließend mit einem weiteren Proton reagieren, wobei das leichte Helium-Isotop 3He entsteht:
Dieser Prozess hängt nicht von der schwachen Wechselwirkung ab, und die Bindungsenergie ist groß. Daher ist die Reaktionsrate viel größer: In der Sonne lebt das durch die Startreaktion entstandene Deuterium nur etwa 1,4 Sekunden. Das bei der Sternentstehung vorhandene Deuterium kann schon in viel kleineren Himmelskörpern reagieren, ab einer Größe von etwa 12 Jupitermassen bzw. 0,012 Sonnenmassen bei einer Temperatur von nur 1 Million Kelvin (Deuteriumbrennen). Dies markiert die Untergrenze für einen Braunen Zwerg.
Hauptfolgereaktionen
Es gibt nun im Wesentlichen drei verschiedene Reaktionsketten, bei denen schließlich das (in der Natur überwiegende) Helium-Isotop 4He erzeugt wird. Sie setzen bei verschiedenen Temperaturen ein. In der Sonne treten die nachfolgend beschriebenen Reaktionen unterschiedlich häufig auf:[6]
- Proton-Proton-I-Kette: 83,30 %
- Proton-Proton-II-Kette: 16,68 %
- Proton-Proton-III-Kette: 0,02 %
Proton-Proton-I-Kette
Nach durchschnittlich 106 Jahren fusionieren zwei Heliumkerne 3He zu 4He (α-Teilchen), wobei zwei Protonen freiwerden. Sie stehen für weitere Reaktionsschritte zur Verfügung.
Die vollständige Reaktionskette bis hier, bei der die unter Startreaktion aufgeführten Reaktionen je zweimal durchlaufen werden, um die notwendigen 3He-Teilchen für die letzte Fusion zu schaffen, setzt eine Nettoenergie – also abzüglich der Neutrinoenergie – von
frei (≈ 4,20 · 10−12 J). Die Proton-Proton-I-Kette herrscht bei Temperaturen von 10–14 Millionen Kelvin vor. Unterhalb dieser Temperatur wird nur sehr wenig 4He produziert.
Proton-Proton-II-Kette
Bei der Proton-Proton-II-Kette dient ein vorhandener Heliumkern 4He als Katalysator, um mit einem 3He-Kern und einem Proton zwei 4He-Kerne herzustellen:
Die Proton-Proton-II-Kette läuft vorrangig bei Temperaturen von 14–23 Millionen Kelvin ab.
89,7 % der Neutrinos, die in der Sonne durch die zweite Reaktion erzeugt werden, besitzen eine Energie von etwa 0,863 MeV, während es bei den übrigen 10,3 % etwa 0,386 MeV sind,[5] abhängig davon, ob sich das entstandene Lithium 7Li im Grundzustand oder im angeregten Zustand befindet.
Der dritte Reaktionsschritt kann auch ohne die beiden ersten Reaktionen mit Lithium, das der Stern bei seiner Entstehung mitbekam, bei nur 2,5 Millionen Kelvin effektiv und mit hoher Energieausbeute ablaufen (Lithiumbrennen). Dadurch nimmt die Lithiumkonzentration in Sternen bereits vor dem Beginn des Wasserstoffbrennens ab.
Proton-Proton-III-Kette
Auch hier fungiert ein Heliumkern 4He als Katalysator.
Die Proton-Proton-III-Kette ist erst vorherrschend bei Temperaturen über 23 Millionen Kelvin und spielt bei heutigen Sternen mit ausreichend Vorkommen von C, N und O keine Rolle mehr, weil bereits bei Temperaturen ab 18 MK der CNO-Zyklus die vorherrschende Fusionskette darstellt. Für die ersten Sterne im Universum, als es noch keinen Kohlenstoff gab, war das aber der einzige Weg, Energie aus Wasserstoff freizusetzen.
Die Proton-Proton-III-Kette ist zwar nicht die Hauptenergiequelle der Sonne, deren Temperatur nicht hoch genug dafür ist, sie spielt aber bei der Erklärung des solaren Neutrinoproblems eine wichtige Rolle, da sie Neutrinos mit relativ hohen Energien von bis zu 14,06 MeV erzeugt (durchschnittlich etwa 6,735 MeV[5]), die sogenannten 8B-Neutrinos. Solche Neutrinos lassen sich in irdischen Neutrinodetektoren leichter nachweisen als die niederenergetischen. Die sehr hohe Neutrinoenergie führt auch dazu, dass die für den Stern nutzbare Energie (die für die Leuchtkraft und das hydrostatische Gleichgewicht verantwortlich ist) erheblich geringer ist, als bei dem CNO-Zyklus, der p-p-I- und p-p-II-Kette, weil die Neutrinos den Stern ohne Wechselwirkung verlassen können (nur 18,206 MeV vs. ~26 MeV).
Weitere Reaktionen
Neben den drei vorgenannten Reaktionen gibt es noch zwei seltener ablaufende.
Proton-Elektron-Proton-Reaktion
Bei der Proton-Elektron-Proton-Reaktion, kurz pep-Reaktion, fusionieren zwei Protonen und ein Elektron zu einem Deuteriumkern.
Die Reaktion tritt deswegen so selten auf – in der Sonne findet die konkurrierende Reaktion 1H + 1H → 2H + e+ + νe etwa 400 mal so häufig statt[6] –, da hier drei Teilchen nahezu simultan zusammentreffen müssen. Die Energie der erzeugten Neutrinos ist allerdings mit etwa 1,445 MeV deutlich höher.[5]
Helium-Proton-Reaktion
Noch seltener tritt die Helium-Proton-Reaktion (kurz Hep-Reaktion) ein, die direkte Fusion von Helium 3He mit einem Proton zu 4He.
Die bei dieser Reaktion emittierten Neutrinos können eine Energie von bis zu 18,778 MeV aufweisen; durchschnittlich besitzen sie eine Energie von 9,628 MeV.[5]
Asche
Die „Asche“ des Wasserstoffbrennens ist Helium 4He, das als Ausgangsstoff beim unter Umständen später einsetzenden Heliumbrennen dienen kann.
Siehe auch
Weblinks
- tim-thompson.com: Solar Fusion & Neutrinos
Einzelnachweise
- ↑ G. Bellini et al.: First Evidence of pep Solar Neutrinos by Direct Detection in Borexino. In: Physical Review Letters. Band 108, Nr. 5, 2012, S. 051302-2, doi:10.1103/PhysRevLett.108.051302.
- ↑ John N. Bahcall, M. H. Pinsonneault, Sarbani Basu: Solar Models: Current Epoch and Time Dependences, Neutrinos, and Helioseismological Properties. In: Astrophysical Journal. Band 555, Nr. 2, 2001, S. 990–1012, hier: 995, doi:10.1086/321493.
- ↑ Alfred Weigert, Heinrich Johannes Wendker, Lutz Wisotzki: Astronomie und Astrophysik : ein Grundkurs. 5., aktualisierte und erw. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2009, ISBN 978-3-527-40793-4, S. 215.
- ↑ Eric G. Adelberger et al.: Solar fusion cross sections. II. The pp chain and CNO cycles. In: Reviews of Modern Physics. Band 83, Nr. 1, 2011, S. 195–245, hier: 226, doi:10.1103/RevModPhys.83.195.
- ↑ a b c d e John N. Bahcall: Gallium solar neutrino experiments: Absorption cross sections, neutrino spectra, and predicted event rates. In: Physical Review C. Band 56, Nr. 6, 1997, S. 3391–3409, doi:10.1103/PhysRevC.56.3391.
- ↑ a b Eric G. Adelberger et al.: Solar fusion cross sections. II. The pp chain and CNO cycles. In: Reviews of Modern Physics. Band 83, Nr. 1, 2011, S. 195–245, hier: 201, doi:10.1103/RevModPhys.83.195.