Lothringerkreuz
Lothringerkreuz oder Lothringer Kreuz (französisch: Croix de Lorraine oder Croix d'Anjou) ist die Bezeichnung für ein Kreuz mit zwei gleich langen Querbalken, wobei meist der untere Querbalken vom unteren Ende des Längsbalkens so weit entfernt ist wie der obere Querbalken vom oberen. Diese Form war seit dem Mittelalter in Ungarn, Polen, Litauen, der Slowakei und Lothringen verbreitet.
Seit 1912 trug Elsass-Lothringen ein Patriarchenkreuz in seiner Flagge, ebenso von 1940 bis 1944 der französische Widerstand (Freie Französische Streitkräfte). Diese wurden aber auch Lothringerkreuz genannt. Dadurch kam es zu einer begrifflichen Vermischung der beiden Kreuze.
Geschichte
Slowakei, Polen und Litauen
Ein Kreuz mit zwei gleich langen Balken ist seit dem frühen Mittelalter bekannt, unter anderem auch als Rune. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert war ein Kreuz mit zwei gleich langen Querbalken das Wappenzeichen der Jagiellonendynastie, die weite Teile Ost- und Südosteuropas beherrschte.
Fürsten von Anjou
Grafen und Herzöge von Anjou (und Herzöge von Lothringen danach) benutzen Lothringerkreuze als Symbol der Reliquien des Heiligen Kreuzes von Angers.
- Kreuz auf dem Turm der Kathedrale von Angers (Anjou)
- Lothringerkreuz in Rydułtowy, Polen
- René II., Stich von 1519
- Stanislaus I. Leszczyńskis Wappen als Herzog von Lothringen
Elsass-Lothringen 1912 bis 1918
Seit 25. Juni 1912 trug das Reichsland Elsaß-Lothringen im Deutschen Kaiserreich ein Kreuz in seiner Flagge. Dieses Kreuz war der Form nach allerdings ein Patriarchenkreuz. Vom 11. bis 21. November 1918 trug die Republik Elsass-Lothringen dasselbe Kreuz in ihrer Flagge.
1940–1944 Freie Französische Kräfte
Im Zweiten Weltkrieg, nach der Kapitulation Frankreichs und der Installation der Vichy-Regierung unter Philippe Pétain im Sommer 1940, wählte sich die französische Exil-Regierung in London das Lothringerkreuz mit veränderten Querbalken als ihr Symbol. Georges Thierry d’Argenlieu schlug die Verwendung des Lothringerkreuzes am 1. Juli 1940[1] bei Charles de Gaulle vor, um ein dem Hakenkreuz entgegenzustellendes Symbol zu haben. Seitdem zogen die Freien Französischen Streitkräfte unter diesem Zeichen in den Kampf. Außerdem ist es auf drei französischen Orden bzw. Verdienstmedaillen aus dieser Epoche zu sehen: dem Ordre de la Libération, der Médaille de la Résistance und der Médaille commémorative des services volontaires dans la France Libre. Auf dem Kragenspiegel seiner Uniform trug de Gaulle indes eine andere Variante des Kreuzes, die man als „Patriarchen-Kleeblattkreuz“ beschreiben könnte – es war ein Kreuz mit kleeblattförmig endenden Armen, wie in alten Wochenschauen zu sehen ist.
Das Lothringerkreuz ist bis heute als Symbol der Freien Französischen Kräfte präsent. Als Zeichen der Exilregierung und in Erinnerung an die geglückte Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie 1944 („Operation Overlord“) stehen einige Lothringerkreuze an den dortigen Landungsstränden. Das Denkmal für Charles de Gaulle in Colombey-les-Deux-Églises zeigt ein Lothringerkreuz. Die letzten beiden Schiffe der Seekräfte des freien Frankreichs (FNFL), die noch im aktiven Dienst der heutigen französischen Marine stehen – die beiden Segelschulschiffe Belle Poule und Étoile –, setzen auch im 21. Jahrhundert traditionell die FNFL-Gösch mit dem Lothringerkreuz. Das 2018 erneuerte Logo des Élysée-Palasts schmückt ebenfalls das Lothringerkreuz.
- Soldatenhelm der Freien Französischen Kräfte
- 1940–1944 Flagge der Freien Französischen Kräfte
- Zweite Division der Französischen Armee
- 1940–1944 Gösch der Freien Französischen Seekräfte (FNFL)
- Lothringerkreuz auf einer Tankette vom Typ Renault UE Chenillette
- Médaille de la Résistance mit Rosette
- Étoile und Belle Poule mit der Gösch der FNFL
- De-Gaulle-Denkmal in Colombey, 1972
Nach der Libération
Seit 1945 ist das Lothringerkreuz das Symbol des französischen Gaullismus.
Sonstiges
- Ein verwandtes Symbol benutzt die American Lung Association.
Schriftzeichen
☨ |
In Unicode ist im Block „Verschiedene Symbole“ als U+2628 cross of lorraine ein Zeichen enthalten, dessen in den Codetabellen dargestellte Glyphe[2] jedoch keine eindeutige Abgrenzung zum Patriarchenkreuz zeigt.
Ein dem Gestaltungsprinzip des Lothringerkreuzes nahekommendes Zeichen ist das Langdoppelkreuz (U+2021 double dagger im Unicode-Block „Allgemeine Interpunktion“), das jedoch in vielen Schriftarten eine für Kreuz-Symbole ungeeignete Gestaltung hat (insbesondere ist die Darstellung von Längs- und Querbalken häufig nicht rechteckig).
Ein anderes solches Zeichen ist U+29E7 thermodynamic („Senkrechter Balken gekreuzt von zwei Horizontalen“)[3] im Unicode-Block „Verschiedene mathematische Symbole-B“.
Literatur
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim u. a. 1984, ISBN 3-411-02149-7.
Siehe auch
Weblinks
- Mark R. Hatlie: War Memorials at Church in Tuebingen/Kilchberg, auf sites-of-memory.de. (Das ursprüngliche Lothringerkreuz wurde an dem Ehrenmal verwendet.)
Einzelnachweise
- ↑ Pierre Quatrepoint: Georges Thierry d'Argenlieu (7 août 1889–7 septembre 1964). Auf: guerre-mondiale.org.
- ↑ Code Tables — Miscellaneous Symbols. (PDF; 368 kB) Unicode Consortium, abgerufen am 3. August 2012.
- ↑ Code Tables — Miscellaneous Mathematical Symbols B. (PDF; 211 kB) Unicode Consortium, abgerufen am 12. September 2012: „vertical bar crossed by two horizontals“