Obergaden
Der Obergaden, auch als Lichtgaden oder Fenstergaden bezeichnet (lateinisch claristorium oder clerestorium, englisch clerestory oder overstorey, französisch claire-voie, italienisch cleristorio), ist die obere Wandfläche des Mittelschiffs einer Basilika.
Der Obergaden befindet sich über den meist als Pultdächer ausgeführten Dächern der Seitenschiffe und ist mit Fenstern durchbrochen. Als solches ermöglicht der Obergaden eine direkte Belichtung des Mittelschiffes. Die Fenster in den Außenwänden der Seitenschiffe werden in Gegenüberstellung zum Obergaden auch als „Untergaden“ bezeichnet.
Im Gegensatz zur Basilika ist das Mittelschiff einer Hallenkirche ohne Obergaden und wird durch die Fenster der Seitenschiffe belichtet. Ist der Obergaden deutlich ausgebildet aber fensterlos, spricht man von einer Pseudobasilika. Bei (anderen) Staffelhallen ragt das Mittelschiff zwar auch höher als die Seitenschiffe, aber es gibt keine oder kaum Wände über den Arkaden.
Formen
Der Obergaden kann sehr unterschiedlich ausgebildet sein. Außer dem Höhenunterschied von Mittelschiffstraufe und Seitenschiffsdächern ist von Bedeutung, auf welcher Höhe die Mittelschiffsgewölbe im Verhältnis zu Seitenschiffsdächern und Obergadenfenstern liegen.
- Notre-Dame de Paris, Kämpfer der Gewölbe in Höhe der Fenstermitten, Emporenbasilika
- Chor des Magdeburger Doms, Kämpfer von Gewölbe und Fenstern etwa in gleicher Höhe, Empore über Chorumgang
- Straßburger Münster, Kämpfer der Gewölbe etwas unter der Mitte der Fenster, Triforiumsgeschoss
- Berner Münster, Kämpfer der Gewölbe in Höhe der Fensterbänke, Triforiumsgeschoss
- Marienkirche in Lübeck, untere Hälfte der Fenster blind
- Santa Maria del Mar, Barcelona, unterer und oberer Obergaden
- Santa Maria del Mar, Kapellenzeile und unterer Obergaden
Entstehung des Begriffs
Der Obergaden überragt die Wirtschaftsgebäude des Mittelalters, d. h. die an die Außenwand der Kirche angebauten „Gaden“ (auch: Gadem = „Verschlag“, „Schuppen“, „Haus“), und erhält daher seinen Namen, den er auch bei den späteren mehrschiffigen Kirchengebäuden beibehält, deren Anbauten weiter vom Hauptschiff abrücken.[1] Freistehende Kirchen sind im Übrigen erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts üblich, im Städtebau des Mittelalters waren die Kirchen fest umbaut.[2]
- Paris, 16. Jh., Notre-Dame (Modell): Die freien Plätze um die Stadtkirchen sind eine städtebauliche „Erfindung“ des 19. Jh.
- Wien, Stephansdom: Reste der Gadenbauten bis heute erhalten
Quellen
- Wilfried Koch: Baustilkunde. Das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. 33. Auflage. Prestel, München-London-New York 2016, ISBN 978-3-7913-4997-8, S. 465.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Barbara Schock-Werner: Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn 1573–1617 – Struktur, Organisation, Finanzierung und künstlerische Bewertung. Schnell + Steiner, Regensburg 2005, ISBN 9783795416232, S. 269.
- ↑ Hans-Eckhard Lindemann: Historische Ortskerne in Mainfranken. Geschichte, Struktur, Entwicklung. Callwey, München 1989, ISBN 9783766709189, S. 90 ff.