Inhibitor
Ein Inhibitor (lateinisch inhibere ‚unterbinden‘, ‚anhalten‘) ist ein Hemmstoff, also ein Stoff, der eine oder mehrere Reaktionen – chemischer, biologischer oder physikalischer Natur – so beeinflusst, dass diese verlangsamt, gehemmt oder verhindert werden. In der Biochemie und der Pharmakologie werden Inhibitoren als enzymhemmende Stoffe verwendet. Auch in Chemie und Technik spielen sie eine Rolle. Das Gegenteil von Inhibitoren sind Aktivatoren.
Inhibitoren in der Biochemie, Pharmakologie und Toxikologie
Inhibitoren hemmen oder verzögern biochemische Stoffumsetzungen, also Enzymreaktionen.[1] Dabei kann es je nach Substanztyp zu einer reversiblen oder irreversiblen Hemmung kommen.
Bei der reversiblen Enzymhemmung gibt es verschiedene Mechanismen:
- Kompetitive Hemmungen: Hier konkurriert der Inhibitor mit dem Substrat (dem umzusetzenden Stoff).
- Allosterische Hemmungen: Hier verändert der Inhibitor die Molekülstruktur des Enzyms, sodass das Substrat nicht mehr gebunden und deshalb nicht umgesetzt werden kann. Eine Sonderform der allosterischen Hemmung ist die Produkthemmung. Bei dieser Form der Hemmung reguliert die Produktkonzentration, wie im Beispiel der HMG-CoA-Reduktase bei der Cholesterinbiosynthese, den Verlauf des enzymkatalysierten Reaktionswegs.
Inhibitoren in der Mikrobiologie
In der Mikrobiologie wird die Bezeichnung Hemmstoff für Stoffe verwendet, die das bakterielle Wachstum hemmen oder verzögern. So können Nährmedien einen Zusatz von Hemmstoffen enthalten, die das Wachstum von einer Gruppe von Bakterien unterdrücken, während andere Bakterienarten damit selektiv kultiviert werden können. Solche Nährmedien sind daher häufig Selektivmedien, beispielsweise MacConkey-Agar oder XLD-Agar zur Isolierung und Differenzierung von gramnegativen Enterobacteriaceae. Als Hemmstoffe werden entweder Antibiotika oder zur Hemmung von grampositiven Bakterien bestimmte Farbstoffe, wie Kristallviolett oder Brillantgrün verwendet.[2]
Auch im Bereich der mikrobiologischen Untersuchung von Milch, Milchprodukten und anderen Lebensmitteln tierischen Ursprungs werden Hemmstoffe verwendet. In der Milch-Güteverordnung ist in § 3 festgelegt, dass in der zur Verarbeitung angelieferten Milch keine nachweisbaren Hemmstoffe enthalten sein dürfen. Hierbei kann es sich unter anderem um Antibiotika, Reinigungs- und Desinfektionsmittel und Konservierungsmittel handeln,[3] die die Milchsäurebakterien hemmen, so dass z. B. die Verarbeitung zu Joghurt nicht gelingt.[4] In einem mikrobiellen Screening erfolgt die Untersuchung auf Hemmstoffe in Milch oder anderen Lebensmitteln. Dies geschieht beispielsweise durch bakterielle Reduktionstests (BRTs) oder mit Hilfe von Gel-Nährmedien in Plattenform, auf denen sich ein Test-Bakterium normalerweise zu einem sogenannten Bakterienrasen entwickelt. Auf diesem Nährmediumsgel werden die zu untersuchenden Proben in geeigneter Form aufgebracht. Sind Hemmstoffe in einer Probe enthalten, wird das Test-Bakterium an der Probenaufbringungsstelle und in einem Diffusionshof darum herum im Wachstum behindert (Ausbildung eines Hemmhofs). Derartige Untersuchungen werden als Hemmstofftest oder Agardiffusions-Verfahren bezeichnet.[3] Eine ähnlich verlaufende Untersuchung im medizinischen Bereich ist das Antibiogramm.
Inhibitoren in der Medizin
Inhibitorische Antikörper, die gegen den substituierten Gerinnungsfaktor VIII gebildet werden, sind eine gefürchtete Komplikation bei der Hämophilie (Bluterkrankheit); sie reduzieren die Wirksamkeit dieses Faktors, weshalb oft eine hochdosierte Substitution notwendig wird. Manchmal führen sie auch zum kompletten Wirkungsverlust.
Inhibitoren in der Chemie
Chemische Inhibitoren (Passivatoren, Hemmstoffe, Verzögerer, Antikatalysatoren, negative Katalysatoren) werden z. B. eingesetzt, um oxidative Veränderungen in Lebensmitteln zu verhindern (→ Antioxidantien) oder die Geschwindigkeit von Polymerisationen zu kontrollieren.[5] In der makromolekularen Chemie werden Inhibitoren, wie Propadien, auch dazu benutzt, eine Polymerisation zu stoppen und Aussagen zur relativen Konzentration aktiver Zentren (Stellen, an denen die Polymerisation dynamisch fortschreitet) zu treffen.[6] In katalytischen Prozessen wirken Inhibitoren als Katalysatorgift, beispielsweise Blei in Fahrzeugkatalysatoren.
Bei der Verarbeitung von Gips oder Beton werden Inhibitoren als Verzögerer zugesetzt, um das allzu schnelle Abbinden dieser Baustoffe zu verhindern. Ein Gips, in dem der Verzögerer bereits enthalten ist, wird unter dem Handelsnamen Moltofill® vermarktet.
In der Petrochemie werden dem Rohöl oder Erdgas verschiedene Inhibitoren hinzugefügt, um zu verhindern, dass sich während des Transports durch Pipelines an deren Wänden Gashydrate absetzen, die durch den erhöhten Druckabfall zu einer geringeren Fördermenge führen und Ventile verstopfen können.
In der Brandbekämpfung kommen Inhibitoren bei den Brandklassen B und C sehr häufig in Form von Löschpulver (heterogene Inhibition) und mittlerweile auch wieder vereinzelt in Form von Halonen (homogene Inhibition) zum Einsatz. Siehe auch: Inhibition (Feuerwehr).
Inhibitoren in der Elektrochemie
In der Elektrochemie werden Inhibitoren u. a. zum Schutz von Oberflächen vor Korrosion eingesetzt. Dabei lagern sich durch Adsorption z. B. organische Moleküle an der Oberfläche an und blockieren Reaktionen mit der Umgebung. Bei den Korrosionsinhibitoren sind die VCI-Mittel (Volatile Corrosion Inhibitor) als temporärer Schutz weit verbreitet. In geschlossenen Systemen, wie z. B. Kühlkreisläufen, können dem Medium Korrosionsinhibitoren zugesetzt werden.
Inhibitoren in der Technik
In der Heizungs- und Klimatechnik sowie der Wasserdampftechnik werden Inhibitoren dem Kühl- und Heizkreislauf bzw. allgemein dem Wasserkreislauf zugesetzt. Damit werden unerwünschte Reaktionen (zum Beispiel Korrosion) verhindert. Einer der Zusatzstoffe ist Hydrazin, N2H4, welches den im Wasser bzw. Nassdampf vorhandenen Sauerstoff unter Freisetzung von Stickstoffdioxid bindet. Mit der Zugabe von Hydrazin entstehen stark alkalische Lösungen mit einem pH-Wert von 12 bis 13, welche die für alkalische Lösungen erforderlichen Sicherheitseinrichtungen notwendig machen.
Gegenwärtig wird Hydrazin als Konditionierungsmittel für die Speisewasseraufbereitung in Kraftwerksanlagen verwendet. Allerdings beschränkt sich der Einsatz auf Hochdruckanlagen bzw. auf Anlagen im hyperkritischen Bereich. Bei Betriebsdrücken bis 125 bar werden heute bereits erfolgreich Ersatzstoffe verwendet.
In der Lebensmitteltechnik darf Hydrazin nur verwendet werden, wenn die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten werden.
Ein vielen Schmierstoffen zugesetztes Additiv ist ein sogenannter Korrosionsinhibitor, dessen Aufgabe es ist, metallische Oberflächen z. B. in Motoren vor Korrosion zu schützen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Siegfried Ebel, Hermann J. Roth (Hrsg.): Lexikon der Pharmazie. Georg Thieme, Stuttgart u. a. 1987, ISBN 3-13-672201-9, S. 338.
- ↑ Eckhard Bast: Mikrobiologische Methoden: Eine Einführung in grundlegende Arbeitstechniken. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin 2001, ISBN 978-3-8274-1072-6, S. 149–150.
- ↑ a b Klaus Pichhardt: Lebensmittelmikrobiologie: Grundlagen für die Praxis. 1. Auflage. Springer Verlag, Heidelberg/Berlin 1984, ISBN 3-540-13522-7, S. 70–76.
- ↑ Karl Zickrick u. a.: Mikrobiologie tierischer Lebensmittel. Eine Einführung. 2. Auflage. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt 2001, ISBN 3-87144-633-5, S. 36–40, 96–100.
- ↑ Brockhaus ABC Chemie. Band 1: A – K. VEB F. A. Brockhaus-Verlag, Leipzig 1965, S. 579.
- ↑ Manfred Dieter Lechner, Klaus Gehrke, Eckhard H. Nordmeier: Makromolekulare Chemie. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Birkhäuser, Basel u. a. 2010, ISBN 978-3-7643-8890-4, S. 98.