Jo Lendle

Jo Lendle, 2023

Jo Lendle (* 28. Februar 1968 in Osnabrück als Johannes Lendle) ist ein deutscher Schriftsteller. Er ist Verleger des Carl Hanser Verlages.[1][2]

Leben und Wirken

Jo Lendle wuchs in Washington und Göttingen auf. Er studierte Literatur, Kulturwissenschaften und Philosophie in Hildesheim und an der Université du Québec à Montréal und war erster Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Das Studium an der Universität Hildesheim schloss er ab mit einer Arbeit über Die Rückseite der Sätze. Strukturkomplexe im Werk Herta Müllers. 1996/1997 gab er die Literaturzeitschrift Edit heraus. Ab 1997 war er als Lektor für deutschsprachige Literatur am Aufbau des DuMont-Literaturprogramms beteiligt. Zudem lehrte er als Gastprofessor und Dozent an den Universitäten München, Leipzig, Hildesheim und am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2006 wurde Lendle Programmleiter für deutschsprachige Literatur und 2010 Verlegerischer Geschäftsführer des DuMont Buchverlags. Seit Anfang 2014 ist er Verleger des Hanser Verlags.

Ehrenamtliche Tätigkeiten und Mitgliedschaften

Ehrenamtlich ist Jo Lendle Vorsitzender des Verlegerausschusses und Mitglied im Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Stiftungsrat des Literaturhauses München, Beirat des Zentrums für Buchwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München, Schirmherr des Literaturförderprogramms der Stiftung Niedersachsen, Mitglied im Kuratorium der Deutschen Schillerstiftung, Juror u. a. des Heinrich-Heine-Preises der Stadt Düsseldorf und des W.-G.-Sebald-Literaturpreises. Von 2017 bis 2022 war er Mitglied im Kuratorium des Deutschen Literaturfonds, von 2018 bis 2021 Mitglied in der Jury des Deutschen Buchhandlungspreises. Jo Lendle ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und Mitgründer des PEN Berlin.[3]

Literarisches Werk

Jo Lendle debütierte mit Unter Mardern, einem Band aus Miniaturen, der reich an Ideen und arm an Personal auftritt. Die F.A.Z. befand: „Vergnüglich wird Lendles Prosa immer dort, wo gar nichts passiert. Und unwiderstehlich ist sie, wenn sie davonschwebt ins zwecklose Blau.“[4] Seine Romane dagegen erzählen von Menschen: Hauptfiguren sind Einzelgänger mit der Neigung zu einer Einsamkeit, die nicht als Unglück empfunden wird. In Die Kosmonautin ist das Hella Bruns. Ihr Sohn hat einen Flug zum Mond gewonnen, kommt aber bei einem Unfall zu Tode. Hella tritt die Reise an seiner Stelle an. Der Roman schildert ihre Fahrt zum Weltraumbahnhof, die mit dem Wissen um das eigentliche Ziel einen überirdisch-unwirklichen Charakter bekommt: „Die Fassbarkeit des Unfassbaren in diesem Roman verdankt sich Jo Lendles überzeugender Schreibkunst.“ (NZZ)[5]

Mein letzter Versuch, die Welt zu retten ist ein historischer Roman aus den 1980ern. Florian Beutler will im Wendland Atommülltransporte blockieren. Mit zarter Ironie legt das Buch Widersprüche der Widerstandsbewegung bloß. 3sat-Kulturzeit meinte: „Selten wurde so gut über einen bedeutsamen Tag X in der deutschen Geschichte geschrieben.“ Die Romanbiographie Alles Land erzählt das Leben Alfred Wegeners. Neben Wissenschaftsgeschichte und Zeitpanorama ist es das Denkmal eines zweifelnden Solipsisten bis zum Tod im Grönlandeis. Deutschlandfunk: „Eine poetische Biografie, so originär und wunderbar zu studieren wie eine Eisblume.“[6]

Was wir Liebe nennen berichtet von der Zerrissenheit des Zauberers Lambert zwischen Wirklichkeit und Traum und zwischen zwei Lieben. Laut F.A.Z. „ein raffiniertes Spiel mit dem romantischen Doppelgängermotiv“.[7] Die eigene Herkunft ließ Lendle einfließen in den Roman Eine Art Familie um seinen Großonkel Ludwig Lendle, der den Schlaf erforschte. Der WDR urteilte: „Sehr lesenswert – Jo Lendle gelingt mit Detailwissen, Humor und philosophischer Reflexion eine wahrhafte Fiktion über eine ganze Epoche.“

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

Übersetzungen
Commons: Jo Lendle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der Hanser Verlag im Generationswechsel. In: FAZ vom 15. Dezember 2012, Seite 35.
  2. Der Richtige. Warum Jo Lendle eine glänzende Wahl als neuer Hanser-Chef ist. In: Die Zeit vom 19. Dezember 2012.
  3. Mitglieder des Pen Berlin. Pen Berlin, abgerufen am 21. November 2022.
  4. Heinrich Detering: Marder schwingt Turnbeutel. In: FAZ.NET. 16. Mai 2000, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. September 2023]).
  5. Samuel Moser: Grundlos aufgehoben. In: Neue Zürcher Zeitung. 29. Juli 2008, abgerufen am 4. September 2023.
  6. Katrin Schumacher, Deutschlandfunk Kultur: Ein literarischer Temperatursturz. Abgerufen am 4. September 2023.
  7. Sandra Kegel: Jo Lendles neuer Roman: Der Doppelgänger. In: FAZ.NET. 13. August 2013, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. September 2023]).