Ivo Strigel

Ivo Strigel: Madonna, Pfarrkirche St. Oswald, Otterswang
Der Strigel-Altar in der St.-Georgs-Kapelle (Obersaxen)

Ivo Strigel (* 1430; † 1516 in Memmingen; auch Yvo Strigel) war ein deutscher Bildhauer und Unternehmer aus der süddeutschen Künstlerfamilie Strigel. Er war ein Bruder von Hans Strigel dem Jüngeren und der Vater von Bernhard Strigel. Ivo Strigel war seit ca. 1480 der Inhaber einer Künstler-Werkstatt in Memmingen, die zahlreiche Altäre herstellte und diese in Süddeutschland, Tirol, Graubünden und im Tessin vertrieb.

Werke im Bistum Chur

Dem Vorderrheintal entlang zogen im Schutze der kaisertreuen Benediktiner-Reichsabtei Disentis schon ottonische Kaiser über den 1914 m hohen Lukmanierpass nach Italien. Fast alle spätgotischen Flügelaltäre Graubündens wurden von schwäbischen Künstlern geschaffen; auch viele Werke Ivo Strigels sind darunter. In der Zeit zwischen 1450 und 1525 wurden in dem großen aber bevölkerungsarmen Bistum Chur, das mit Ausnahme des Puschlavs dem heutigen Kanton Graubünden entspricht, nahezu hundert spätgotische Kirchen gebaut. Aufgrund bischöflicher Visitationsberichte aus den Jahren 1623 bis 1643 lassen sich 90 Altäre belegen, die aus dem Schwabenland stammen. Ihre Zahl könnte noch größer sein, da in besagten Gebieten teilweise auch die Reformation stattfand und viele Altäre dem Bildersturm zum Opfer fielen. Im Mittelpunkt des Bildprogramms in Graubünden steht zumeist Maria die Gottesgebärerin, die durch ihren Sohn der Menschheit die Erlösung brachte. Sie überreicht meist dem kraftvollen Kind auf ihrem Arm den Apfel als Zeichen für die Erlösung der Menschheit aus ihrer sündigen Erdgebundenheit. Die Heiligen Sebastian und Rochus helfen gegen die Pest und sonstige im spätmittelalterlichen Graubünden verbreitete Seuchen. Im sorgenvollen Alltag der damals noch armen Bergdörfer geben Maria Magdalena, die erlöste Sünderin, Barbara, Margaretha, Katharina und Nikolaus ihre Unterstützung. Das Transportwesen durch Graubünden über die Pässe war streng organisiert. Rodgenossenschaften waren für den Zustand der Brücken und für den reibungslosen Ablauf des Warenhandels verantwortlich. Für die Stärkung der Glaubensgewissheit ist Johannes der Täufer dargestellt. Für die großen Handelshäuser der damaligen Zeit, der Vöhlin, Welser oder Fugger mit ihren Transportgesellschaften ist belegt, dass jene schweizerischen Gemeinden mit ihren Säumern und Fuhrleuten begünstigt und bevorzugt mit religiösen Gegenständen, wie Flügelaltäre und Madonnen ausgestattet wurden, die sicheres Geleit auf dem Handelsweg nach Italien geboten. Außerdem hoffte man dadurch auch himmlischen Beistand auf den beschwerlichen Reisen durch die unwegsamen Alpen zu erhalten.

Schaffensphasen

Das Wirken der Werkstatt von Ivo Strigel wird in drei zeitliche Schaffensphasen unterteilt. In der ersten Phase vermutet man, dass Strigel noch selbst als Bildhauer tätig war. An dem Marienaltar der Pfarrkirche St. Johannes Baptista (Sogn Gions) in Disentis/Mustér steht rückseitig die Inschrift: „completum est hoc opus per magistrum Yvonum Strigel de Memmingen 1489“. An dieser Inschrift orientierten sich die Sachverständigen bei der Zuordnung der Flügelaltäre der ersten Phase. Die ausgeführten Werkstücke der zweiten Phase lassen den Schluss zu, dass die Memminger Werkstatt durch Aufträge überlastet war und auch in auswärtigen Werkstätten anfertigen ließ.

1. Phase (1486–1493) 2. Phase (1494–1505) 3. Phase (1506–1514)
St. Eusebius, Brigels Sta. Maria del Castello, Osogna St. Sebastian, Degen
Sogn Gions, Disentis/Mustér Sta. Croce Rotonda, Plurs S. Nicolao, Grono (heute Rätisches Museum Chur)
St. Georg, Obersaxen-Meierhof St. Jakobus und Philippus, Morissen Sta. Maria di Calanca, heute Basel

In der dritten Schaffensphase von 1506 bis 1514 entstand wieder ein für die Werkstatt verbindlicher Figurenstil. Christof Scheller übernahm ab 1506 die Strigel-Werkstatt.

Werke (Auswahl)

  • Flügelaltar 1489 für die Pfarrkirche in Disentis (Graubünden), signiert
  • Memminger Altar, ein Flügelretabel aus der Werkstatt der Brüder Ivo Strigel und Hans Strigel dem Jüngeren (Signatur: fecit Claus Strigel 1500[1]) in der Frauenkirche (München)
  • Herz-Jesu-Altar, fertiggestellt von Ivo Strigel 1505 im Kaiserdom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main
  • Calanca Altar, ein Flügelretabel aus der Werkstatt Ivo Strigel (Mitarbeit Christoph Zeller und andere), 1512, nun im Historischen Museum Basel[2]. Sehr gutes Erklärvideo dazu siehe[3]
  • Flügelaltar in der Katholischen Pfarrkirche Son Giagl (Bivio), neu geweiht 1518; Ivo Strigel von Pöschel zugeschrieben.
  • Flügelretabel in der Katholischen Pfarrkirche St. Calixtus, vor 1519 Ivo Strigel von Pöschel zugeschrieben.
  • Vom Flügelretabel in der Pfarrkirche von Damüls in Vorarlberg befinden sich dort noch eine Krönungsgruppe der Maria und die Darstellung eines auferstandenen Christus, um 1505. Zwei Tafeln dieses Retabels mit Darstellungen der Hl. Katharina und der Hl. Barbara befinden sich in der Gemäldegalerie Berlin.[4]
  • Zwei Tafeln eines Altarretabels aus der Nikolaikirche in Isny mit Darstellung der Hl. Katharina und der Hl. Barbara befinden sich heute im Dominikanermuseum in Rottweil. Die restlichen Tafeln gelten als verschollen.[5]

In seiner Heimatstadt Memmingen gibt es das Strigel-Museum, in dem zahlreiche Exponate von ihm und der Künstlerfamilie Strigel gezeigt werden. Jedoch sind leider nur noch in Graubünden vollständige Flügelretabel vorhanden.

Literatur

  • Franz Xaver Weizinger: Hans Strigel 1461, Ivo Strigel 1430–1516, Claus Strigel um 1500 (= Die Malerfamilie der „Strigel“ in der ehemals freien Reichsstadt Memmingen. Band 1). München 1908.
  • Gertrud Otto: Grundsätzliches zur plastischen Tätigkeit Ivo Strigels. In: Memminger Geschichtsblätter 20 (1935), S. 1–6.
  • Hans Röhm: Ivo Strigel, Hans Strigel, Thoman Bocksdorfer. München 1939.
  • Erwin Poeschel: Der Altar des Yvo Strigel in Disentis. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 5 (1943), S. 16–20.
  • Albrecht Miller: War Ivo Strigel wirklich Bildhauer? In: Jahrbuch des Vereins für christliche Kunst in München 16 (1987), S. 62–72.
  • Elsbeth Wiemann: Altdeutsche Malerei. Herausgegeben vom Stuttgarter Galerieverein e. V. Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1989.
  • Susanne Buder: Der Flügelaltar aus Santa Maria in Calanca von Ivo Strigel 1512. Liz. Basel, 1999.
  • Elfriede Th. M. Virchow: Schätze im Verborgenen. Die Altäre von Ivo Strigel in Graubünden. Terra Grischuna, Chur 2004, ISBN 3-7298-1144-4.
  • Albrecht Miller: Der Bildhauer des Strigel-Altars in Disentis, Konrad Köppel? In: Aachener Kunstblätter 65 (2011/13), S. 72–97.
  • Leo Andergassen: Der Schnitzaltar von Ivo Strigel aus St. Veit am Tartscher Bühel. In: Ders., Michaela Frick (Hrsg.): Conservatum est. Festschrift für Franz Caramelle zum 70. Geburtstag. Innsbruck 2014, S. 27–50.
  • Thomas Freivogel: Yvo Strigel. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 8. Dezember 2017.
  • Enikő Zsellér: Die Künstlerfamilie Strigel. Studien zur spätgotischen Malerei in Memmingen. Michael Imhof-Verlag, Petersberg 2017, ISBN 978-3-7319-0563-9.
  • Walter Müller: Spätgotische Altäre in Graubünden aus der Memminger Werkstatt von Ivo Strigel (1430–1516). Fehraltdorf 2017.
  • Guido Scaramellini: Werke des Deutschen Künstlers Ivo Strigel im Valchiavenna (1494 und 1499). In: Memminger Geschichtsblätter 97 (2022), S. 31–54.
  • Stefan Zumbühl u. a.: Historische Quellen zur Farbherstellung und Fassungstechnik von Inkarnaten um 1500. Der Solothurn Codex S 392 als Dokument für den Arbeitsprozess im Spätwerk der Werkstatt Ivo Strigel. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 37 (2024), S. 207–226.
Commons: Ivo Strigel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „Irrig Claus Strigel beschriftet“ laut Ernst Götz u. a. (Bearbeiter): Bayern IV: München und Oberbayern (= Georg Dehio [Begründer], Dehio-Vereinigung [Hrsg.]: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler). 3. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2006, ISBN 978-3-422-03115-9, S. 742.
  2. o.A.: Grosser Flügelaltar aus der Kirche in Sta. Maria in Calanca. In: Historisches Museum Basel. Abgerufen am 30. Dezember 2023.
  3. Die Geschichte des Calancaaltars. Historisches Museum Basel, abgerufen am 30. Dezember 2023.
  4. o.A.: Ivo Strigel: Hl.Barbara und Hl.Katharina. In: Gemäldegalerie Berlin. Abgerufen am 23. März 2024.
  5. o.A.: Ivo Strigel: Hl.Barbara und Hl.Katharina. In: Dominikanermuseum Rottweil. Abgerufen am 23. März 2024.