Herbert Ziergiebel

Herbert Ziergiebel (* 27. Juni 1922 in Nordhorn; † 11. September 1988 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller.

Leben

Anmeldeformular von Herbert Ziergiebel als Gefangener im Konzentrationslager Dachau
Dachauer Registrierungskarte. Roter Stempel: „Befreit von der US-Armee aus einem Außenkommando“
Grab auf dem Karlshorster und Neuen Friedrichsfelder Friedhof

Herbert Ziergiebel wollte ursprünglich Ingenieur werden und erlernte zunächst den Beruf des Schlossers. Danach war er einige Zeit als technischer Zeichner und Konstrukteur tätig. Während des Krieges war er im antifaschistischen Widerstand aktiv und wäre wegen illegaler Flugblätter in seiner Wohnung beinahe verhaftet worden, konnte aber kurz davor fliehen. Er tauchte zunächst in Tirol unter, wurde jedoch 1942 doch noch verhaftet und erst in Innsbruck, dann im KZ Dachau inhaftiert. Dort flüchtete er unter abenteuerlichen Umständen kurz vor der Befreiung 1945 durch die Amerikaner. (Seine Dachauer Registrierungskarte widerspricht dieser letzten Behauptung.)

Er studierte nach dem Krieg Philosophie und Geschichte an der Humboldt-Universität in Berlin. Einige Jahre war er als Journalist u. a. in Budapest tätig, von wo er während des Volksaufstandes 1956 zurückbeordert wurde. Er hatte aber auch schon seine ersten Veröffentlichungen als freier Schriftsteller in Presse und Rundfunk (u. a. die Hörspiele Auf Wiedersehen, Gustav und Wie es kam, daß Kapitän Brown seine Wette verlor, 1950).

Sein erster Roman Rebellen um Ferdinand von Schill wurde 1953 veröffentlicht. Es folgten zeitgeschichtliche Romane und Erzählungen wie 1959 Das Gesicht mit der Narbe (1962 verfilmt unter dem Titel Die letzte Chance) und 1962 Satan hieß mich schweigen, in denen er sich mit seiner Zeit im KZ, seiner angeblichen Flucht und den Wirren danach auseinandersetzt. Eine erste Skizze zu Das Gesicht mit der Narbe wurde bereits 1955 als autobiografische Kurzgeschichte unter dem Titel Die Flucht aus der Hölle veröffentlicht. Sein fast vergessener Roman Wenn es Tag wird (1963) ist ein familienbiografisches Werk, das in der Zeit der Weimarer Republik angesiedelt ist.

Nach seiner „historischen Phase“ verlegte sich Ziergiebel auf Philosophisch-Fiktionales und veröffentlichte 1966 beim Verlag Das Neue Berlin seinen vielbeachteten Science-Fiction-Roman Die andere Welt, der die inneren Konflikte einer Raumschiffbesatzung schildert, die durch einen Unfall ins Weltall hinauskatapultiert wurde und mit der Tatsache ihres nahenden Todes zurechtkommen muss. Das Buch erlebte zahlreiche Nachauflagen und wurde ins Tschechische und ins Ungarische übersetzt. Franz Rottensteiner schrieb dazu: „Größere Ambitionen verrät Herbert Ziergiebels Raumfahrtroman Die andere Welt, eine ehrgeizige psychologische Studie einiger havarierter Raumfahrer.“[1]

1972 folgte Zeit der Sternschnuppen, in dem der Protagonist des Buches (samt seinem Dackel Waldi) von Aliens aufgelesen wird, weil ihnen aufgefallen ist, dass das irdische Mädchen, das sie vor ein paar tausend Jahren in Babylon mitgenommen hatten und das infolge Dilatation kaum gealtert ist, nun einen Sexualpartner benötigen könnte. Großzügig setzen sie ihn und den Dackel noch einmal zu Hause ab, damit er sich zwischen seiner Heimat einerseits und einer Existenz zwischen den Sternen andererseits entscheiden kann. Er entscheidet sich gegen das Abenteuer.

Zerwürfnisse mit dem Schriftstellerverband der DDR im Zusammenhang mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann, gegen die er sich mit einer Protesterklärung wandte,[2] ließen es ruhiger werden um Herbert Ziergiebel. Er veröffentlichte lediglich noch die Science-Fiction-Erzählung Die Experimente des Professors von Pulex (erschienen im Sammelband Der Mann vom Anti) und 1975 unter dem Titel Vizedusa eine Sammlung humoristischer Anekdoten.

Danach zog er sich auf sein Grundstück Manik Maya in Spreeau bei Berlin zurück, das seinen Lesern auch als Start- und Landeplatz der Raumschiffe aus seinen Romanen bekannt ist. Dort beschäftigte er sich viel mit Astronomie und verlegte sich auf die Malerei.

Die Probleme der Umwelt und die Zukunft der Menschheit sollten das Thema eines weiteren Romans werden, der auf mehrere hundert Seiten angewachsen unter dem Arbeitstitel Am Tag als der Laleb kam unvollendet blieb.

Herbert Ziergiebel starb nach kurzer, schwerer Krankheit an einem Krebsleiden. Sein Grab befindet sich auf dem evangelischen Karlshorster und Neuen Friedrichsfelder Friedhof in Berlin-Karlshorst.

Bibliografie

  • Rebellen. Roman um Ferdinand von Schill. Das Neue Berlin, Berlin 1953.
  • Die Flucht aus der Hölle. Das neue Abenteuer #59. Verlag Neues Leben, Berlin 1955.
  • Der letzte Schleier. Albanische Reisebilder. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1956.
  • Wenn es Tag wird. Tribüne, Berlin 1959.
  • Das Gesicht mit der Narbe. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1959.
  • Satan hieß mich schweigen. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1962.
  • Die andere Welt. Phantastischer Roman. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1966.
  • Zeit der Sternschnuppen. Phantastischer Roman. Das Neue Berlin, Berlin 1972.
  • Vizedusa und andere merkwürdige Begebenheiten. Erzählungen, Eulenspiegel Verlag, Berlin, 1975.
  • Die Experimente des Professors von Pulex. 1975. In Ekkehard Redlin (Hrsg.): Der Mann vom Anti Das Neue Berlin, Berlin 1980.

Literatur

  • Junge Schriftsteller der Deutschen Demokratischen Republik in Selbstdarstellungen (herausgegeben von Wolfgang Paulick) Leipzig 1965.
  • Ziergiebel, Herbert. In: Kurt Böttcher (Gesamtredaktion): Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1975; Band 2, S. 497
  • Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn: Reclams Science-fiction-Führer. Reclam, Stuttgart 1982, ISBN 3-15-010312-6, S. 474.
  • Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 1094.
  • Heinz Entner: Herbert Ziergiebel. In: Erik Simon, Olaf R. Spittel (Hrsg.): Die Science-fiction der DDR. Autoren und Werke. Ein Lexikon. Das Neue Berlin, Berlin 1988, ISBN 3-360-00185-0, S. 282–287.
  • Emilia Fiandra, Wie es kam, daß Kapitän Brown seine Wette verlor (in: dies., Von Angst bis Zerstörung. Deutschsprachige Bühnen- und Hördramen über den Atomkrieg 1945-1975, S. 217--219) Göttingen 2020. ISBN 978-3-8471-1106-1

Einzelnachweise

  1. Vgl. Heyne Science Fiction Magazin # 4, hrsg. von Wolfgang Jeschke, Wilhelm Heyne Verlag, München 1982, ISBN 3-453-30832-8, S. 226.
  2. Roland Berbig: In Sachen Biermann: Protokolle, Berichte und Briefe zu den Folgen einer Ausbürgerung. Ch. Links Verlag, 1994, ISBN 978-3-86153-070-1, S. 209 (google.com [abgerufen am 30. April 2023]).