Hasankeyf

Hasankeyf

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Hasankeyf (TĂŒrkei)
Hasankeyf (TĂŒrkei)

Der Tigris in Hasankeyf vor der Flutung, im Fluss die Pfeiler der 1116 erbauten alten BrĂŒcke
Basisdaten
Provinz (il): Batman
Koordinaten: 37° 43â€Č N, 41° 25â€Č OKoordinaten: 37° 42â€Č 51″ N, 41° 24â€Č 47″ O
Einwohner: 4.056[1] (2022)
Telefonvorwahl: (+90) 488
Postleitzahl: 72 350
Kfz-Kennzeichen: 72
Struktur und Verwaltung (Stand: 2019)
Gliederung: 3 Mahalle
BĂŒrgermeister: Abdulvahap Kusen (AKP)
Postanschrift: Raman Mah.
Recep Tayyip Erdoğan cad. No: 35/A
72350 Hasankeyf
Landkreis Hasankeyf
Einwohner: 7.319[2] (2022)
FlĂ€che: 293 kmÂČ
Bevölkerungsdichte: 25 Einwohner je kmÂČ
Kaymakam: ƞenol ÖztĂŒrk
Website (Kaymakam):

Hasankeyf (altgriechisch ΚÎčφας, kurdisch HeskĂźf oder HesenkĂȘf, aramĂ€isch Hesna/Hesno, Hsenkep oder Hesno d-kepo, von syrisch ܚܹܱ ܟܐܩܐ កéáčŁn Kayfa) ist eine antike Stadtfestung am Tigris und ein heutiger Landkreis in der tĂŒrkischen Provinz Batman. Die Altstadt von Hasankeyf wurde 2020 trotz internationaler Proteste im Zuge eines Staudammprojektes geflutet.

Der Landkreis wurde 1990 vom Kreis GercĂŒĆŸ abgetrennt und zusammen mit der Provinz Batman gegrĂŒndet (Gesetz Nr. 3647). Er ist der kleinste und bevölkerungsĂ€rmste der gesamten Provinz Batman. Neben der Kreisstadt (Merkez) umfasst er 21 Dörfer (Köy), von denen das grĂ¶ĂŸte (Üçyol) 413 Einwohner hat. Durchschnittlich wohnen 155 Menschen in jedem Dorf, neun Dörfer haben mehr als dieser Durchschnitt Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist mit 25 Einwohnern je kmÂČ die zweitniedrigste der Provinz.

Name

Der tĂŒrkische Name Hasankeyf bedeutet wörtlich „Hasans Freude“, was eine Verballhornung des arabischen Namens Ű­Ű”Ù† ÙƒÙŠÙŰ§ / កiáčŁn Kayfā ist. កiáčŁn ist das gewöhnliche arabische Wort fĂŒr Festung, Kayfā die arabische Form des aramĂ€ischen Wortes Kēfā, in hebrĂ€isch-aramĂ€ischen Buchstaben Ś›Ś™Ś€Ś. Da es im Arabischen kein langes e gibt, wird es regelmĂ€ĂŸig durch ay ersetzt. Die Bedeutung von Kēfā im AramĂ€ischen ist „Fels“ oder „Stein“. Der Name Kephas fĂŒr Petrus stammt von dem gleichen aramĂ€ischen Wort. កiáčŁn Kayfā bedeutet demnach „Felsenfestung“ oder „Felsenburg“. Die Griechen und spĂ€ter die Römer nannten die Stadt Kip(h)as, Kephe, Cepha oder Ciphas.

Geschichte

Von den ersten Siedlungen bis zum 12. Jahrhundert

Detail einer Karte aus dem 17. Jahrhundert: Links erkennt man Hasankeyf, rechts ist die Stadt Diyarbakır zu sehen. Deutlich erkennt man die BrĂŒcke im SĂŒden von Hasankeyf, die ĂŒber den Tigris fĂŒhrt.

Ausgrabungen bei Hasankeyf HöyĂŒk 2 km östlich der Altstadt zeigen eine Besiedlung der Gegend seit dem 10. Jahrtausend v. Chr., also dem PrĂ€keramischem Neolithikum A.[3] Damit ist Hasankeyf HöyĂŒk ein Zeitgenosse von Göbekli Tepe mit den bisher Ă€ltesten Tempelanlagen der Menschheitsgeschichte. Es ist jedoch erst in den Jahrhunderten nach christlicher Zeitrechnung greifbar. Der Ort lag in jenem Teil Nordmesopotamiens, den vom 3. Jahrhundert an sowohl die (Ost-)Römer als auch die persischen Sassaniden beanspruchten. Daher wechselten die Machthaber zunĂ€chst oft. Wohl bald nach 363 bauten die Römer hier eine Grenzfestung, die den wichtigen TigrisĂŒbergang bewachen sollte. Man nannte diese Grenzfestung Kiphas und konnte die Sassaniden in den Folgejahren zumeist abwehren; erst 608 gelang diesen unter Chosrau II. die Einnahme des Ortes, den sie aber 630 an die Römer zurĂŒckgaben. Wohl 638, im Laufe der islamischen Expansion, eroberten die Araber den Ort. Seit diesem Zeitpunkt lebten die Christen dieser Gegend unter islamischer Oberhoheit, zuerst unter den Umayyaden, dann unter den Abbasiden. Die Hamdaniden herrschten hier von 906–990 und nach ihnen die kurdischen Marwaniden von 990–1096. Hasankeyf besaß bis dahin keine besondere strategische Bedeutung fĂŒr die Moslems.

Ab 1101 wurde Hasankeyf unter den Artukiden zum Zentrum ausgebaut. Die Artukiden stammen von Artuk, einem General des Seldschukenherrschers Malik Schah I., ab. Sie herrschten bis 1232, waren aktive politische Akteure und bauten die Stadt aus. Sie bauten eine Medrese, WasserkanĂ€le, die zur Burg hin hochreichten, und eine BrĂŒcke ĂŒber den Tigris.

Geschichte ab dem 13. Jahrhundert

1232 fiel die Stadt an die Ayyubiden. 1260 wurde die Stadt von den Mongolen ĂŒberrannt. HĂŒlegĂŒ verschonte Hasankeyf, als er hörte, dass dessen Herrscher ein Ayyubide war. 1301 ĂŒberfiel HĂŒlegĂŒs Nachkomme Ghazan die Stadt. Nach der Zerstörung bauten die Ayyubiden die Stadt wieder auf. Viele der Bauwerke stammen aus dieser Zeit.

Ab Mitte des 15. Jahrhunderts stagnierte die Entwicklung. Von 1461 bis 1482 regierten die Akkoyunlar. Die Ayyubiden gewannen Hasankeyf zwar wieder, gerieten dann aber unter den Druck der Safawiden. 1515 gewannen die Osmanen dieses Gebiet und ĂŒberließen den Ayyubiden die Verwaltung der Stadt. Dies war eine Strategie des Sultans, um die lokalen kurdischen Herrscher gegen die Safawiden zu gewinnen. Die Herrschaft der Ayyubiden endete 1524 und die Osmanen schlugen Hasankeyf dem EyĂąlet Diyarbakır zu.

Im 16. Jahrhundert soll die Stadt an die 10.000 Einwohner gehabt haben, davon 60 % Christen. Damals war das zu Hasankeyf gehörende Gebiet allerdings grĂ¶ĂŸer und umfasste ganz Batman, Siirt und Teile von Mardin. Mit der Zeit verlor Hasankeyf immer mehr an GrĂ¶ĂŸe und Bedeutung, behielt bei den Kurden jedoch den Status einer KultstĂ€tte bzw. eines nationalen Erbes.

WĂ€hrend des Genozids an den Armeniern 1915–1917 war Hasankeyf ein wichtiger Vernichtungsort, da sich Deportationsrouten dort kreuzten.

Die Bevölkerungszahl sank in den letzten 30 Jahren dramatisch.

Flutung der Altstadt 2020

Im Zuge des SĂŒdostanatolien-Projekts, das die Schaffung vieler StaudĂ€mme â€“ wie auch des Ilısu-Staudamms â€“ im SĂŒdosten der TĂŒrkei zum Ziel hat, plante der tĂŒrkische Staat frĂŒh, Hasankeyf unter Wasser zu setzen. Dagegen regte sich angesichts der historischen Bedeutung nationaler und internationaler Protest.

Ungeachtet dessen begann die TĂŒrkei Anfang August 2006 mit dem Bau des Staudamms. Am 15. Dezember 2006 gewĂ€hrte der Schweizer Bundesrat den Firmen Alstom, Colenco, Maggia und Stucky Exportrisikogarantien in Höhe von 225 Millionen Franken fĂŒr das Ilısu-Staudammprojekt. Von den etwa 100 angefĂŒhrten Auflagen sollten mindestens 25 „zufriedenstellend“ erfĂŒllt werden. Am 26. MĂ€rz 2007 genehmigten auch das deutsche[4][5] und das österreichische[6] Regierungskabinett Kreditgarantien fĂŒr am Bauprojekt beteiligte einheimische Unternehmen, da die vorgegebenen Kriterien erfĂŒllt seien. Wesentliche Teile der antiken Stadt sollten versetzt und in einem Kulturpark wieder aufgebaut werden. Kritiker urteilten aber, dass nur ein kleiner Teil der antiken SchĂ€tze bewahrt werden werde.

Die Schweiz stoppte 2009 die Exportrisikogarantie, ebenso Deutschland und Österreich, nachdem trotz Verbesserungen des Projekts zentrale Auflagen fĂŒr den Umwelt- und KulturgĂŒterschutz nicht zufriedenstellend erfĂŒllt worden waren.[7] Im Februar 2010 gab der tĂŒrkische MinisterprĂ€sident Recep Tayyip Erdoğan bekannt, dass seine Regierung neue Kreditgeber gefunden habe und der Staudamm gebaut werden könne. Anfang 2016 beschloss das tĂŒrkische Parlament endgĂŒltig, das Projekt umzusetzen.[8]

Die Staumauer wurde im Juli 2017 fertig gestellt.[9] Am 12. Mai 2017 wurde das Zeynel-Bey-Mausoleum mit einem speziellen Transporter versetzt, um einer Überflutung zu entgehen. Es befindet sich nun 2 km entfernt im neuen Hasankeyf-Kulturpark.[10] Weitere acht GebĂ€ude sollten ebenfalls umgesetzt werden.[11] Auch ein Teil der Bevölkerung wurde nach „Neu-Hasankeyf“ umgesiedelt.[12] Eine letzte Klage vor dem EuropĂ€ischen Gerichtshof fĂŒr Menschenrechte gegen die Flutung des Ortes wurde am 21. Februar 2019 abgewiesen.

Der ursprĂŒngliche Termin fĂŒr die Flutung im Juni 2019 musste zunĂ€chst auf unbestimmte Zeit verschoben werden, da der Tigris zu diesem Zeitpunkt zu viel Wasser fĂŒhrte und diverse Vorbereitungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.[13] Zwischen dem 20. und 22. Juli 2019 wurde laut der Wasserbehörde DSI mit einer „Testaufstauung“ begonnen.[14] Die Initiative zur Rettung von Hasankeyf berichtete, dass diese am 29. Juli noch andauerte.[15] Ende 2020 war die Flutung des Ortes abgeschlossen.[16]

SehenswĂŒrdigkeiten

  • 1116 vom Artukiden Fahrettin Karaaslan erbaute Alte BrĂŒcke, heute eine Ruine. Teile der alten BrĂŒcke bestanden aus Holz, das man entfernte, wenn Feinde die Stadt bedrohten.
  • Artukidische Palast
  • Ayyubidische Ulu Cami
  • Kleiner Palast der Ayyubiden
  • Felsenwohnungen
  • Zeynel-Bey-Mausoleum, Grabmal des Sohnes von Uzun Hasan aus dem 15. Jahrhundert

Literatur

Fernsehen

  • Re: Der Untergang von Hasankeyf, arte, 2020[17]
  • Weltspiegel: Hasankeyf geht unter, ARD, 2020[18]
Commons: Hasankeyf â€“ Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ↑ Nufusune.com: HASANKEYF NÜFUSU, BATMAN NĂŒfusu Ä°l Ä°lçe Mahalle Köy NĂŒfusu, abgerufen am 28. Oktober 2023
  2. ↑ Nufusu.com: Hasankeyf NĂŒfusu - Batman, TĂŒrkiye NĂŒfusu Ä°l Ä°lçe Mahalle Köy NĂŒfusu, abgerufen am 28. Oktober 2023
  3. ↑ Miyake et al.: New Excavations at Hasankeyf HöyĂŒk: A 10th millennium cal. BC site on the Upper Tigris, Southeast Anatolia
  4. ↑ Land unter fĂŒr deutschen Export. die tageszeitung, 28. MĂ€rz 2007.
  5. ↑ Exportkreditgarantie fĂŒr Ilisu-Staudamm (Memento vom 11. Mai 2008 im Internet Archive), Bundeswirtschaftsministerium
  6. ↑ Ilisu-Projekt. Republik Österreich erteilt Exportgarantie., wienweb.at, 26. MĂ€rz 2007.
  7. ↑ Keine Garantien fĂŒr umstrittenen Ilisu-Damm. NZZ online, 7. Juli 2009
  8. ↑ Hasankeyf: 12.000 Jahre Geschichte werden geflutet (Memento vom 9. August 2017 im Internet Archive), Meldung der DTJ vom 29. Januar 2016.
  9. ↑ Ilısu Barajı'nın gövdesi tamamlandı. Meldung der HĂŒrriyet vom 29. Juli 2017.
  10. ↑ TĂŒrkei rettet 1100-Tonnen-GrabstĂ€tte. Meldung auf www.n-tv.de vom 12. Mai 2017.
  11. ↑ Hasankeyf'teki KĂŒltĂŒrel Miras Bir Bir TaĆŸÄ±nıyor. Meldung der Milliyet vom 27. Juli 2017.
  12. ↑ tagesschau.de: Hasankeyf - der Stausee schluckt alles. Abgerufen am 8. Juli 2020.
  13. ↑ Flutung von Hasankeyf vertagt. In: tagesschau.de. 10. Juni 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  14. ↑ Die Flutung des Ilisu-Staudamms hat begonnen! ANF News, 27. Juli 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  15. ↑ Hasankeyf: Aufstauung ohne Vorwarnung. ANF News, 1. August 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  16. ↑ Jan Petter: Hier war eine Stadt In: Spiegel online, 23. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
  17. ↑ Re: Der Untergang von Hasankeyf: Ein Weltkulturerbe versinkt im Stausee, arte, 27. Mai 2020; [1]
  18. ↑ Hasankeyf geht unter, Weltspiegel, 19. April 2020