Hans-Joachim Theil

Hans-Joachim Reinhold Martin Theil (* 27. Februar 1909 in Schwerin; † 25. Oktober 1985 in Rostock) war ein deutscher Dramaturg, Mitbegründer der Störtebeker-Festspiele und des Mecklenburgischen Folklorezentrums.

Leben und Wirken

Hans-Joachim Theil war der Sohn des Sergeanten und Garnisonsschreibers Paul Theil (1878–1947) und dessen Frau Marie, geb. Schultz (1886–1953).[1] Als Schüler am Gymnasium in Waren (Müritz) war er Schüler von Richard Wossidlo, zu dem er nach seiner Schulzeit weiter Kontakt hielt.[2] Er beendete das humanistische Gymnasium an der Großen Stadtschule Rostock 1928 mit dem Abitur und studierte anschließend Germanistik und Geschichte, zunächst an der Universität Rostock[3] und danach an der Universität Wien und der Universität München,[3] wo er 1929 Vorlesungen bei Artur Kutscher besuchte.[2] Ab 1930 studierte er in Rostock Philosophie bei Wilhelm Schüßler und Heinz Maybaum. Als Mitglied des am 4. April 1933 gebildeten „Kampfausschuss“ der nationalsozialistischen Studentenschaft an der Universität Rostock nahm er aktiv an der Vorbereitung und Durchführung der in Rostock am 10. Mai 1933 vollzogenen Bücherverbrennung teil.[4] Mit der Dissertation „Die reichsdeutsche Presse und Publizistik und das österreichisch-ungarische Verfassungs- und Nationalitätenproblem in den Jahren 1903–1906“ wurde er 1937 zum Dr. phil. promoviert.[2][5]

Anschließend war Theil ab 1938 Leiter des Studentenwerks Rostock. Im Jahr 1940 heiratete er und wurde im selben Jahr im Zuge des Zweiten Weltkriegs zum Kriegsdienst bei der Wehrmacht eingezogen. Nach einer schweren Verwundung vor Moskau im Oktober 1941 wurde er im November 1943 im Rang eines Leutnants aus dem Heer entlassen und war ab 1944 Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes Mecklenburg sowie in den Monaten März und April 1945 Gauamtsleiter der NSDAP.[5] Als solcher floh er jedoch unerlaubt und arbeitete anschließend als Landarbeiter auf der Insel Poel.[5] Er litt zeitlebens an den gesundheitlichen Folgen seiner Kriegsverletzung.[2]

Nach der Entnazifizierung wurde Theil im Jahr 1947 Mitarbeiter am Mecklenburgischen Landestheater.[5] Ab 1953 wirkte er als Dramaturg und stellvertretender Intendant am Theater Putbus.[5] Dort fand 1960 unter der Regie von Hans-Joachim Theil und Kurt Müller-Reitzner die deutsche Erstaufführung des Bühnenstücks Der Untergang der Eppie Reina des niederländischen Autors Klaas Smelik (1897–1986) statt.[6]

Ab 1963 war er Mitarbeiter am Volkstheater Rostock.[5] Ende 1976 konstituierte sich unter seiner Leitung eine Arbeitsgruppe, die die 1978 erfolgte Gründung des Mecklenburgischen Folklorezentrums in Rostock zur Pflege der Niederdeutschen Sprache und regionaler Traditionen vorbereitete.[7] Theil war zu dieser Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter des Generalintendanten Hanns Anselm Perten am Volkstheater Rostock. Zuletzt wirkte er dort als stellvertretender Chefdramaturg.[2]

Theil zählt zu den Gründungsvätern der Störtebeker-Festspiele, bei denen er von 1959 bis 1981 auch selbst mitwirkte.[2]

Seit 1972 war Theil Mitglied im Bezirksvorstand Rostock des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes.[5]

Im Zusammenhang mit Druckgenehmigungsverfahren zu Publikationen von Verlagen in der DDR war Hans-Joachim Theil auch als Literaturgutachter für den Hinstorff Verlag tätig und verfasste 1974 zu Fritz Meyer-Scharffenbergs Publikation Dörpgeschichten (Druck-Nr. 240/55/74; 1974) neben Jürgen Grambow und Kurt Batt ebenfalls ein Gutachten, weil in der DDR mindestens zwei Gutachten zur Genehmigung des Drucks eines Buches vorliegen mussten.[8]

Theil galt in der DDR über die Region Rostock hinaus als Fachmann des Niederdeutschen. 1977 wurden die beiden Liedermacher Joachim Piatkowski und Wolfgang Rieck (Piatkowski & Rieck) durch ihn angeregt, sich mit plattdeutschen Liedern zu beschäftigen: Theil übergab ihnen Schallplatten des plattdeutschen Liedermachers Helmut Debus, worauf sie beschlossen, künftig ihre Texte in der Mecklenburger Variante des Niederdeutschen zu verfassen.[9] Theil wurde außerdem um Rat gebeten[10] bzgl. des plattdeutschen Textes für das von Oswald Andrae 1979 veröffentlichte Lied Dat Leed van den Häftling Nr. 562 zu Ehren von Carl von Ossietzky, das von Helmut Debus vertont wurde und später in der englischen Übersetzung durch die Interpretation des schottischen Folksängers Dick Gaughan weltweite Bekanntheit erlangte.[11]

Ehrungen

Veröffentlichungen (Auswahl)

Schriften

  • Die reichsdeutsche Presse und Publizistik und das österreich-ungarische Verfassungs- und Nationalitätenproblem in den Jahren 1903–1906. Dissertation. Carl Hinstorffs Hofbuchdruckerei, Rostock 1936.
  • Zur Zehnjahresfeier des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, Universität Rostock 1928–1938. Zusammengestellt von Hans-Joachim Theil. Rostock 1938.
  • als Redakteur: 5 Jahre Theater Putbus. Hrsg. von der Intendanz des Theaters Putbus, 1958.
  • Klaus Störtebeker: dramatische Ballade von Kuba. Rügenfestspiele 1959 (Musik: Günter Kochan; Regie: Hanns Anselm Perten; Gestaltung u. Red.: Hans Joachim Theil). Leipzig, 1959
  • Kuba: Klaus Störtebeker. Dramatische Ballade in 6 Episoden, einem Vorspiel und einem Nachspiel. Erarbeitung des Anhangs und Zusammenstellung der Bildbeilage. Friedrich Hofmeister Musikverlag, Leipzig 1959. Online
  • Redaktion und Gestaltung: Rügenfestspiele Ralswiek. (Programmheft zur Aufführung der dramatischen Ballade Klaus Störtebeker von Kuba.) Rügenfestspiele 1960. Hanns Anselm Perten (Hrsg.); Buchdr. Cummerow & Jokiel, Putbus auf Rügen 1960.
  • Wiege realistischer Theaterkunst. In: Almanach für Kunst und Kultur im Ostseebezirk. (1977–1990, DNB 010394206) – 2. Ausgabe 1979, Hrsg.: Rat des Bezirkes Rostock – Abteilung Kultur, Rostock 1979.[13]
  • Historischer Teil: Klaus Störtebeker: Dramatische Ballade von KuBa. (Programmheft zur Aufführung der Dramatischen Ballade Klaus Störtebeker) Hrsg.: Rat des Bezirkes Rostock, Rostock 1980.
  • Störtebeker und die Likedeeler in der deutschen Literatur. In: Heinz Gundlach (Hrsg.). Klaus Störtebeker in Ralswiek. Legende, Traum und Wirklichkeit. Hinstorff Verlag, Rostock 1984. S. 107.

Hörspiele / Hörbücher

Theater (Auswahl)

  • 1959, 1980: Kurt Barthel: Klaus Störtebeker. Rügenfestspiele Ralswiek.
  • 1960: Klaas Smelik: Der Untergang der ‚Eppie Reina‘.[19] Regie: Hans Joachim Theil; deutsche Erstaufführung als Bühnenstück Theater Putbus, 1960.
  • 1964, 1966: Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats.

Filmografie

Literatur

Einzelnachweise

  1. Standesamt Rostock, Eheregister Nr. 312/1940; Sterberegister Nr. 379/1947 und Nr. 1116/1953.
  2. a b c d e f Wolfgang Grahl: Mit Leib und Seele Theatermann. Hans-Joachim Theil (27.2.1909 – 25.10.1985) wäre 90 Jahre alt geworden. In: Norddeutsche Neueste Nachrichten, Bd. 47, Nr. 51, 2. März 1999, S. 15.
  3. a b Universität Rostock, Matrikelportal: Hans Joachim Theil (1928 SS). Abgerufen am 5. April 2021.
  4. Bücherverbrennung – Rostock 10. Mai 1933 auf dem Friedrich Hildebrandt-Platz. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte von Universität und Universitätsbibliothek Rostock. In: Karl-Heinz Jügelt: Opera bibliothecarii. Verlag Universitätsbibliothek Rostock, 2014, ISBN 978-3-86009-438-9, Seite 177–207.
  5. a b c d e f g h i Universität Rostock, Matrikelportal: Hans-Joachim Theil (1930 SS). Abgerufen am 5. April 2021.
  6. Klaas Smelik: Der Untergang der Eppie Reina. (dt. EA) Der Untergang der Eppie Reina / Klaas Smelik dt. EA beim Fachinformationsdienst Darstellende Kunst. Abgerufen am 28. Februar 2022.
  7. Norddeutscher Leuchtturm, Wochenendbeilage in Norddeutsche Zeitung, Nr. 1230, 10. Dezember 1976.
  8. Fritz Meyer-Scharffenberg: Dörpgeschichten. VEB Hinstorff Verlag, Rostock, (1974), abgerufen am 4. August 2024 (Druck-Nr. 240/55/74; 1974, archiviert unter der Archivaliensignatur BArch DR 1/2152a im Bundesarchiv (Deutschland)).
  9. Piatkowski & Rieck – Wolfgang Rieck – Künstler, Liedermacher, Kinderprogramm, Lesung, Rostock, Schwerin. Abgerufen am 5. April 2021.
  10. Dat Leed van den Häftling Nr. 562: Dokumentation über Entstehung und Wandel eines Liedes. O. Andrae, Jever, [Am Kirchplatz 15] 1979 (dnb.de [abgerufen am 19. Juni 2021]).
  11. Oswald Andrae (1926 – 1997) – Autor, plattdeutscher Querdenker, Intellektueller aus Jever – Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland / Wilhelmshaven. In: Arbeitskreis Gröschler-Haus. Abgerufen am 19. Juni 2021.
  12. BSV Gotha 90 e. V.: Von Ring zu Ring – Ehrungen und Auszeichnung, (unter Mithilfe der Philatelie). Ekhof Ring. (PDF) Abgerufen am 6. April 2021.
  13. 2. Almanach für Kunst und Kultur im Ostseebezirk, Rostock, Rat des Bezirkes 1979. In: liberarius.de. Abgerufen am 12. Oktober 2024.
  14. Die Verfolgung Und Ermordung Jean Paul Marats. Discogs, abgerufen am 22. April 2021 (auf drei Label erschienen: Litera – 860100/101, DDR 1966; Deutsche Grammophon Gesellschaft – 44026/27, D 1966; Ex Libris – XL 172 625, CH 1966).
  15. Unknown Artist – Die Koralle – Ein Dänisches Märchen (1967, Vinyl). Abgerufen am 5. April 2021.
  16. Knut Spelevink (1974, Vinyl). Abgerufen am 5. April 2021.
  17. Fritz Reuter – Various Artists (1974, 2 Platten Vinyl 7″). Abgerufen am 12. März 2022.
  18. Plattdütsch Gistern Un Hüt (1980, Vinyl). In: discogs. Abgerufen am 5. April 2021.
  19. „Der Untergang der Eppie Reina“ wurde auch unter dem Titel „Havaree“ veröffentlicht – siehe Klaas Smelik : 4 Werk(e) in Niederdeutsch (nach Erscheinungsjahr) dokumentiert von Peter Hansen in: Die niederdeutsche Literatur Autoren und mehr. Abgerufen am 2. Mai 2022.
  20. DER UNTERGANG DER EPPIE REINA (1961). In: Fernsehen der DDR – Online Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen. Abgerufen am 4. August 2024.
  21. PEITSCHE IM PARADIES (1962). In: Fernsehen der DDR – Online Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen. Abgerufen am 28. August 2022.
  22. DEFA-Stiftung: Filmdetails: Terra Incognita (1965). Abgerufen am 8. Oktober 2022.
  23. DEFA-Stiftung: Filmdetails: Karriere (1970). Abgerufen am 6. April 2021.
  24. Bi uns tu Hus (1979). In: Fernsehen der DDR – Online Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen. Abgerufen am 14. März 2022.