Große Sternmiere

Große Sternmiere

Große Sternmiere (Rabelera holostea)

Systematik
Kerneudikotyledonen
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Nelkengewächse (Caryophyllaceae)
Unterfamilie: Alsinoideae
Gattung: Rabelera
Art: Große Sternmiere
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Rabelera
M.T.Sharples & E.A.Tripp
Wissenschaftlicher Name der Art
Rabelera holostea
(L.) M.T.Sharples & E.A.Tripp

Die Große Sternmiere (Rabelera holostea (L.) M.T.Sharples & E.A.Tripp, Synonym: Stellaria holostea L.), auch Echte Sternmiere[1] oder Großblütige Sternmiere genannt, ist seit 2019 die einzige Art der Pflanzengattung Rabelera innerhalb der Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae).[2] Sie ist ein weitverbreiteter Frühjahrsblüher in den warmgemäßigten Gebieten Europas bis Westasiens und Nordafrikas.

Beschreibung

Illustration aus Choix de plantes de l’Europe centrale et particulièrement de la Suisse et de la Savoie, Tafel 45
Blütenstand
Kantiger Stängel mit gegenständigen, sitzenden Laubblättern
Ausschnitt eines Blütenstandes mit Blütenknospen und Blüte von der Seite, dabei sind die Kelchblätter gut erkennbar
Blüte im Detail
Samen
Habitus und Blüten im Habitat

Vegetative Merkmale

Die Große Sternmiere ist eine immergrüne, ausdauernde krautige Pflanze[3] und erreicht Wuchshöhen von meist 15 bis 30,[4] selten bis zu 60 Zentimetern.[1][5] Ihre dünnen kriechenden Rhizome[5] sind ohne Wurzelknollen. Die aufsteigenden, vierkantigen Stängel[1][4] sind im oberen Bereich kurz behaart, sonst kahl.[4] Die längeren Stängel tragen zahlreiche langgestielte Blüten und finden oft Halt an Nachbarpflanzen. Insgesamt sind die Stängel der Große Sternmiere ziemlich schwach und zerreißen leicht im Bereich der Laubblätter.

Die gegenständig an den Stängeln angeordneten Laubblätter sind alle sitzend.[4] Die einfache, steife Blattspreite ist bei einer Länge von 3 bis 9 Zentimetern sowie einer Breite von 2 bis 10 Millimetern schmal-lanzettlich[1] oder linealisch-lanzettlich mit runder und stängelumfassender Basis und zugespitztem oberen Ende und rauem,[4] behaartem Blattrand; sie ist an ihrer Basis am breitesten.

Generative Merkmale

Ihr trugdoldenartiger Blütenstand enthält locker angeordnet 3 bis 31 Blüten.[5] Sie stehen in einem dichasial verzweigten Blütenstand, einem sogenannten Zymoid. Dabei wiederholt sich mehrfach nacheinander ein Verzweigungsmuster, bei dem die Hauptachse in einer Blüte endet, welche wiederum von jeweils zwei Seitenachsen übergipfelt wird. Die laubblattähnlichen, krautigen 5 bis 50 Millimeter langen Deckblätter[5] sind bewimpert.[4] Der aufsteigende Blütenstiel ist 1 bis 60 Millimeter lang, dünn und flaumig behaart.[5]

Die zwittrigen Blüten sind bei einem Durchmesser von 2 bis 3 Zentimetern radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf kahlen Kelchblätter sind bei einer Länge von 6 bis 8 Millimetern[4] eiförmig-lanzettlich mit spitzem oberen Ende und undeutlich dreinervig.[5] Die fünf weißen Kronblätter sind bis zur Hälfte ihre Länge gespaltenen und sind bei einer Länge von 8 bis 14 Millimetern etwa 1,5 bis doppelt so lang wie die Kelchblätter.[1][4][5] Selten fehlen Kronblätter.[5] Meist sind zehn Staubblätter vorhanden, die manchmal durch Degeneration weniger sein können.[5] Der Fruchtknoten ist oberständig. Es sind drei freie aufsteigende Griffel pro Blüte vorhanden,[1] die etwa 4 Millimeter lang sind.[5]

Die bei einem Durchmesser von 5 bis 6 Millimetern kugelige, mit stumpfem oberen Ende, Kapselfrucht besitzt in etwa die Größe des Blütenkelchs.[1][4][5] Bei Reife öffnen sich die Kapselfrüchte mit drei Klappen, die sich später in sechs Klappen aufspalten und entlassen die Samen.[5] Die rötlich-braunen Samen sind bei einem Durchmesser von 2 bis 3 Millimetern nierenförmig und dicht papillös.[5]

Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 13;[3] es wurden Chromosomenzahlen von 2n = 26[3][1][6][7] oder 56[4] ermittelt.

Phänologie

In der Schweiz reicht die Blütezeit von Mai bis Juni,[4] in anderen Gebieten beginnt die Blütezeit schon im April. Da nicht alle Blüten zugleich blühen, sondern an den Stielen nacheinander, zieht sich die Blütezeit über mehrere Monate hin, obwohl die Einzelblüten nur eine kurze Lebensdauer haben. Im Sommer reifen die Früchte.

Ökologie

Bei der Großen Sternmiere handelt es sich um einen Chamaephyten.[3] Über vegetative Vermehrung aus ihren Rhizomknospen und aus den vorjährigen, bodennahen Sprossachsen, bildet sie schnell kleine Horste aus.

Die Große Sternmiere wird entweder von Insekten bestäubt oder ihre zwittrigen Blüten bestäuben sich selbst. Die Große Sternmiere tritt fast ausschließlich in größeren, allerdings selten bestandsbildenden, Gruppen auf. Die Ausbreitung ihrer Samen erfolgt durch den Wind.

Sie ist eine wichtige Nahrungspflanze für etliche Nachtfalterarten. Beispielsweise ist sie eine Nektarpflanze des Hornkraut-Tageulchens (Panemeria tenebrata). Für mehrere weitere Eulenfalter und Spanner stellt sie eine wichtige Raupen-Futterpflanze dar, insbesondere für den potenziell gefährdeten Sternmieren-Blattspanner (Euphyia biangulata), den stark gefährdeten Hornkraut-Blattspanner (Euphyia frustata) und die gefährdete Braune Glattrückeneule (Aporophyla lutulenta).

Vorkommen

Die Große Sternmiere ist in den warmgemäßigten Gebieten Europas, Westasiens und des Kaukasusraums sowie in einigen Ländern Nordafrikas weit verbreitet.[8] Es gibt Fundortangaben für das nördliche Algerien, Marokko, Tunesien, das nördliche Portugal, Spanien und Frankreich, Belgien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Irland,[9] Dänemark, das südliche Norwegen und Schweden, Estland, Litauen, Lettland, den europäischen Teil Russlands, Belarus, die Ukraine, die Krim, Ciskaukasien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Dagestan, das westliche Sibirien, die Türkei, Iran, Afghanistan, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Italien,[10] Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Nordmazedonien und das nördliche Griechenland.[11] Sie ist beispielsweise[11] im östlichen Nordamerika ein Neophyt.

Die Große Sternmiere gedeiht meist in lichten, krautreichen Laub- und Mischwäldern, Hecken und Gebüschen. Dort besiedelt sie vor allem frische bis mäßig trockene, mäßig nährstoffreiche, meist kalkfreie, lehmige und sandige Böden bis in mittlere Gebirgslagen. Sie ist in Mitteleuropa eine Charakterart des Verbands Carpinion, kommt aber auch in Pflanzengesellschaften der Verbände Fagion, Pruno-Rubion oder Trifolion medii vor.[7]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 2 (schattig), Reaktionszahl R = 2 (sauer), Temperaturzahl T = 4+ (warm-kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[4]

Illustration aus Jan Kops: Flora Batava, Band 4, 1822

Systematik

Die Erstveröffentlichung der Großen Sternmiere erfolgte 1753 unter dem Namen (Basionym) Stellaria holostea durch Carl von Linné in Species Plantarum, Band I, Seite 422.[8][12][13] Das Artepitheton holostea leitet sich aus den altgriechischen Wörtern ὅλος hólos sowie ὀστέον ostéon für „Knochen“ ab und bedeutet „knochenhart“, dies bezieht sich auf die Stängel. Als Lectotypus wurde 1993 LINN-584.4 durch Bengt Edvard Jonsell und Charles Edward Jarvis in Regnum Vegetabile; ..., Volume 127, Seite 91 festgelegt.[13] Die Neukombination zu Rabelera holostea (L.) M.T.Sharples & E.A.Tripp wurde im November 2019 durch Mathew T. Sharples und Erin A. Tripp in Phylogenetic Relationships Within and Delimitation of the Cosmopolitan Flowering Plant Genus Stellaria L. (Caryophyllaceae): Core Stars and Fallen Stars. In: Systematic Botany, Volume 44, Issue 4, S. 857–876 veröffentlicht. Dafür wurde die neue Gattung Rabelera M.T.Sharples & E.A.Tripp aufgestellt.[2] Der Gattungsname Rabelera ehrt Richard Kevin Rabeler (* 1953).[10] Ein weiteres Synonym für Rabelera holostea (L.) M.T.Sharples & E.A.Tripp ist Alsine holostea (L.) Britton.[5]

Molekulargenetische Daten machten es erforderlich, in der Tribus Alsineae innerhalb der Familie Caryophyllaceae einige Veränderungen in der Systematik durchzuführen. Dabei wurden einige Arten, die bisher der Gattung Stellaria s. l. zugerechnet wurden, in andere Gattungen gestellt und neue Gattungen aufgestellt.[2]

Quellen und weiterführende Informationen

Literatur

  • Mathew T. Sharples, Erin A. Tripp: Phylogenetic Relationships Within and Delimitation of the Cosmopolitan Flowering Plant Genus Stellaria L. (Caryophyllaceae): Core Stars and Fallen Stars. In: Systematic Botany, Volume 44, Issue 4, November 2019, S. 857–876. doi:10.1600/036364419X15710776741440
  • Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3364-4.
  • Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8252-1828-7.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Stellaria holostea L., Echte Sternmiere. auf FloraWeb.de
  2. a b c Mathew T. Sharples, Erin A. Tripp: Phylogenetic Relationships Within and Delimitation of the Cosmopolitan Flowering Plant Genus Stellaria L. (Caryophyllaceae): Core Stars and Fallen Stars. In: Systematic Botany, Volume 44, Issue 4, November 2019, S. 857–876. doi:10.1600/036364419X15710776741440
  3. a b c d Große Sternmiere. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
  4. a b c d e f g h i j k l Stellaria holostea L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 14. Oktober 2024.
  5. a b c d e f g h i j k l m n John K. Morton: Stellaria. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 5: Magnoliophyta: Caryophyllidae, part 2. Oxford University Press, New York, Oxford, 2005, ISBN 0-19-522211-3. Stellaria holostea Linnaeus. - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  6. Stellaria holostea bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  7. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 373.
  8. a b Karol Marhold, 2011+: Caryophyllaceae.: Datenblatt Stellaria holostea In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
  9. Datenblatt mit Verbreitung auf den Britischen Inseln bei Online Atlas of the British and Irish flora.
  10. a b Datenblatt Rabelera holostea (L.) M.T. Sharples & E.A. Tripp mit Fotos und Verbreitung in Italien bei Scheda IPFI, Acta Plantarum.
  11. a b Stellaria holostea im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 13. November 2021.
  12. Carl von Linné: Species Plantarum, Tomus I, 1753, S. 422. eingescannt bei biodiversitylibrary.org.
  13. a b Stellaria holostea bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 13. November 2021.
Commons: Rabelera holostea/Stellaria holostea – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien