Festelektrolyt

Ein Festelektrolyt, auch Festkörperelektrolyt, Feststoffelektrolyt oder fester Ionenleiter genannt, ist ein Feststoff, in dem mindestens eine Ionensorte so beweglich ist, dass ein durch diese Ionen getragener elektrischer Strom fließen kann. Festelektrolyte sind elektrisch leitend, aber sie haben im Gegensatz zu Metallen keine oder nur eine geringe elektronische Leitfähigkeit. Festelektrolyte sind zentrale Bestandteile von Hochtemperatur-Brennstoffzellen, Festkörperakkumulatoren und -batterien wie die Lithium-Iod-Batterie, und von manchen Sensoren, insbesondere der Lambdasonde, die in vielen Kraftfahrzeugen eingesetzt wird.

Die Wissenschaft von den Festelektrolyten und ihrer Leitfähigkeit wird Festkörperionik genannt; zur Entdeckungsgeschichte der Festelektrolyte siehe dort.

Leitfähigkeitswerte von Festelektrolyten und von Superionenleitern

In den meisten Ionenkristallen können sich einzelne Ionen bewegen, so dass eine geringe Ionenleitfähigkeit besteht. Von einem Festelektrolyten oder festen Ionenleiter spricht man gewöhnlich erst, wenn die elektrische Leitfähigkeit σ mindestens im Bereich 10−10 ≤ σ ≤ 10−4 S cm−1 liegt. Festelektrolyte mit besonders hoher Leitfähigkeit nennt man schnelle Ionenleiter oder Superionenleiter, sie können z. B. eine Leitfähigkeit im Bereich 10−4 ≤ σ ≤ 10−1 S cm−1 haben.[1] Die meisten bekannten Superionenleiter bestehen aus einem Kristallgitter mit großen Anionen, in denen relativ kleine Kationen wie Ag+, Cu+ oder Li+ eine hohe Beweglichkeit aufweisen. Verschiedene Autoren grenzen den Bereich der Superionenleiter unterschiedlich ab, so werden auch „alle Substanzen, die weit unterhalb ihres Schmelzpunktes Ionenleitfähigkeiten größer als 0,1 S cm−1 zeigen“ als Superionenleiter oder schnelle Ionenleiter bezeichnet,[2] oder solche, die bei Raumtemperatur oder nahe der Raumtemperatur eine Leitfähigkeit σ von ca. 10−2 S cm−1 haben.[3]

Arten von Festelektrolyten

Eine Einteilung der Festelektrolyte kann nach dem beweglichen Ion erfolgen, so dass Anionenleiter von Kationenleitern unterschieden werden. Anionenleiter können z. B. Oxid- oder Fluoridionenleiter sein, Kationenleiter sind insbesondere für Protonen, Silber-, Lithium- und Natriumionen bekannt. Weiter gibt es organische Festelektrolyte, die zumeist auf Polymeren basieren, und anorganische kristalline oder amorphe Festelektrolyte.

Das wohl wichtigste Beispiel für einen Oxidionenleiter ist mit Yttrium stabilisiertes Zirkoniumdioxid, das in Lambdasonden oder bei 650–1000 °C in Festoxidbrennstoffzellen zum Einsatz kommt. Der wichtigste Fluoridionenleiter besteht aus dotiertem Lanthanfluorid. Als Natriumionenleiter wird Natrium-β-aluminat verwendet.

„Feste Elektrolyte“ bei Elektrolytkondensatoren

Die herkömmlichen, schon seit 1896 bekannten Elektrolytkondensatoren enthalten einen flüssigen Elektrolyten. Das gilt auch für die sogenannten „trockenen“ Aluminium-Elektrolytkondensatoren, bei denen Papier mit flüssigem Elektrolyten getränkt wird, so dass es nicht mehr so leicht auslaufen kann. Der flüssige Ionenleiter kann auch durch einen elektronenleitenden Feststoff, z. B. einem leitenden Polymer, ersetzt werden. Dieser wird dann „fester Elektrolyt“ genannt, obwohl es sich – abweichend von der üblichen, oben angegebenen Definition eines festen Elektrolyten – um Elektronenleiter und nicht um Ionenleiter handelt.[4] Solche in Kondensatoren verwendeten „Festelektrolyte“ sind vor allem die organischen Polymere Poly-3,4-ethylendioxythiophen (PEDOT) und Polypyrrol (PPy), oder ein anorganisches Oxid, nämlich das halbleitende Mangandioxid MnO2.[5]

Anwendungsbeispiele

Das zentrale Bauteil vieler ionenselektiver Elektroden ist die ionenselektive Membran, die zumeist durch einen Festelektrolyten gebildet wird. Beispielsweise besteht bei der fluoridselektiven Elektrode die für Fluoridionen empfindliche Membran aus einem Fluoridionenleiter, gewöhnlich einem Lanthanfluorid-Einkristall.

Weitere Anwendungen für Festelektrolyte sind die Membranen vieler Brennstoffzellen oder vieler Sensoren für Gase, z. B. in CO2-Sensoren. Auch einige galvanische Zellen bzw. Batterien nutzen feste Elektrolyte, insbesondere Dünnfilmbatterien, Natrium-Schwefel-Akkumulatoren und die Zebra-Batterie. Eine wichtige, seit 1972 eingesetzte Art einer Lithiumbatterie mit einem Lithiumiodid-Festelektrolyten ist die in den meisten Herzschrittmachern verwendete Lithium-Iod-Batterie. Festelektrolyt-Zellen können für thermodynamische Messungen eingesetzt werden. Auch für Heizelemente oder Lichtquellen in oxidierenden Gasen einschließlich Luft werden sie verwendet, z. B. in Form der Nernstlampe.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Reinhard Nesper, Hansjörg Grützmacher, Wolfram Uhlig: Skript zur Vorlesung Anorganische Chemie I. Ionenbindung und Ionenverbindungen. Hrsg.: Reinhard Nesper, CCI The Creative Chemistry on the Internet, ETH Zürich. 7. November 2001, Fehlordnung und Beweglichkeit, Ionenleitung (Diskussion der Ionenleitung auf Seiten der ETH Zürich [abgerufen am 13. April 2015]).
  2. Roland Zeyher: Physik der Superionenleiter. In: Physik in unserer Zeit. Band 13, Nr. 6. Verlag Chemie GmbH VCH/John Wiley & Sons, 1982, ISSN 1521-3943, S. 183–193, doi:10.1002/piuz.19820130603.
  3. C. S. Sunandana, P. Senthil Kumar: Theoretical approaches to superionic conductivity. In: Indian Academy of Sciences (Hrsg.): Bulletin of Materials Science. Band 27, Nr. 1. Springer India, 1. Februar 2004, ISSN 0250-4707, S. 1–17, doi:10.1007/BF02708477.
  4. Aluminium Polymer Elektrolyt Kondensatoren(PZ-CAP) - Need of High Working Voltage for Solid Electrolytic Capacitor. Rubycon Corporation, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2015; abgerufen am 15. April 2015.
  5. Daihei Yamauchi: Latest Technological Trends for Conductive Polymer Aluminum Solid Electrolytic Capacitors. (PDF) Nichicon (Fukui) Corporation, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. April 2015; abgerufen am 15. April 2015 (vergl. „Table 1: Types of cathode materials and conductivity“).