Federgräser

Federgräser

Grauscheidiges Federgras (Stipa pennata) links; Haar-Pfriemengras (Stipa capillata) rechts

Systematik
Commeliniden
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Pooideae
Tribus: Stipeae
Gattung: Federgräser
Wissenschaftlicher Name
Stipa
L.

Die Federgräser und Pfriemengräser (Stipa) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae).[1] Die je nach Autor 100 bis 388 Arten sind fast weltweit verbreitet.

Beschreibung

Illustration aus Flora Atlantica, sive, Historia plantarum quae in Atlante, agro Tunetano et Algeriensi crescunt, Tafel 28 von Stipa juncea

Vegetative Merkmale

Die Stipa-Arten sind meist ausdauernde, selten einjährige krautige Pflanzen.[1] Je nach Art werden Wuchshöhen von 25 bis 250 Zentimetern erreicht. Sie wachsen meist als horstbildende Gräser. Sie besitzen meist viele nichtblühende Halme, die außerhalb der Blattscheiden hochwachsen. Die Halme sind aufrecht, einfach oder unten verzweigt und meist mit zwei bis vier (ein bis acht) Knoten gegliedert.

Die wechselständig an den Halmen angeordneten Laubblätter sind in Blattscheide und -spreite gegliedert. Die Blattscheiden sind bis zu ihrer Basis offen. Das Blatthäutchen ist ein häutiger Saum. Die Blattspreiten sind gefaltet oder zusammengerollt, borstlich. An der Oberseite sind sie stark gerippt. In der Knospenlage sind die Laubblätter gefaltet.[2]

Generative Merkmale

In einem ausgebreiteten bis zusammengezogenen, dichten bis lockeren, rispige Gesamtblütenstand befinden sich viele Blüten. Die Ährchen sind einblütig und seitlich abgeflacht; ein Achsenfortsatz über dem Blütchen fehlt. Zur Reife fallen die Blütchen aus den Hüllspelzen, die stehen bleiben, aus. Die Hüllspelzen sind drei- bis fünfnervig, selten einnervig, gleich oder ungleich. Häufig sind sie in eine Spitze ausgezogen und wesentlich länger als die Blüte ohne Granne. Sie sind häutig bis durchscheinend dünnhäutig. Die Deckspelze ist fünfnervig, derbhäutig, behaart und begrannt. Die Granne ist bis zu 50 Zentimeter lang, ein- bis zweifach gekniet und mit gedrehter, kahler bis behaarter Untergranne. Die Obergranne ist rau bis dicht federig (von daher der deutsche Trivialname). Die Vorspelze ist annähernd so lang wie die Deckspelze, dünnhäutig bis lederig. Es gibt drei, selten zwei Staubblätter. Der Fruchtknoten ist kahl und trägt zwei, selten drei endständige Griffel mit dicht federigen Narben.

Die Karyopse ist eng von Deck- und Vorspelze umgeben und bildet zusammen mit der an der Deckspelze sitzenden Bohrspitze die Ausbreitungseinheit (Diaspore). Die Bohrspitze oder Kallus sitzt am unteren Ende der Deckspelze und ist morphologisch ein Teil der Ährchenachse;[3] sie ist dicht behaart, spitz bis stechend, nur selten gerundet. Der Embryo ist ein Sechstel bis ein Drittel so lang wie die Frucht. Der Nabel ist strichförmig und erstreckt sich fast über die ganze Länge der Frucht.

Blüten- und Ausbreitungsökologie

In der Gattung Stipa kommen häufig kleistogame Blüten vor.

Die Früchte sind Bohrfrüchte: Die Untergranne ist trocken gedreht, bei Feuchtigkeit dreht sie sich auf. Dadurch richtet sich die ganze Ausbreitungseinheit durch den Knick in der Granne auf und bohrt sich so ins Erdreich. Die Haare des Kallus dienen als Widerlager.

Die Ausbreitung erfolgt bei den Arten mit behaarter Granne durch den Wind (Anemochorie), bei denen mit rauen Grannen durch Tiere (Epizoochorie).

Systematik und Verbreitung

Stipa arabica
Haar-Pfriemengras (Stipa capillata)
Stipa lessingiana
Grauscheidiges Federgras (Stipa pennata)

Taxonomie

Die Gattung Stipa wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus I, Seite 78–79 aufgestellt. Als Lectotypusart wurde 1925 Stipa pennata L. durch Albert Spear Hitchcock in Contributions from the United States National Herbarium. Smithsonian Institution, Volume 24, Issue 7, S. 216 festgelegt.[4] Synonyme für Stipa L. sind: Orthoraphium Nees, Stupa Asch. orth. var.[5] Der Gattungsname Stipa leitet sich vom lateinischen stipa, stippa ab, dem Stab, der zum Abstützen von Amphoren dient; hierfür wurden unter anderem die Halme des Halfagrases (Stipa tenacissima) verwendet.

Arten und ihre Verbreitung

Die Gattung Stipa umfasst 100[6] bis 388[3] Arten, je nach der Auffassung ob Achnatherum, Celtica, Macrochloa, Ptilagrostis und Trikeraia enthalten sind oder nicht.[7]

In Mitteleuropa kommen die Arten: Sand-Federgras (Stipa borysthenica Klokov ex Prokudin), Haar-Pfriemengras (Stipa capillata L.), Weichhaariges Federgras (Stipa dasyphylla (Czern. ex Lindem.) Trautv.), Wenighaariges Gelbscheiden-Federgras (Stipa epilosa Martinovský), Zierliches Federgras (Stipa eriocaulis Borbás), Echtes Federgras oder Grauscheiden-Federgras (Stipa pennata L.), Bayerisches Federgras (Stipa bavarica Martinovský & H.Scholz, manchmal als Unterart Stipa pulcherrima subsp. bavarica (Martinovský & H.Scholz) Conert verzeichnet), Gelbscheidiges Federgras (Stipa pulcherrima K.Koch), Steirisches Federgras (Stipa styriaca Martinovský, Syn.: Stipa pennata subsp. pennata), Rossschweif-Federgras (Stipa tirsa Steven), Rötliches Federgras (Stipa zalesskii Wilensky) vor.[8] (Bei manchen Autoren gelten manche davon als Synonyme.[9])

Arten der Gattung Stipa sind (Auswahl):

Naturhybriden sind (Auswahl):

  • Stipa ×adamii M.Nobis[9]
  • Stipa ×alaica Pazij[9]
  • Stipa ×albasiensis L.Q.Zhao & K.Guo[9]
  • Stipa ×assyriaca Hand.-Mazz.[9]
  • Stipa ×balkanabatica M.Nobis & P.D.Gudkova[9]
  • Stipa ×brevicallosa M.Nobis[9]
  • Stipa ×brozhiana M.Nobis[9]
  • Stipa ×consanguinea Trin. & Rupr.[9]
  • Stipa ×czerepanovii Kotukhov[9]
  • Stipa ×dzungarica M.Nobis[9]
  • Stipa ×fallacina Klokov & Osychnyuk[9]
  • Stipa ×fallax M.Nobis & A.Nowak[9]
  • Stipa ×gegarkunii P.A.Smirn.[9]
  • Stipa ×gnezdilloi Pazij[9]
  • Stipa ×heptapotamica Golosk.[9]
  • Stipa ×hissarica M.Nobis[9]
  • Stipa ×kamelinii Kotukhov[9]
  • Stipa ×ladakhensis M.Nobis, Klichowska, A.Nowak & P.D.Gudkova[9]
  • Stipa ×majalis Klokov[9]
  • Stipa ×manrakica Kotukhov[9]

Äußere Systematik

Die Gattung Stipa gehört zur Tribus Stipeae in der Unterfamilie Pooideae innerhalb der Familie Poaceae.[5] Der Umfang dieser Gattung und der Gattungen der Tribus Stipeae werden kontrovers diskutiert. Auch die Arten der Gattungen Achnatherum P.Beauv., Celtica F.M.Vazquez & Barkworth, Macrochloa Kunth, Ptilagrostis Griseb. und Trikeraia Bor werden manchmal in die Gattung Stipa s. l. gestellt.[5][9]

Je nach Autor nicht mehr in die Gattung Stipa werden gestellt:[9]
Riesen-Federgras (Celtica gigantea)
Halfagras (Macrochloa tenacissima)
Karyopsen des Halfagras (Macrochloa tenacissima (L.) Kunth)

Bedeutung

In vielen Steppengebieten spielen Federgras-Arten als Futterpflanzen eine wichtige Rolle. Einige Arten werden als Zierpflanzen verwendet. Als dominante Art in Steppengebieten dienen sie außerdem als Futterquelle für Wild- und Nutztiere sowie zum Sichern des Bodens gegen Winderosion.[14]

Quellen

Literatur

  • Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6.
  • Jan Otakar Martinovský: Stipa L. In: Thomas Gaskell Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Band 5: Alismataceae to Orchidaceae (Monocotyledones), Cambridge University Press, 1980, ISBN 0-521-20108-X. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Hassan R. Hamasha, K. Bernhard von Hagen, Martin Röser: Stipa (Poaceae) and allies in the Old World: molecular phylogenetics realigns genus circumscription and gives evidence on the origin of American and Australian lineages. In: Plant Systematics and Evolution, Volume 298, Issue 2, 2012, S. 351–367. doi:10.1007/s00606-011-0549-5

Einzelnachweise

  1. a b Datenblatt Stipa., 2016 bei W. D. Clayton,, M. S. Vorontsova, K. T. Harman, H. Williamson: GrassBase - The Online World Grass Flora.
  2. a b Ewelina Klichowska, Marcin Nobis: Stipa pennata subsp. ceynowae (Poaceae, Pooideae), a new taxon from Central Europe. In: PhytoKeys. Band 83, 17. Juli 2017, ISSN 1314-2003, S. 75–92, doi:10.3897/phytokeys.83.12797, PMID 29033650, PMC 5624204 (freier Volltext) – (pensoft.net [abgerufen am 2. Mai 2024]).
  3. a b Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
  4. Stipa bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 16. August 2013.
  5. a b c Stipa im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 16. August 2013.
  6. Zhen-lan Wu, Sylvia M. Phillips: Poaceae. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 22, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2006, ISBN 1-930723-50-4. Stipa, S. 196 - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  7. Zhen-lan Wu, Sylvia M. Phillips: Poaceae. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 22, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2006, ISBN 1-930723-50-4. Stipeae, S. 188 - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  8. Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv (CD-Rom), Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2001/2002, ISBN 3-494-01327-6.
  9. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb bc bd be bf bg bh bi bj bk bl bm bn bo bp bq br bs bt bu bv bw bx by bz ca cb cc cd ce cf cg ch ci cj ck cl cm cn co cp cq cr cs ct cu cv cw cx cy cz da db dc dd de df dg dh di dj dk dl dm dn do dp dq dr ds dt du dv dw dx dy dz Datenblatt Stipa bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.
  10. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak B. Valdés, H. Scholz; with contributions from E. von Raab-Straube, G. Parolly, 2009+: Poaceae (pro parte majore). Datenblatt Stipa In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
  11. a b c d e f g h i j k l m n Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2: Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
  12. Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
  13. J. Travis Columbus, James P. Smith, Jr., Douglas H. Goldman, 2012: Stipa In: Jepson Flora Project (Hrsg.): Jepson eFlora.
  14. Evgenii Baiakhmetov, Cervin Guyomar, Ekaterina Shelest, Marcin Nobis, Polina D. Gudkova: The first draft genome of feather grasses using SMRT sequencing and its implications in molecular studies of Stipa. In: Scientific Reports. Band 11, Nr. 1, 28. Juli 2021, ISSN 2045-2322, doi:10.1038/s41598-021-94068-w, PMID 34321531, PMC 8319324 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 2. Mai 2024]).
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