Exergone und endergone Reaktion

Chemische Reaktionen werden in Bezug darauf, ob die freie Enthalpie G der an der Reaktion beteiligten Komponenten ab- oder zunimmt, als exergone (bzw. exergonische) oder endergone (bzw. endergonische) Reaktionen bezeichnet:[1]

  • exergon:
  • endergon:

Diese Begriffe sind nicht mit exotherm und endotherm zu verwechseln (siehe unten sowie Abgrenzung).

Exergone und endergone Reaktionen

Exergone Reaktionen können spontan („freiwillig“) ablaufen, wenn die Reaktionsgeschwindigkeit hinreichend groß ist, um die Reaktion als beobachtbar bezeichnen zu können (s. Reaktionskinetik). Endergone Reaktionen laufen nicht spontan, sind also thermodynamisch nicht möglich.[2]

Ein Beispiel für eine endergone Reaktion ist die Entstehung eines Proteins[3] in einer wässrigen Lösung von Aminosäuren. Sie kann allein nicht spontan ablaufen, kann aber als Teilreaktion realisiert werden, wenn sie an andere, exergone Teilreaktionen gekoppelt wird, so dass in der Summe das Vorzeichen von negativ ist. In biologischen Systemen gelingt dies meist durch die Hydrolyse von ATP.[4]

Da die Rückreaktion einer endergonen Reaktion stets exergon ist (und umgekehrt), sollten Proteine eigentlich spontan wieder in ihre Aminosäuren zerfallen. Allerdings ist die Geschwindigkeit der Zerfallsreaktion unter physiologischen Bedingungen so klein, dass sie vernachlässigt werden kann, d. h. Peptidbindungen sind in diesem Fall kinetisch stabil (oder: metastabil). Hier entscheidet also ein Kriterium aus der Reaktionskinetik darüber, ob die Reaktion spontan abläuft, präziser: beobachtet wird.

Systeme streben stets dem Gleichgewichtszustand zu, weil hier die freie Enthalpie den minimalen Wert annimmt. Hat ein System sein Gleichgewicht erreicht, so verändern sich die Konzentrationen der Reaktionspartner nicht mehr, weil G auf keinem Weg weiter verringert werden kann, und es gilt .

Wichtige Unterscheidung

  • ist die molare freie Reaktionsenthalpie
  • ist die molare freie Standard-Reaktionsenthalpie, also die molare freie Reaktionsenthalpie unter thermodynamischen Standardbedingungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die Aktivität aller Komponenten 1 ist und der Druck dem Standarddruck entspricht.

Das vollständige Ablaufen einer Reaktion ist hypothetisch, da jede Reaktion nur bis zum chemischen Gleichgewicht läuft. ist eine wichtige Größe, da sie mit der allgemeinen thermodynamischen Gleichgewichtskonstanten K in folgendem Zusammenhang steht:[5]

mit

Bestimmung der freien Reaktionsenthalpie

ist gegeben durch folgende Beziehung (oft auch als Gibbs-Helmholtz-Gleichung bezeichnet):[1]

mit

kann direkt mit Hilfe tabellierter Werte (Standard-Reaktionsenthalpien und Standard-Reaktionsentropien ) für Standardbedingungen berechnet werden. Eine Umrechnung auf andere Temperaturen kann mit Hilfe der Van-’t-Hoff-Gleichung geschehen.

Deutung der Gleichung ΔG = ΔHT · ΔS

Thermodynamik der chemischen Reaktion

Triebkraft für das Ablaufen einer chemischen Reaktion ist die Zunahme der Entropie S im Universum (vgl. zweiter Hauptsatz der Thermodynamik).

Betrachtet man ein System, das keine Energie mit der Umgebung austauschen kann (abgeschlossenes System), so lautet die einzige Bedingung, die an einen spontan ablaufenden Vorgang zu stellen ist, . Entscheidend ist dabei nicht, ob die einzelne Reaktion exergon oder endergon ist, sondern dass das System sich noch nicht im Gleichgewicht befindet.

Exotherme und endotherme Reaktion

Erlaubt man dem System den Austausch von Arbeit oder Wärme mit der Umgebung (Geschlossenes System), so muss zusätzlich die Entropieänderung in der Umgebung berücksichtigt werden. Diese kann erfasst werden über die Wärmeaufnahme, d. h., bei isobaren Prozessen, die Enthalpieänderung des Systems:

  • als negativer Beitrag, wenn die Reaktion exotherm ist, Wärme an die Umgebung abgegeben wird und auf diese Weise in der Umwelt die Entropie zunimmt,
  • als positiver Beitrag, wenn die Reaktion endotherm verläuft und die Entropie in der Umwelt abnimmt, weil Wärme vom System aufgenommen wird.

Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik gilt dann für die Gesamtentropieänderung

Das ist gleichbedeutend mit

Das System strebt Zustände mit minimaler freier Enthalpie an, da dies der Zustand maximaler Entropie ist.

Einzelnachweise

  1. a b Florian Horn: Biochemie des Menschen das Lehrbuch für das Medizinstudium. Georg Thieme Verlag, 2009, ISBN 978-3-13-130884-9, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. P. Stephan, K. Schaber, K. Stephan, F. Mayinger: Thermodynamik - Grundlagen und technische Anwendungen - Band 2: Mehrstoffsysteme und chemische Reaktionen 15. Auflage, Springer, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-36709-3.
  3. Ulf Dettmer und Malte Folkerts: Biochemie. Elsevier,Urban&FischerVerlag, 2005, ISBN 978-3-437-44450-0, S. 6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. H.A. Harper, G. Löffler, P.E. Petrides, L. Weiss: Physiologische Chemie Eine Einführung in die medizinische Biochemie für Studierende der Medizin und Ärzte. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-09766-3, S. 257 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Walter J. Moore; "Grundlagen der physikalischen Chemie", Walter de Gruyter, 1990.