Brügge sehen … und sterben?

Film
Titel Brügge sehen … und sterben?
Originaltitel In Bruges
Produktionsland Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 2008
Länge 107 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Martin McDonagh
Drehbuch Martin McDonagh
Produktion
Musik Carter Burwell
Kamera Eigil Bryld
Schnitt Jon Gregory
Besetzung
Synchronisation

Brügge sehen … und sterben? (Originaltitel In Bruges) ist ein Filmdrama aus dem Jahr 2008, das einen tragikomischen Grundton sowie Actionelemente enthält. In den Hauptrollen sind Colin Farrell und Brendan Gleeson zu sehen. Regie führte Martin McDonagh, der auch das Drehbuch schrieb. Der Film spielt in der mittelalterlichen Kulisse der Innenstadt von Brügge.

Handlung

Die irischen Auftragsmörder Ray und Ken reisen kurz vor Weihnachten auf Geheiß ihres Auftraggebers Harry von London nach Brügge. Dort sollen sie nach einem von ihnen durchgeführten Attentat eine Zeit lang untertauchen. Sie quartieren sich in einem kleinen Hotel ein und warten auf Harrys Anruf. Zum Zeitvertreib besichtigen sie mittelalterliche Bauwerke der Altstadt Brügges. Ray, der Jüngere der beiden, verabscheut die museal anmutende Stadt und ist genervt, während der ältere Ken von ihrer Schönheit und Geschichtsträchtigkeit angetan ist.

Bei Dreharbeiten in der Stadt lernt Ray Chloë kennen. Während einer Verabredung mit ihr ergibt sich ein Streit mit einem kanadischen Touristenpaar am Nebentisch, in dessen Folge Ray die Kanadier niederschlägt. Später am Abend kommt es in Chloës Wohnung zu einem Handgemenge mit deren Freund Eirik, bei dem Ray diesem mit einer Platzpatrone ins Auge schießt.

Im Laufe des Filmes stellt sich heraus, dass Ray unter Schuldgefühlen leidet und depressiv ist, denn bei dem gerade ausgeführten Auftragsmord, seinem ersten, tötete er versehentlich auch einen kleinen Jungen. Ken erfährt bei einem Anruf von Harry, dass er Ray wegen dieser Verfehlung töten soll. Die Reise nach Brügge sollte dazu dienen, diesem letzte schöne Tage in der Stadt zu bereiten, von der Harry seit Kindertagen angetan ist und annimmt, auch Ray würde die Stadt gefallen. Ken kann diesen Mordauftrag nicht ablehnen, da er es war, der Ray bei Harry einführte. Harry macht Ken unmissverständlich klar, dass er ansonsten selbst für Rays Verfehlung büßen muss.

Ken zögert mit der Ausführung des Auftrages und vereitelt sogar Rays Suizidversuch, den dieser aus Schuldgefühlen heraus begehen wollte. Er verhilft ihm zur Flucht per Zug und teilt dies auch seinem Auftraggeber mit. Allerdings wird Ray während der Zugfahrt von der Polizei festgenommen und zurück in die Stadt gebracht, weil ihn das kanadische Ehepaar wiedererkannt hat. Chloë übernimmt seine Kaution und holt ihn vom Polizeirevier ab.

Währenddessen reist Harry nach Brügge, um den ungehorsamen Ken zu töten. Im Laufe einer Auseinandersetzung mit Harry stürzt Ken sich vom Belfried von Brügge und stirbt. Auf dem Vorplatz des Turmes entdeckt Harry Ray, und es kommt zu einer Verfolgungsjagd durch die Stadt. Diese endet nach einem Zwischenspiel im Hotel auf dem Filmset, wo auch der kleinwüchsige Schauspieler Jimmy anwesend ist, mit dem Ken und Ray in den Tagen zuvor Bekanntschaft gemacht haben. Dort stellt Harry den verletzten Ray und schießt erneut auf ihn.

Mit einem Schuss seiner Dum-Dum-Munition trifft er dabei versehentlich den hinter Ray stehenden Jimmy in den Kopf. Da der Schauspieler für die Dreharbeiten eine Schuluniform trägt und sein Kopf völlig entstellt ist, glaubt Harry, ebenfalls ein Kind getötet zu haben. Gemäß seinem eigenen Ehrenkodex tötet sich Harry mit einem Schuss in den Kopf selbst. Ray wird schwerst verwundet in einen Krankenwagen gebracht. Dazu hört man einen von Ray aus dem Off gesprochenen Monolog, in dem er mutmaßt, für alle Ewigkeit in die Hölle namens Brügge verbannt zu sein. Der Film endet mit dem Satz „Ich hab’ mir so gewünscht, dass ich nicht sterbe!“ (im englischen Original: "I really, really hoped I wouldn't die.")

Hintergrund

Der Film war nach dem Kurzfilm Six Shooter der erste abendfüllende Spielfilm von Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh. Er sah in dem Projekt eine für ihn voraussichtlich einmalige Chance, sich als Regisseur und Drehbuchautor von (Lang-)Filmen zu etablieren.[3] Die Grundidee zum Film kam McDonagh, nachdem er selbst einige Tage in Brügge verbracht und die Stadt einerseits aufgrund des historischen Stadtkerns faszinierend, andererseits aber langweilig gefunden hatte.

Diese gegensätzlichen Eindrücke führten zunächst zur Entstehung der zwei Figuren Ray und Ken, die jeweils für einen dieser Eindrücke stehen: Ken beschäftigt sich eingehend mit den Sehenswürdigkeiten, Ray langweilt sich. Der nächste Schritt, so McDonagh, bestand dann darin, eine Handlung zu entwickeln, die den Aufenthalt der Figuren in Brügge rechtfertigen würde.[3] Gedreht wurde im Februar und März 2007 an Originalschauplätzen in Brügge.

Bei geschätzten Produktionskosten von 15 Millionen US-Dollar[4] spielte der Film in den Kinos weltweit rund 33 Millionen US-Dollar ein, davon rund 9,6 Millionen US-Dollar in Großbritannien, 7,8 Millionen US-Dollar in den Kinos der USA und 2,5 Millionen US-Dollar in Deutschland. Die Erstaufführung des Films fand am 17. Januar 2008 beim Sundance Film Festival statt. Kinostart in den USA (mit nur eingeschränkter Veröffentlichung) war am 8. Februar 2008, in Großbritannien am 18. April 2008 und in Deutschland am 15. Mai 2008.[5] Die DVD-Veröffentlichung war in Deutschland am 24. November 2008.

Das letzte Gericht,
Hieronymus Bosch,
Groeningemuseum, Brügge

Der Film enthält zahlreiche Bezüge und Zitate aus anderen Filmen und Kunstwerken. Der langerwartete Anruf von Harry ist in einer sechs Minuten langen Plansequenz inszeniert. Als Hinweis auf dieses Stilmerkmal ist auf einem Fernseher im Hintergrund der Anfang von Im Zeichen des Bösen von Orson Welles zu sehen, der ebenfalls in einer langen, ungeschnittenen Kamerafahrt inszeniert wurde.[6]

Im Groeningemuseum gefällt Ray nur ein Gemälde von Hieronymus Bosch. Ken erklärt ihm, dass es sich um eine Darstellung des Jüngsten Gerichtes handele. Die skurrilen Gestalten aus dem Gemälde tauchen teilweise als verkleidete Darsteller des mit Jimmy in Brügge gedrehten Films wieder auf, bevor Ray niedergeschossen wird. Dieser Film wiederum ist nach den Worten Chloës eine Verbeugung vor Wenn die Gondeln Trauer tragen. Auf ihn wird in der weiteren Inszenierung unter anderem mit der Gestalt des kleinwüchsigen Jimmy und den von zahlreichen gemauerten Bogenbrücken überspannten Kanälen Brügges mehrfach angespielt.

Als Ray und Chloë einander das erste Mal am Rande von Dreharbeiten auf der nächtlichen Straße begegnen, erwähnt Ray den Selbstmord des kleinwüchsigen Schauspielers Hervé Villechaize, der 1993 in der amerikanischen Fernsehserie Fantasy Island mitgewirkt hatte. In Gesprächen mit Chloë und Jimmy nimmt Ray mehrmals Bezug auf den Film Time Bandits von Terry Gilliam, in dem die Hauptrollen auch überwiegend durch Kleinwüchsige besetzt sind und dessen Darsteller David Rappaport ebenfalls Suizid beging.

Synchronisation

Die deutsche Synchronisation entstand nach einem Dialogbuch und unter der Regie von Marius Clarén bei der Elektrofilm GmbH in Berlin.[7] Der deutsche Filmtitel Brügge sehen … und sterben? kann als eine Anspielung auf das italienische Sprichwort „Neapel sehen und sterben“ (ital. „Vedi Napoli e poi muori“) angesehen werden.[8]

Figur Darsteller Deutscher Sprecher
Ray Colin Farrell Florian Halm
Ken Daley Brendan Gleeson Roland Hemmo
Harry Walters Ralph Fiennes Udo Schenk
Chloë Villette Clémence Poésy Marie Bierstedt
Jimmy Jordan Prentice Sven Hasper
Marie Thekla Reuten Anna Carlsson
Eirik Jérémie Renier Michael Deffert
Denise Anna Madeley Gundi Eberhard
Natalie Waters Elizabeth Berrington Christin Marquitan
Yuri Éric Godon K. Dieter Klebsch
Kanadier Željko Ivanek Thomas Petruo
Priester Ciarán Hinds Hans-Werner Bussinger

Rezeption

Quelle Bewertung
Rotten Tomatoes (Tomatometer) 85 %[9]
Metacritic (Metascore) 67/100[10]
AllMovie SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[11]
Lexikon des internationalen Films SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[12]

Brügge sehen … und sterben? erhielt ein gutes Presseecho, was sich auch in den Auswertungen US-amerikanischer Aggregatoren widerspiegelt. So erfasst Rotten Tomatoes größtenteils positive Besprechungen und ordnet den Film dementsprechend als „Zertifiziert Frisch“ ein.[9] Laut Metacritic fallen die Bewertungen im Mittel „Grundsätzlich Wohlwollend“ aus.[10]

„So amüsiert sich der Film in der ersten halben Stunde fein vor sich hin, Kirchen und Museen werden besucht, aber auch dicke Amerikaner beleidigt – immer jedoch folgt auf Kunst und Kultur das griesgrämige Gesicht des nach kühlem belgischen Biere dürstenden Ray. […] Dann jedoch wird es, obwohl man sich dies durchaus auch noch länger hätte anschauen können, vollkommen wucki. In einem positiven Sinne natürlich. Es gibt Selbstmordabsichten, obskure Filmdrehs in der Altstadt, unsympathische Kleinwüchsige, amouröse Verwicklungen, einen bestcholerischen Ralph Fiennes […], Drogenexzesse, große Taten und vielleicht sogar etwas wie ein Happy End.“

Daniel Windheuser: Der Freitag[13]

„Der Killer als bemitleidenswerter Grübler, an dem die Vergangenheit und ein schlechtes Gewissen nagen: Von der coolen Ironie, die Quentin Tarantino mit Pulp Fiction seinerzeit im Killerfilm einführte, mit der sich die Mörder schulterzuckend Blutspritzer von ihren Sonnenbrillen wischen und das Publikum die grausigste Meuchelei weglacht, ist hier nichts übrig. Abgesehen davon, dass […] schlicht zu wenig gemordet wird, um sich danach mit affektiver Gleichgültigkeit davon zu distanzieren, sind die Figuren kein bisschen überzeichnet, weder Maschinen noch coole Säue. Man sieht hier nur ganz normale Männer, was auch heißt: Sie nehmen sich und ihre Sorgen zu ernst. Für die Filme bedeutet das nicht Gutes. Zwingt man schwermütige Killer in malerischen Kulissen zum Däumchendrehen, bleibt eben wenig Unterhaltsames übrig.“

Jan Kedves: Die Tageszeitung[14]

Brügge sehen … und sterben? ist eine großartige, kleine Produktion. Besonders herausragend ist dabei die Balance zwischen komischen und tragischen Momenten.“

Rudolf Inderst: filmspiegel.de[15]

„Der höchst originell konstruierte und erzählte Gangsterfilm kreist in Form einer schwarzen Komödie um die Themen Ehre und Loyalität, wobei er dank des grandiosen Schauplatzes und der überzeugenden Darsteller bestens unterhält.“

Der Film und die beiden Hauptdarsteller Colin Farrell und Brendan Gleeson wurden unter anderem 2008 für den British Independent Film Award und 2009 für den Golden Globe Award 2009 nominiert.[16] Farrell erhielt im Januar 2009 den Golden Globe als bester Hauptdarsteller in der Kategorie Comedy/Musical.[16] Martin McDonagh gewann 2009 den British Academy Film Award für sein Drehbuch, das zudem 2009 für den Oscar nominiert wurde.[16]

Anmerkungen

  • In einer Szene besuchen Ken und Ray die Jerusalemkirche. Im Film wird jedoch der Eindruck erweckt, es handele sich dabei um die Heilig-Blut-Basilika. Der Innenraum und die Aussichtsplattform des Belfrieds in Brügge wurden für den Film im Studio nachgebaut.[17] Der reale Turm ist durch Drahtnetze gesichert, sodass nichts Größeres hinunterfallen kann. Auch wird er geschlossen, bevor es richtig dunkel ist.
  • Insgesamt fünf Darsteller des Filmes waren auch in den Verfilmungen von Joanne K. Rowlings Wizarding-World-Franchise zu sehen. So spielte Ralph Fiennes in den Harry-Potter-Filmen die Rolle des Schwarzmagiers Lord Voldemort, während Brendan Gleeson den Auror Alastor „Mad-Eye“ Moody verkörperte. Des Weiteren spielte Clémence Poésy die Rolle der französischen Hexe Fleur Delacour und Cirián Hinds war als Aberforth Dumbledore zu sehen. Colin Farrell verkörperte im ersten Film der Prequel-Reihe Phantastische Tierwesen den Auror Percival Graves.

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Brügge sehen … und sterben? Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, Mai 2008 (PDF; Prüf­nummer: 113 954 K).
  2. Alterskennzeichnung für Brügge sehen … und sterben? Jugendmedien­kommission.
  3. a b Bonusmaterial der deutschen DVD-Veröffentlichung: Interview mit Regisseur Martin McDonagh
  4. Budget
  5. Starttermine laut Internet Movie Database
  6. Wael Khairy: Film Analysis: Martin McDonagh’s “In Bruges”. In: The Cinephile Fix. 30. September 2011, abgerufen am 6. Januar 2017 (englisch): „The arrival of the phone call is the film’s climatic moment. The scene comes in the form of a six minute long take. Ken is sitting in his hotel room and the famous opening shots of “Touch of Evil” can be seen on television in a nice reference.“
  7. Brügge sehen … und sterben? In: Deutsche Synchronkartei. Abgerufen am 22. Dezember 2019.
  8. Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Neapel, S. 1, Digitale Bibliothek, Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 4316; Röhrich-LdspR Band 3, S. 1086
  9. a b Brügge sehen … und sterben? In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 14. Februar 2024 (englisch, 213 erfasste Kritiken).
  10. a b Brügge sehen … und sterben? In: Metacritic. Abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch, 34 erfasste Kritiken).
  11. Derek Armstrong: In Bruges (2008) (Memento vom 11. September 2017 im Internet Archive) bei AllMovie (englisch)
  12. a b Brügge sehen … und sterben? In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 25. Dezember 2017.
  13. Filmkritik von Daniel Windheuser
  14. Filmkritik von Jan Kedves
  15. Filmkritik (Memento vom 9. Juli 2015 im Internet Archive) von Rudolf Inderst
  16. a b c Nominierungen und Auszeichnungen laut Internet Movie Database
  17. Brügge sehen … und sterben? Die Welt der Drehorte; Filmtourismus.de abgerufen am 26. Januar 2017