Am Puttenser Felde
Am Puttenser Felde | |
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Straße in Hannover | |
Basisdaten | |
Stadt | Hannover |
Stadtteil | Nordstadt |
Name erhalten | 1845 |
Anschlussstraßen | Oberstraße |
Technische Daten | |
Straßenlänge | 100 m |
Karte | |
Am Puttenser Felde ist eine etwa 100 Meter lange Straße im hannoverschen Stadtteil Nordstadt. Die nördliche Straßenseite ist mit mehrgeschossigen Wohnhäusern bebaut, auf der südlichen Straßenseite befinden sich Institute der Leibniz Universität Hannover im Gebäude des ehemaligen Heizkraftwerks mit seinem markanten Turm.[1] Der Straßenname erinnert an das im 14. Jahrhundert aufgegebene Dorf Puttenhusen.[2][3]
Puttenhusen
Puttenhusen (später auch Puttensen) wurde 1022 zum ersten Mal urkundlich erwähnt.[4] Damals lagen hier wie andernorts rund um Hannover Besitzungen des Hildesheimer Michaelisklosters aus dem Vermächtnis des Bischofs Bernward von Hildesheim.[5] Puttenhusen lag nahe der heutigen Kornstraße,[6] die Bezeichnung „Putten“ (Pfütze) deutet auf ein benachbartes Feuchtgebiet, an das der Straßenname „Im Moore“ erinnert.[7]
1360 wurde Puttensen letztmals erwähnt,[8] später aufgegeben und wüst,[9] ähnlich wie Schöneworth.[10]
Die von Pest und Krieg verschont gebliebene Restbevölkerung zog vermutlich in die Stadt Hannover, um von dort als Ackerbürger weiter einen Teil der alten Flur zu bewirtschaften.[3]
Puttenser Feld
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde auf dem „Sandberg am Puttenser Felde“ eine jüdische Begräbnisstätte errichtet, der Alte Jüdische Friedhof.[11] Auf einer benachbarten Anhöhe entstand 1675/78 die Puttenser Windmühle am Standort der heutigen Technischen Informationsbibliothek,[12] unweit davon ließ König Georg I. von 1717 bis 1721 auf dem „Puttenser Berge“, einer ehemaligen Düne, für die Gräfin Sophie von Platen-Hallermund das Schloss Montbrillant errichten und einen Garten im „französischen Stil“ anlegen, den heutigen Welfengarten.[13][12] Im Zuge der Erweiterung des Gartens wurde um 1750 das Torf des Moores mit Sand der umliegenden Dünenkuppen überdeckt.[3]
Das „Puttenser Feld“ lag südlich des früheren Moores im Dreieck von Schloss Montbrillant, dem 1863 geschlossenen Alten Jüdischen Friedhof[14] und der Herrenhäuser Allee.
Geschichte der Straße
1845 erhielt der Gartenweg seinen heutigen Namen.[15] Der Weg war teilweise mit Gartenhäusern auf erschlossenen Parzellen bestanden und diente als Verbindung von der Nienburger Straße zum Alten Judenfriedhof. Von der ursprünglich ländlichen Besiedelung durch die Kleinbürger und „Gartenkosaken“ der Steintorgartengemeinde hat sich ausschließlich das Gartenhaus von 1820 erhalten.
Nach dem Abriss von Schloss Montbrillant 1857 und dem Bau des Welfenschlosses begann die Erschließung der westlichen Nordstadt als Wohngebiet für den gehobenen Mittelstand und die Überbauung der Gartengrundstücke entlang des Georgengartens.
Nachdem der 1863 bis 1866 erbaute und zum Schloss ausgerichtete Marstall, der dann von den Königs-Ulanen genutzt wurde,[16] die alte Wegführung östlich des Parks unterbrach, wurde 1865 der größere Teil der Straße „Am Puttenserfeld“ in „Parkstraße“, 1936 in „Wilhelm-Busch-Straße“ umbenannt.[17] Am verbliebenen Reststück „Am Puttenser Felde“ hinter dem Marstall entstanden vor 1900 Wohnhäuser für einfache Leute.
Am Ende der Straße entstanden die ältesten und zugleich kleinsten Häuser mit den Hausnummern 7 und 8. Sie waren Wohn- und Arbeitsort kleinerer Handwerker und Fuhrleute. Die Fronten der weit zurückgesetzten Häuser auf Sandsteinsockeln sind geprägt durch aufeinander bezugnehmende Gliederung mittels Zwerchhäusern und Backsteinornamentik. Die Seiten weisen überputztes Fachwerk auf. Vor den Gebäuden bauten die Eigentümer einfache Ställe für Pferde und Kutschen, später auch für Automobile. Diese Situation hat sich vor Haus Nummer 7 bis heute erhalten.
- Ehemalige Pferdeställe vor Haus Nummer 7
- Heutige Werkstatt, rechts hinter dem hölzernen Schiebetor die ehemaligen Pferdeställe
- Hinterhaussituation hinter den ehemaligen Pferdeställen
- Das kleine Nebenhaus von Nr. 7 vom Hof aus. Das alte Holzfenster imitiert den Hannoverschen Rundbogenstil.
- Hinter der Garage vor Haus Nr. 7: Hinterhof-Situation Haus-Nr. 5 und 6
Kurz vor 1900 entstanden als Mietshäuser die Häuser Nummer 5 und 6. Hinterhaus und Seitenflügel sind die älteren Gebäudeteile. Die rohen Backsteinbauten gruppieren sich um einen nur wenige Meter schmalen Hof, in den kaum Sonnenlicht dringt. Dagegen sind die Treppengeländer aufwendig gedrechselt. Die freiliegenden Stahlträger für die Geschossabsätze geben mit ihren Inschriften Hinweise auf die Bauzeiten der Gebäude: „Peiner Walzwerke 1894“.
Die etwas jüngeren Vorderhäuser („Peiner Walzwerke 1895“) wurden noch mit schmalen Vorgärten versehen, welche die im Entstehen begriffene Straßenflucht vorwegnahmen. Die großenteils noch unverputzten, vorne dreigeschossigen Bauten sind sparsam verziert. Sie weisen zum Teil glasierte Ziegelsteine und Sandsteinbänder auf, die die Längsausrichtung hervorheben.
Lediglich das Eckhaus Am Kleinen Felde 1 von 1897 mit Sicht auf den Alten Judenfriedhof hat den Wohnkomfort des ehemaligen Mittelstandes. Im Erdgeschoss befand sich früher ein Einzelhandelsgeschäft.
1913 wurden die drei nördlichen Flügel des Marstalls abgerissen und durch das Heizkraftwerk der Universität Hannover sowie das Maschinen-Ingenieur-Laboratorium ersetzt. Der ehemals südöstliche Pferdestall der 1922 bis 1960 zur Mensa umfunktioniert worden war, wurde jedoch erst 1960 abgerissen.[16][18] Das Gebäude des ehemaligen Heizkraftwerks ist heute Sitz des „Instituts für Maschinenkonstruktion und Tribologie“,[19] des „Instituts für Technische Verbrennung“[20] und des „Dezernats 3 - Gebäudemanagement“[21] der Leibniz Universität Hannover.
Exemplarisch für die vielen „Schmuddelkinder“ im Arme-Leute-Viertel zeichnete der Spiegel-Mitbegründer Leo Brawand in seiner autobiographischen Erzählung Die Leute vom Damme (gemeint ist sein späterer Wohnsitz am Engelbosteler Damm) anhand seiner eigenen Kindheit ab 1926 auch eine Milieustudie rund um die Häuser Am Puttenser Felde:
Im Haus Nummer 7[22] lebte die Familie Brawand, ohne Vater, zu viert in einer 2-Zimmer-Dachkammerwohnung ohne elektrischen Strom. Die alleinerziehende Mutter von Leo Brawand arbeitete – trotz „Stütze“ vom Wohlfahrtsamt – heimlich und schwarz am Waschtrog und als Putzhilfe, um mit dem Ersparten und den Kindern „raus aus der Sackgasse“ und rein in die „bessere Gegend“ am Engelbosteler Damm 119 (heute Nummer 45) zu ziehen. Auf dem Hof von Haus Nummer 7 befand sich ein Plumpsklo für alle Bewohner.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Häuser 3 und 4 durch Bombentreffer beschädigt und abgerissen. In den 1960er Jahren wurde das Haus Nummer 2 errichtet. Hinter der Eingangstür befindet sich eine ehemalige Garage, da der Bauherr genügend Stellplätze vorweisen musste.
Eigentumsverhältnisse
Die Gebäude waren am Ende des 20. Jahrhunderts zum Großteil im Besitz der Leibniz Universität Hannover, die die Häuser zwecks Vergrößerung des Universitätsbetriebes abreißen lassen wollte. Daraufhin wurden Miet- und Pachtverträge abgeschlossen sowie Renovierungen in Eigenhilfe durch die Bewohner des „Putti“, unterstützt durch Vereine wie den „Baukasten e.V.“ durchgeführt.[23][24] Schließlich bot das Land Niedersachsen die Häuser zum Verkauf an.[25][26]
Im Jahr 2003 wurden die Häuser mit den Nummern 5, 6 und 6A und die Freifläche der ehemaligen Häuser 3 und 4 durch die 1988 gegründete Wohnungsgenossenschaft „WOGE Nordstadt eG“ vom Land erworben.[27] Zuvor war ein Konzept mit dem Nutzerverein und heutigen Mieter „Putti nonstop e.V.“ entwickelt worden war, das Instandsetzung und Teilmodernisierung durch Eigenleistungen der Bewohner sowie Selbstverwaltung beinhaltete.[28]
Literatur
- Leo Brawand: Die Leute von Damme. Familiäres und Geschichtliches aus Hannover, Leuenhagen & Paris, Hannover 1998, ISBN 3-923976-25-9
- Klaus Mlynek: Hannover Chronik / von den Anfängen bis zur Gegenwart / Zahlen, Daten, Fakten
- Wolfgang Neß, Ilse Rüttgerodt-Riechmann, Gerd Weiß (Redakteur mit Walter Wulf), Marianne Zehnpfennig: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland / Baudenkmale in Niedersachsen / Stadt Hannover, Teil 1, (Bd.) 10.1, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbh, Braunschweig 1983, hier: S. 100ff. ISBN 3-528-06203-7
Weblinks
- Seite über die alternativen Wohnprojekte (PDF; 274 kB) der Selbsthilfe Linden eG, WOGE Nordstadt eG und Baukasten e. V.
Einzelnachweise
- ↑ Sid Auffarth, Wolfgang Pietsch: Die Universität Hannover: ihre Bauten, ihre Gärten, ihre Planungsgeschichte, hrsg. im Auftr. des Präsidiums der Univ. Hannover, Imhof, Petersberg 2003, ISBN 3-935590-90-3, S. 20 ff.
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter 1914, zitiert nach Helmut Zimmermann, Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover, Hannover 1992, S. 20
- ↑ a b c Hans Heinrich Seedorf: Hannover und Umgebung vor 200 Jahren, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen, PDF-Datei S. 11 ff., Online (PDF; 6,7 MB)
- ↑ Hannover Chronik, S. 10 f., 129. Baudenkmale in Niedersachsen, S. 100
- ↑ Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jg. 1860, S. 133, Online
- ↑ Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein: Geschichte der Stadt Hannover I: Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Schlütersche, Hannover 1992, ISBN 3-87706-351-9, S. 18 f.
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter 1985, S. 94
- ↑ NIEDERSÄCHSISCHES JAHRBUCH FÜR LANDESGESCHICHTE - Neue Folge der »Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen«, Band 34, 1962, S. 28, PDF-Datei, 112 MB
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter, 1928, Bände 31–32, S. 50, 196 Online
- ↑ Franziska Scharsky, Michael Römer (Red. und Text): Sanierung Nordstadt. Abschlussbericht, Landeshauptstadt Hannover, Der Oberbürgermeister, Baudezernat, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung, Bereich Stadterneuerung und Wohnen, Hannover: LHH, 2007, S. 5
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter 1961, S. 6
- ↑ a b Hannoversche Geschichtsblätter 1985, S. 37, online
- ↑ Ernst von Malortie: Beiträge zur Geschichte des Braunschweig-Lüneburgischen Hauses und Hofes, Band 5, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1866, S. 195 ff., Online
- ↑ Hannover Chronik, S. 129, Online
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter, 1981, S. 16, Online
- ↑ a b Helmut Knocke, Hugo Thielen: Welfengarten 1A, in: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, S. 216
- ↑ Hannoversche Geschichtsblätter, 1994, S. 371
- ↑ Marstallgebäude: Welfengarten 1A ( des vom 24. März 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Leibniz Universität Hannover
- ↑ Institut: Geschichte ( des vom 24. März 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Institut für Maschinenkonstruktion und Tribologie
- ↑ Geschichte des Instituts, Institut für Technische Verbrennung
- ↑ Dezernat 3 - Gebäudemanagement ( vom 24. März 2017 im Internet Archive), Leibniz Universität Hannover. Abgerufen am 7. April 2024.
- ↑ Die Leute vom Damme, S. 15 (Leo Brawand nannte irrtümlicherweise die Hausnummer 9).
- ↑ nordstadt-online.de Rundgang: Baukasten
- ↑ HausMusikBesuch holgerkirleis.de
- ↑ Niedersächsischer Landtag, 40. Plenarsitzung am 17. Dezember 1999 (PDF; 672 kB), Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 24 des Abg. Schwarzenholz (fraktionslos): Privatisierung von Mietshäusern der Universität Hannover, Anlage 18, S. 3842
- ↑ Nichts Neues für Putti-Mieter ( vom 22. September 2016 im Internet Archive), Nordstadt-Zeitung, Juni 2002. Abgerufen am 7. April 2024.
- ↑ Innovative und alternative soziale Wohnprojekte in Hannover, Selbsthilfe Linden eG, WOGE Nordstadt eG und Baukasten e. V. ( vom 4. Oktober 2013 im Internet Archive), Website „target GmbH“, PDF-Datei, S. 6. Abgerufen am 7. April 2024.
- ↑ Olli Förste: Weiter Streit um Häuser im Puttenser Felde ( des vom 24. April 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Radio Flora, 25. Oktober 2002
Koordinaten: 52° 22′ 57″ N, 9° 43′ 13,9″ O